Meine Mutter

Nach einer ganzen Weile mal wieder ausgiebig mit ihr telefoniert. Die letzten Neuigkeiten ausgetauscht, ihr den Raum gegeben, mal über den einen oder anderen zu schimpfen, sich über ihre Kollegen auszulassen, von denen ich die meisten auch kenne. Irgendwann regt sie sich über einen Spiegel-Artikel auf, der auf Seite 126 im aktuellen Heft zu finden ist: „Führt die Präsentations-Software „Powerpoint“ zu einer Verflachung des Denkens?“
Ich habe ihn nicht gelesen, weil ich den aktuellen Spiegel nicht da habe, sie aber. Lässt sich darüber aus, wie blöde sie diese Präsentationen findet. Was für eine Aussage von einer Frau, die noch nicht einmal in der Lage ist, eine E-Mail so zu versenden, dass sie den Adressaten auch erreicht.
Aber nein, ich will mich nicht über die Computerfähigkeiten meiner Mutter auslassen und auch dieses Programm nicht in Schutz nehmen, sondern vielmehr den Spiegel-Autoren dafür loben, dass er wohl so plastisch geschrieben hat, dass meine verehrte Frau Mama anscheinend alles verstanden hat, beipflichtend schimpfen konnte und nun ein glücklicher Mensch ist. Vielleicht sollte eben dieser Autor ihr mal erklären, wie das nun mit den E-Mails geht …

Jakob Hein: Formen menschlichen Zusammenlebens

Manche Bücher kann man ganz schnell lesen. Nach nur einem Tag – mit Unterbrechungen versteht sich – ist alles vorbei. Es kam, fesselte zumindest so sehr, dass man es beenden wollte, und es ging. Um nachts um halb eins war es dann wieder vorbei.
Worum es geht? Ein Junge, der sich in seiner Jugend für die USA begeisterte. Stolz ein Shirt mit den Buchstaben N.Y.C. trug, bis es nicht mehr tragbar war. Nach der Wende reist er in das Land seiner Träume, lernt die Sprache, schlägt sich durch und knüpft Kontakte.
Erhofft, hatte ich mir vom Titel und Klappentext anderes, einen größeren Fokus, was dieses menschliche Zusammenleben angeht. Sicher, er lebt immer wieder mit den unterschiedlichsten Menschen unter einem Dach, aber liegt der Fokus des kleinen Büchleins doch zu sehr auf der Hauptperson und weniger auf den Formen.
Alles sehr schnell weglesbar und etwas enttäuschend. Schade, hatte ich mir doch ein wenig mehr versprochen.

Gurkenzeit

Als ich am Samstag den Titel der großen deutschen Tageszeitung am Kiosk sah, mit der Story, dass der Wussow von seiner Angetrauten geschlagen und misshandelt wurde, da erschrak ich. Denn mein Gesicht verzog sich zu einem fetten Grinsen. Wusste nicht, ob ich mich für diese Regung schämen sollte, weil es doch gemein ist, wenn anderen Menschen Gewalt angetan wird. Und dann auch noch vom eigenen Lebenspartner. Ja, die Geschichte traf die Witwe so sehr, dass ich am Montag dann lesen konnte, dass sie sich wegen dieser bösen Gerüchte umbringen wollte. Als Beweis: Das Foto, in dem sie ihre Arme präsentiert. Natürlich mit ernsten Mienen.
Nein, grinsen musste ich nicht, als ich heute in der U-Bahn lesen musste, dass der schräge Daniel verunglückt ist. Nein, geschmunzelt habe ich nicht. Das wäre ja gemein. Mit einem Auto in einen Gurkenlaster gerast.
Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass es mir doch nicht gelingt, diese beiden Geschichten miteinander zu verbinden. Auch wenn sie irgendetwas miteinander zu tun haben…
A propos Gurkenlaster, da fällt mir das Glas mit sauren Gurken in der Küche wieder ein. Widme ich mich doch lieber den angenehmen Dingen und esse noch eine, so vor dem Schlafengehen.

Abschied?

Sicher, irgendwie schimpft man immer darüber, dass die eine oder andere Zeitung schlechter wird.

„Der Spiegel ist auch nicht mehr das, was er mal war.“ – Nach dem Tod des Herausgebers vermutete man, dass der Chefredakteur erst einmal all die Themen auf den Titel hob, die der Chef bisher verhindert hatte. Vielleicht nur böse Unterstellungen. Aber wirklich gut ist er wirklich nur, wenn er Hintergrundberichte zu aktuellen Themen bringt. Wenn er rekonstruiert: So könnte es gewesen sein. Legendär: Der Artikel über die Regierung und deren Zeit, damals in den Achtzigern. Dann kann er brillieren.

Aber ich wollte ja eigentlich über die Sonntags-FAZ „Sie ist auch nicht mehr das, was sie mal war“ – Auch in diesem Fall. Ich hab sie immer gern gelesen. Wirklich. Doch wie immer: Seit einigen Monaten ließ sie nach. Und jetzt denke ich, dass die Zeit gekommen ist, einen Schlussstrich zu ziehen. Grund: Nicht einmal die Medienseite kann mich jetzt noch glücklich machen. Denn seit einigen Wochen ist er weg, der verantwortliche Redakteur. Ersetzt durch einen anderen. Finde die Auswahl der Themen nicht mehr spannend – die Spritzigkeit fehlt.

Was da noch hilft? Abschied. Und Trennung. Was soll’s. War ja schließlich schon ein Abschied auf Raten.

Jeffrey Eugenides: Airmail

Seltsam. Manchmal begegnet man Menschen immer wieder. An den unmöglichsten Orten. Als ob sie nach mehr Aufmerksamkeit schreien. Sich ins Gedächtnis rufen. Eine seltsame Nähe aufbauen.
Wer so hartnäckig ist, bekommt sie auch.
Nachdem ich in „The Virgin Suicides“ auf ihn gestoßen wurde, und da ich eh schon seit Wochen diese beiden Bücher hier herumliegen habe, ist’s jetzt endlich passiert.
Habe das Schreien erhört und gelesen. Das dünnere natürlich. Wegen der Anzahl der Seiten. Und der verfügbaren Zeit. Weil es kurze Geschichten waren. Auch weil ich eigentlich noch an einem anderen lese, immer mal wieder ein paar Seiten.
Ja, auch ich bin ein bekennender Parallel-Leser. Was oft an dem abzuarbeitenden Stoff liegt, an der Stimmung, an Menschen, mit denen man eine bestimmte Lektüre verbindet. Denn dann ist es eben so, dass ein Buch erst nach Monaten beendet werden kann.
Was soll ich sagen? Er hat mir gefallen. Die Sprache, die Wortwahl, die Themen. So sehr, dass ich mich nun damit beeilen werde. Und wenn es einfach an der Übersetzung lag, lüfte ich vor den kleinen Helferlein den Hut. Habt ihr fein gemacht.

„Gott schütze Sie“

Ich frage mich wirklich, warum Ihre Schwangerschaftsvertretungen immer so viel besser sind als sie selbst. Die TAZ über Jörg Thadeusz: „Der Mann ist smart, wortgewandt und selbstironisch; alles keine Eigenschaften, für die Tita von Hardenberg berühmt wäre.“

Der Bindestrich

Auch ich neige mittlerweile dazu, ihn öfter mal anzuwenden. Es ist zwar noch nicht so schlimm, wie bei anderen, insbesondere Kollegen. Welch wunderbarer Grund: „Die Lesbarkeit sollte neben der Verständlichkeit stets oberste Maxime beim Schreiben sein. Eine Wortkette aus mehr als 30 Buchstaben erweist sich für das lesende Auge bisweilen als Stolperstein und führt zu Irritationen. Ein sinnvoll gesetzter Bindestrich kann Abhilfe schaffen und den Lesefluss glätten.“ (spiegel.de)

Murakami: South of the border, west of the sun

‚After a certain length of time has passed, things harden. Like cement in a bucket. And we can´t go back anymore. What you want to say is that the cement that makes you up has set, so he you you are now can´t be anyone else.‘

Metrosexuelles

Schöner Artikel in der SZ vom Wochenende über die neue Spezies Mann. Gut geschrieben, und wer nur wissen will, wie wir uns die Männer wünschen, sollte:

(Text ein wenig gekürzt)

„1. Ein Mann isst in der Tat gerne Fleisch. Er versteht nicht, dass seine Begleiterin sich darüber ekelt und kommentiert diesen Ekel auch nicht. Er isst einfach weiter. (…) Niemals schaut er in einen kochenden Topf und sagt „Köchel,köchel, köchel!“ oder „Mjam, mjam, mjam!“
2. Er interessiert sich für ihre Unterwäsche, nicht für seine. Er trägt Shorts. Kunstfasern und „lustige“ Farben sind was für Seiltänzer.
3. Er ist sauber, nicht ordentlich. Ein Mann, der Bücher und Platten alphabetisch sortiert, hat auch seine schmutzige Phantasie unter Kontrolle.
4. Er darf keinesfalls besitzen: Regenschirm, CD-Ständer, Keith-Haring-Sofa, Föhn, Porzellanhuhn als Klobürstenhalter, Schuhe, die aussehen wie Damenhandtaschen, bedruckte Langarm-T-Shirts, letztere sind, wie auch Rülpsen u.ä., die Sache von 15-jährigen Schuljungen. (…)
5. Er hinterlässt nach dem Duschen unbedingt (k: Einfügung meinerseits)eine Katastrophe im Bad.
6. Er hat in seinem Wagen keine hellbeigen Ledersitze. Hellbeige Ledersitze sind was für Fernseh-Yuppies mit Sodbrennen. Ein hektischer Fahrer vergrault jede Frau. (…)
7. Frauen sind aufbrausend, Männer sind es nicht. Wird er gereizt, bleibt er cool. Er richtet die Nervensäge später hin. Womöglich viel später.
8. Er verträgt Alkohol und Drogen. Nicht in der Art wie Robert Downey Jr., aber mehr als seine Frau. (…)
9. Er muss größere Füße haben als sie, mehr wiegen als sie und an Armen wie Beinen behaarter sein als sie. Alles andere ist erniedrigend. Für beide.
10. Er darf (…) Sandalen tragen.
11. Er hat keinen „gemütlichen kleinen Bauch“. Frauen, die behaupten, dass sie seinen „gemütlichen kleinen Bauch“ lieben, haben oft einen geheimen Zweitfreund, der keinen „gemütlichen kleinen Bauch“ hat. Er darf eine Glatze haben, aber niemals eine Frisur.
12. Er muss Schmerzen aushalten können. Schnitt- und Brandwunden sind mit stiller Würde zu ertragen.
13. Er muss ihre drei albernen Freundinnen mögen und sogar ein wenig mit ihnen flirten. Er muss drei rätselhaft stille Freunde haben, mit denen er von Zeit zu Zeit verschwindet. Ein Mann ohne diese drei Freunde ist verdächtig.
14. Er muss kein Handwerker sein, aber Werkzeug besitzen und Licht wie auch DVD-Player anschließen können.
15. Er fragt niemals „Liebst du mich?“ und niemals „Was ist los mit dir?“ Heult sie – natürlich grundlos – schenkt er ihr etwas, obwohl Weihnachten schon vorbei ist (siehe auch Punkte 2 und 4: Unterwäsche / „Kelly-Bag“).
16. Er jammert niemals bei seinem Chef herum. Regel: Männer, die beim Chef über ihre Kollegen jammern, jammern auch bei Mama über ihre Frauen.
17. Er redet sowieso nicht viel.
18. Er läuft auf der Straße niemals hinter ihr her, schon gar nicht an der Hand.
19. Er fragt niemals „Wollen wir teilen?“, wenn die Rechnung kommt.
20. Er regiert sein Handy, sein Handy regiert nicht ihn. In Gesellschaft ist sein Handy ausgeschaltet. Er verschickt SMS nur im absoluten Notfall! Kurzmitteilungen sind was für 15-jährige Schulmädchen. (…)

Lieber Mann (…) erfüllst Du nur circa 5 Punkte? In der Hölle wirst Du Arun Nayar treffen. Erfüllst Du ungefähr 12 Punkte? Noch bist Du zu retten! Den Männern, die die 20 Punkte annähernd erfüllen, müssen wir ein schönes Wochenende nicht erst wünschen. Ihren Frauen naturgemäß auch nicht.“

Der tägliche Wagner (1)

Heute in BILD:
„(…)
Sex ist niemals das, worum es geht. Sex ist ein berauschendes Transportmittel, aber verschwindet wie eine Wolke am Himmel.
Ich bin überzeugt, dass Sex nur kurzfristig bindet. Sich ins Ohr Küsse zu murmeln, Beschwörungen zu flüstern – das hält vier Wochen, höchstens vier Jahre.
Es ist eine andere Liebe, die Sie, Wolfgang Clement, uns vorleben. Es ist die Liebe des Pfefferminztees. Das ist die Liebe für die Ewigkeit.“