Familie

Wie weit entfernt die bestehenden Probleme in der letzten Zeit waren. Seit gestern sind sie wieder da. Entscheidungen, die anstehen. Alternde Menschen, die ungern über ihre Gefühle sprechen. Besonders wenn es Schmerzen sind. Hilflos steht man ihnen gegenüber, weil man nicht helfen kann. Weil sie auch keine Hilfe annehmen wollen – aus Angst eine Last zu sein.
Menschen, die nicht mehr in der Lage sind, den Alltag zu bewältigen. Weil der Körper nicht mehr mitspielt. Entscheidungen müssen getroffen werden. Nur wie? Über ihren Kopf hinweg? Ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse ignorieren?
Und dann das andere Problem. Die Krankheit, die ihn langsam auffrisst. Zu der er sich nicht einmal bekennt, obwohl er Schmerzen hat. Furchtbar müssen sie sein.

Angst. Davor, dass es kein Wiedersehen gibt. Mit dem Gedanken, dass diese Haltung vielleicht so egoistisch ist, weil das Leben für ihn nur noch eine Qual ist. Von der er erlöst werden sollte. Und Angst davor, dass auch sie dann ihren Lebenswillen verliert. Weil sie so lange ein Paar waren. Glücklich, wie heutzutage nur noch selten.

Bitte, bitte

Und immer die selben Fragen: ‘Hast du dich schon eingelebt? ‘ – ‘Und wie findest du es hier?‘ – ‘Wann fährst du wieder nach Berlin?‘ Auch dieser hier ist sehr beliebt: ‘Berlin ist schon eine schöne Stadt.‘

Was wollt ihr eigentlich? Minderwertigkeitskomplexe haben? Wollt ihr ernsthaft hören: ‘Nö, ich fahr da gar nicht mehr hin‘ – und ‘Hier isses echt viel schöner…‘

Nein – all das kann ich euch nicht geben. Ich wohne jetzt hier – ja, dazu stehe ich. Und ich bin dieser Stadt auch sehr offen gegenüber eingestellt. Denke nichts Schlimmes, wenn ihr mich mal wieder in der Straßenbahn anmault (das machen die Berliner ja auch so…) oder ihr mir auf den Füßen herumtretet. Auch im Supermarkt schenke ich euch ein Lächeln. Aber glaubt ihr, dass man mit mir nur über Berlin reden kann? Kaum eine Unterhaltung, in der ihr mir nicht von euren langjährigen Plänen erzählt, da auch mal wieder hinzufahren. Wann ihr zuletzt dort wart, wenn nicht sogar gewohnt habt. Dass ihr da total gerne hinfahrt, weil es einfach so schön ist. Ja, sie ist schön, aber sie ist nun mal auch wie jede andere Stadt. Man lebt dort, genießt das Leben und die Vorzüge. Mehr nicht. Und ja. Ich hab nichts gegen Düsseldorf. Ihr habt den Rhein und eine wunderschöne Königsallee, die dem Kudamm allemal den Rang abläuft.

Aber ansonsten? Ich will euch nicht vergleichen, weil ihr nicht vergleichbar seid. Allein die Einwohnerzahl ist dafür Grund genug. Dass man euch nicht vergleichen kann, wisst ihr selbst, trotzdem zwingt ihr mich immer wieder dazu. Bitte, bitte, gebt endlich Ruhe.

FILM: Schultze gets the blues

Ach wie schön war dieser kleine Kinofilm.

Und wie schön, endlich mal wieder mit einem so breiten Grinsen aus dem Kino zu gehen, heiter ohne Wölkchen, obwohl. Aber der Reihe nach.

Viel passieren tut nicht – Schultze geht in den Ruhestand, eher unfreiwillig, aber er geht. Muss sich die Zeit mit seinen beiden Kumpel Manfred und Jürgen vertreiben. Trinkt Bier, kümmert sich liebevoll um die Gartenzwerge in seiner Datscha und besucht seine Mutter im Altenheim. Ach ja, und er ist im Musikverein, der sein 50-jähriges Bestehen feiert.

Eines Abends hört er im Radio ein Lied, mit Südstaatenflair, was ihn fasziniert, so sehr, dass er es aller Welt vorspielen will und für das er auf der Feier des Vereins auch ausgebuht wird. Doch wie es der Zufall will: Schultze wird ausgewählt, in die USA zu reisen.

„Schultze gets the blues“ ist voller wundervoller Details. Die Salzlampen, die die drei Freunde zum Abschied bekommen, die altmodische Wohnung, die Gartenzwerge – alles wird von der Kamera so in Szene gesetzt, dass man sich an den Bildern freut. Und Schultze alias Horst Krause benötigt keine Worte, um sich zu verständigen. Das Schöne: Es funktioniert nicht nur in seinem anhaltinischen Dörfchen, sondern auch in Amerika.

Manchmal wundert es mich, wenn ich bereits im Kinosessel sitzend bei einer Szene denke: Das hier wäre ein schönes Ende gewesen. Und so komme ich doch noch kurz zu dem Wölkchen. Dann nämlich, als Schultze auf dem Dach des Hausboots einschläft, nachdem er im Club einen Schwächeanfall erlitten hat, die Kamera sich auf den Mond richtet, der sich langsam hinter den Wolken versteckt, genau in diesem Moment dachte ich: Was wäre das doch ein schönes Ende.

Es war nicht so: Denn stattdessen leistete sich der liebe Regisseur noch die Beerdigung von Schultze. Auf der natürlich von der Kapelle des Musikvereins sein Lied gespielt wurde.

Fazit: Ein wunderbarer kleiner deutscher Film, der amüsiert und rührt – so sollte Kino sein.

Cicero

Das war ein Nachmittag: Ein bisschen die Stadt erkunden und dann gemütlich einen Kaffee trinken – leider ohne Kuchen – und lesen. Die neueste Cicero-Ausgabe. Gefessel war ich. Lech Walesas heutige Rolle in Polen, der offene Brief an die Bundespräsidentenkandidatin, die gefallene Generation, das Interview mit Angela Merkel, welches sie – ja, ich selbst kann es nicht verstehen – sympathisch erschienen ließ. Vielleicht ist aber auch der Artikel von Liz Mohn Schuld an dieser Sympathie. Ebenso lesenswert: Der Artikel über Anke Engelke, der offene Brief an Jobst Plog und der Kapital-Teil. Ich bin selbst verwundert darüber, wie euphorisch ich nach dem Lesen dieses Heftes bin, ist Cicero doch vor allem ein Debatten-Magazin. Greift Gedanken auf, dreht sie weiter, lässt andere Meinungshabenden zu Wort kommen. Beim ersten Heft dachte ich noch, ob dieses Konzept wirklich aufgeben kann, doch nun bin ich überzeugt. Gerade als Monatsmagazin ist Cicero großartig. Kein Heft, welches man in einem durchlesen kann und will, weil die Themen zum Nachdenken anregen. Und man das Heft lieber erst einmal beiseite legt, um sich eine eigene Meinung zu bilden. Den Blick erweitern, und dann wieder zu dem Blatt greifen und so lange lesen, bis man wieder festgehalten wird. Das macht Spaß und lässt auf mehr hoffen. Und auch darauf, dass die Jungs ihre auferlegte Auflage schaffen. Das wünsche ich ihnen von ganzem Herzen. Weil ich dann auch was davon habe, weshalb auch sonst. Oder glaubt ihr wirklich, dass ich so uneigennützig denke???

Mister M.

Er ist endlich wieder da. In meinem Leben. Und was habe ich ihn in der letzten Zeit vermisst. Schon lange hab ich seine Stimme nicht mehr gehört, obwohl er sich doch immer so regelmäßig gemeldet hatte. Anfangs mehrmals in der Woche, dann unregelmäßiger, zum Schluss alle sechs Wochen. Immer ein Austausch: Wie geht es dir? Gibt es was Neues? Was macht die Liebe? Durch den Umzug dann der Abbruch. Keine Anrufe mehr, weil er die neue Nummer ja nicht hatte. Aber es gibt ja Handy und so war es heute dann wieder so weit. Viertel nach zehn holte er mich aus meinen Träumen. Und dann das übliche. Wie – du hier? Dann können wir uns ja… Könnten wir – ja. Auf der Suche nach der Liebe ist er immer noch. Obwohl er natürlich schon so viele Frauen kennengelernt hat, die ihn wollten. Aber er sucht ja nach der richtigen. Und dass diejenige die falsche ist, das weiß er immer schon nach dem ersten Date. Oder ein bisschen später, wenn er mit ihr im Bett war. Aber er ist ja nicht SO einer, er doch nicht. Ich weiß nicht, wie viele Telefongespräche wir schon geführt haben, in denen er mir genau diesen Text runterleiherte. Auch dieses Mal fehlte es nicht, dass Angebot, wenn mein Herz mal wieder frei ist, und so. Das Schlimme ist: Er merkt nicht, wie verzweifelt er klingt. Wie sicher man weiß, warum er nicht die Richtige findet. Von den anderen Qualitäten mal abgesehen. Suchen tut er auch nach einem Job. Aber auch das werde sich regeln – sagt er. Und die Glaskugel, die er angeblich befragt habe. Erst die Frau und dann der Job – so war die Vorhersage. Wir können gespannt sein.

Verspiessung

Ist da noch jemand da draußen, der gestern seine CD-Sammlung alphabetisch geordnet hat? Nicht nur der Lesestoff, jetzt auch die Musik.

Grrh mit Happy End

Tag 1: Dienstag. Ich will ein Ticket. Für den öffentlichen Nahverkehr, hab keine Lust mehr auf das ewige Lösen einzelner Tickets. Immer passendes Kleingeld für den Automaten dabei haben und die Pläne, täglich mit dem Fahrrad dort hinzufahren, sind ja leider auch schon wieder begraben. Ausreden wie Regen, Kälte und Faulheit sind nun mal überzeugende. Aber ich wollte ja von dem ersten Versuch erzählen, den ersten Versuch mir ein Monatsticket-Abo zu holen. Gut vorbereitet war ich: Hatte sogar den Arbeitsvertrag mit. Ein unfreundlicher Herr am Schalter. „Da nehmen Se mal diesen Vordruck“ – und: „Ja, wie, sie brauchen jetzt aber noch so einen Stempel!“. Stempel? Vom Arbeitgeber, ohne geht nichts, auch wenn man den Vertrag dabei hat – natürlich ohne Stempel.

Tag 2: Donnerstag. Stempel besorgt, sogar unaufgefordert ne Unterschrift bekommen. Am Schalter jedoch die Ernüchterung: „Geht heute nicht. Wir hatten einen Serverausfall“ – und der beruhigende Nachsatz hinterher: „Sie glauben gar nicht, wie viele Leute ich heute schon verärgert habe…“. Schön für ihn.

Tag 3: Freitag. Heute muss es sein, und nachdem ich mich auch schon am gestrigen Tag versicherte, dass ich auch wirklich nur diesen ausgefüllten Schein (mit Stempel) mitbringen müsste, fuhr ich da heute hin. Auf dem Fahrrad, um auch endlich mal was für die körperliche Fitness zu tun, auf zum Rheinbahncenter. Am ersten Schalter: „Und wo ist jetzt ihr Arbeitsvertrag?“ Ich kochte vor Wut. Aber glücklicherweise war der charmante Herr vom gestrigen Tag auch dabei und der übernahm dann letztendlich auch die Verantwortung für meinen Auftrag. Wenn nicht, dann wär auch was passiert, das sach ich dir.