Nick Cave – Nature Boy
so sexy.

Erna

Heute musste ich wieder an sie denken. An dieses kleine Wesen, was sonntags immer, wenn die gesamte Familie frühstückte, aus ihrem Versteck kriechte und sich zu uns gesellte. Selbst ebenfalls an ihren Salatblättern knabberte. So waren wir dann immer alle beisammen. Später dann, als wir aus der großen Stadt weggezogen waren, lebte sie bei meinen Großeltern. Dort hatte sie es eh viel besser, musste nicht auf die Launen von uns Kindern warten, um ein bisschen auf einer Wiese spazieren zu laufen. Dort konnte sie immer in der sie wärmenden Sonne liegen, ab und zu an ein paar Blättern Löwenzahn knabbern oder sich im Garten unter den Stiefmütterchen vergraben, wenn die Sonne ihr zu sehr auf dem Panzer schien.
Immer dann, wenn wir dann zu Besuch waren, schaffte sie es doch abzuhauen. Tage später tauchte sie dann immer wieder auf. Mal unter dem Kirschbaum der einen Nachbarn, mal im Blumenbeet der anderen. Bald hatte sich herumgesprochen, wo sie lebte, so dass die Nachbarn sie oft schon von allein wiederbrachten.
Die Winter waren immer unsicher. Man konnte nie wissen, ob die kleine Schildkröte es wieder schaffen würde, übe die kalte Jahreszeit zu kommen. Und in einem Winter war es dann leider soweit. Sie wachte nicht mehr auf. Lag tot in ihrer Holzkiste, die der Großvater für diese Zeit immer in den kühlen Keller stellte.
Vergessen habe ich sie nie, musste nur nicht so häufig an sie denken. Und nehme mir immer wieder vor, dass ich, wenn ich irgendwann richtig groß bin und einen Garten haben sollte, wieder eine Schildkröte haben will. Es gibt kein Tier, was cooler ist, finde ich.

Dittsche

Die sonnengelbe Farbe perlt. Wegen des FCKW. Und das Haargel von den Fußballern geht in den Kopf hinein. Soso. Gut, dass er wieder da ist.

Alexander Gorkow: Kalbs Schweigen

Und dann noch das. Ist ja heutzutage in, dass irgendwelche Journalisten auch mal ein Buch schreiben. Vielleicht ist der Gorkow nicht irgendeiner von der SZ, schließlich leitet er die Wochenendbeilage, besser wird das Buch dadurch aber auch nicht. Was Alexander Osang mit ‚Die Nachrichten‘ gelang, nämlich ein interessantes Bild der TV-Medienwelt zu zeichnen, liest sich bei Gorkow weniger spannend. Die Geschichte um den TV-Moderator, der verstummt, kann man ja mal erzählen. Und auch die Details, nämlich, dass er Vater von vier Kindern ist, von seiner Frau, die das Fernsehen hasst, aus der gemeinsamen Wohnung geworfen wurde, klingen durchaus nach einer Geschichte, die man schön erzählen könnte. Wie gesagt: könnte. So wirkt das ganze arg nach einem Abklatsch von Osangs Buch aus dem Jahr 2000. Aber was soll’s. Muss ja nicht jeder Bücher schreiben können. Wenn ich mir gestern für die lange Zugfahrt noch ein paar Zeitungen gekauft hätte, dann hätte ich es wohl auch nicht beendet.

Charles Simmons: Salzwasser

Ein Buch über die Liebe. Ein Sommer im Leben eines 16-Jährige. Er erlebt zum ersten Mal die Liebe, hat zum ersten Mal Sex und muss einen schweren Schicksalsschlag hinnehmen: Den Tod seines Vaters. Nach diesem Sommer ist er dann auch ein Stück erwachsener geworden.

„Wenn man die Liebe sucht, findet sie einen.“

„- Muss man jemanden lieben, um mit ihm ins Bett zu gehen? – Ich schon, aber du nicht. Ist das in Ordnung, Michael? – Wäre es nicht schöner, wenn der andere auch verliebt wäre? – Natürlich. – Was ist anders, wenn der andere einen liebt? – Dann geht er nicht fort.“

Fazit: Ganz nett, leider aber ein bisschen belanglos, nicht so richtig fesselnd. Aber vielleicht ist’s nur was für Jungs.

Neulich am Stammtisch

‚Eigentlich müsste eine Gesundheitsministerin Ärztin oder Apothekerin sein. Und was haben wir hier in Deutschland: Eine Sonderschullehrerin. Die kann das ja nicht können.‘

Mehr davon in der S-Bahn von Mannheim nach Heidelberg. Ganz ohne Bier oder andere Einwirkung von Drogen.

‚Ja, dann fahren wir mal los‘, sagte der Taxifahrer betont locker, kurz bevor er kräftig aufs Gaspedal trat. ‚Gute Idee‘, pflichtete ich ihm bei und erschrak sogleich, weil der gute Mann in schallendes Gelächter ausbrach. So gut war der Spruch nun wirklich nicht, dachte ich mir und muss dabei arg angewidert geschaut haben. ‚Tut mir leid, ich bin so‘ entschuldigte er sich. Auf der Zunge lag mir ein ‚Ich auch‘. Sagte ich aber nicht. Man muss sich ja nicht mit jedem gleich verbrüdern.

Bei jedem Besuch wird es schlimmer. Am Ende eines solchen steht man an diesem Bahnhof, denkt zurück. Mit dem Gefühl, dass es beim letzten Mal schon so schlimm war, als man da stand und wartete und die Tränen kullerten. Dieses Gefühl, dass man nun vielleicht zum letzten Mal wegfahren wird, dass so viele Dinge ungesagt bleiben werden. Und wie man da so steht, weiß man ganz genau, dass es doch immer noch schlimmer wird. Man wollte es ja schon beim letzten Mal nicht glauben. Dass der schleichende Prozess der Krankheit immer weiter kriecht, auch wenn man glaubt, dass es nicht weiter gehen kann.

Und dann die Angst, die Angst davor, beim nächsten Mal wieder dort zu stehen, zu wissen, dass sich sein Zustand doch immer noch ein bisschen mehr verschlechtern kann. Er will nicht mehr, spricht offener denn je über seine Krankheit, seine Gefühle, und dass es endlich zu Ende sein soll. Er will nicht länger leiden und ahnt wohl selbst zu genau, dass die Wahrscheinlichkeit für ein langes, qualvolles Ende viel zu hoch ist.

Und dann die eigene Hilflosigkeit. Nicht zu wissen, was man in seinen so offenen Momenten fühlen, geschweige denn sagen soll.

Prag (4)

Ich bin mir dessen bewusst, dass das Empfehlen von Bahnstrecken doch einen gewissen Grad an Spießigkeit hat. Aber: Die Strecke von Prag nach Deutschland in Richtung Berlin ist wirklich traumhaft. Die ganze Zeit am Fluss entlang zwischen den Bergen. Super Landschaft. So, genug geschwärmt.

Berlin ist übrigens die beste Stadt der Welt. Musste auch mal gesagt werden.

Prag (3)

Nach einem dann doch noch schön gewordenen Tag in der Stadt hier eingekehrt. Nette Location, nicht weit entfernt von der Moldau und einer Brücke, von der man einen wunderbaren Blick auf die Burg und Umgebung hat. Da saßen wir nun und warteten bei anregender Musik auf das Essen. Dieses Elektrik-Gefrickel kann ich nicht immer ertragen, dort passte es aber. Ganz und gar nicht passend waren dann aber die Gäste, die sich nach und nach zu uns gesellten. Zunächst die Viererrunde, bestehend aus einem Ehepaar, Ende 50, und den beiden älteren Damen, Ende 60. Beide behost in der Trendfarbe beige saßen sie very british mit ihren großen Brillen, der goldenen Brosche am Revers und ihrem Rotwein. Und bissen ins kümmelgespeiste Brot. Eine Rentnergruppe kann sich ja irren – meint man. Doch als dann wenig später noch ein älteres Pärchen den Laden betrat, diesmal im unauffälligem Dunkelblau bekleidet, wunderte ich mich arg. Diese Menschen, die mit blauer Plastiktüte durch die Gegend laufen, setzen sich freiwillig in dieses Lokal, in dem sie laut mit einer Mischung aus Dub, Dance und was auch immer beschallt werden? In Prag ist doch alles anders.

Und heute Nacht war es dann soweit. Ich weiss nicht, ob ich nun diesen Grad der Entspannung erreicht habe, dass all das, was in den letzten Wochen vorgefallen war, wieder hochkochen konnte oder musste. Schön war es auf jeden Fall nicht und für den Begleiter sicherlich auch ein wenig überfordernd. Aber sie mussten raus, die Gefühle, auch heute morgen noch einmal. Trotzdem oder vielleicht auch deshalb wurde der Tag dann aber doch noch schön. Der letzte hier, im übrigen, weil es morgen weiter geht. Zurück nach Deutschland, jedoch in die Lieblingsstadt. Auf einen netten Abend, hoffentlich.