Abschied

Ich hätte nicht gedacht, dass mir das Gehen so schwer fallen könnte. Kiste packen, mit den Verbliebenen Worte austauschen. Und am Ende von fast drei Jahren bleibt nicht mehr als eine Kiste mit ein paar Zetteln, einer leeren Flasche Volvic, einer Tasse und ein paar Zeitungsartikeln. Mehr nicht.
Vor dem Fahrstuhl tief durchatmen. Die Gefühle ordnen, einsteigen und runterfahren. Draußen empfängt mich der kalte Berliner Wind. Ein rauher Wind.

Donnerstag Cicero kaufen. Donnerstag Cicero kaufen. Donnerstag Cicero kaufen. Donnerstag Cicero kaufen. Donnerstag Cicero kaufen. Donnerstag Cicero kaufen.

FILM: Kroko

Das war mal wieder ein Abend. Eigentlich wollten wir ins Cinema Paris. Gegen die Wand schauen. Das, und jetzt erlaube ich mir mal eben einen Kalauer, haben wir gegen die Wand gefahren. Und zwar richtig, weil wir natürlich viel zu spät kamen und die Vorstellung natürlich ausverkauft war. Was nun? „Video oder DVD schauen?“ – Och nö. Lieber einen anderen Film. Und diesmal wurde mein Vorschlag angenommen…

Kroko ist eine echte Berliner Göre aus dem Wedding. Als Anführerin einer Clique tyrannisiert sie ihre Umgebung, prollt bis aufs letzte herum und wird nach einer nächtlichen Raserei ohne Führerschein zu Sozialstunden in einem Behindertenheim verknackt. Dort wird sie – man ahnt es schon – zu einem anderen Menschen, lässt Empfindungen zu, bis wir gegen Ende sogar ein bezauberndes Lächeln auf ihrem Gesicht sehen können. Oh wie schön!

Ja, der Film ist vorhersehbar und die Handlung auch nicht neu. Der moralische Zeigefinger ist während des gesamten Films ganz weit in die Höhe gereckt. Mein Begleiter sagte treffend: Ein Sozialpädagogenfilm.

Trotzdem unterhält Kroko, die Figuren sind allesamt sympathisch und es macht Spaß die einzelnen Charaktere zu beobachten. Die Biographien der Behinderten werden beiläufig erzählt und im Kinosessel sitzend wartet man immer wieder gespannt, welche Schnoddrigkeit Kroko nun wieder ihrer Mutter, ihrer Schwester oder ihrem Freund an den Kopf knallt.

Bezeichnend war die Szene, als sie mit ihrem Typen im Bettchen liegt, nachdem sie miteinander geschlafen hatten und sie ihm vorwirft, dass er ja nur an sich denken würde: „Lass dir doch mal was einfallen…“ Ach, was für ein schöner Zickensatz.

Trotz aller Vorhersehbarkeit, ein schönes Stück Samstagabendunterhaltung und ein großes Lob an Franziska Jünger! So schnoddrig können nur Berliner sein!

Da scheißt der Hund ins Feuerzeug!

So ein Redewendungen-Duden ist schon was Feines! Komischerweise einer der Schinken, mit dem ich mich stundenlang amüsieren könnte. Und so sorgte das Büchlein in den Abendstunden meines vorletzten Arbeitstags zu allerlei Erheiterung.

Meine Mutter

Nach einer ganzen Weile mal wieder ausgiebig mit ihr telefoniert. Die letzten Neuigkeiten ausgetauscht, ihr den Raum gegeben, mal über den einen oder anderen zu schimpfen, sich über ihre Kollegen auszulassen, von denen ich die meisten auch kenne. Irgendwann regt sie sich über einen Spiegel-Artikel auf, der auf Seite 126 im aktuellen Heft zu finden ist: „Führt die Präsentations-Software „Powerpoint“ zu einer Verflachung des Denkens?“
Ich habe ihn nicht gelesen, weil ich den aktuellen Spiegel nicht da habe, sie aber. Lässt sich darüber aus, wie blöde sie diese Präsentationen findet. Was für eine Aussage von einer Frau, die noch nicht einmal in der Lage ist, eine E-Mail so zu versenden, dass sie den Adressaten auch erreicht.
Aber nein, ich will mich nicht über die Computerfähigkeiten meiner Mutter auslassen und auch dieses Programm nicht in Schutz nehmen, sondern vielmehr den Spiegel-Autoren dafür loben, dass er wohl so plastisch geschrieben hat, dass meine verehrte Frau Mama anscheinend alles verstanden hat, beipflichtend schimpfen konnte und nun ein glücklicher Mensch ist. Vielleicht sollte eben dieser Autor ihr mal erklären, wie das nun mit den E-Mails geht …

Deppen?

Sie lieben das Apostroph an den falschen Stellen – falsch, sie machen ein Apostroph, wann immer sich die Möglichkeit ergibt. Sie telefonieren mit Handies, trinken Expresso, essen gern Gnotschis. Und jetzt machen sie auch noch an den seltsamsten Stellen ein Leerzeichen

Liebes Handy,

Du begleitest mich auf Schritt und Tritt. Bist bei mir in allen Lebenslagen. Bei der Arbeit klingelst du leise, auf der Straße schön laut. Wenn du brummst, widme ich dir hektisch Aufmerksamkeit, so schnell und sehr, dass ich mir sogar fast die Knochen breche.
Bei allen Gesprächen mit entfernten Menschen – du bist dabei. Hörst mit, kommentarlos. Zeigst mir kleine Nachrichten, lässt mich Wichtig- und Nichtigkeiten austauschen.
Wenn du mal nicht bei mir bist, vermisse ich dich. Fühle mich nackt, nur als halber Mensch. Es könnte ja jemand versuchen, mich zu erreichen, auch wenn dein Display am Ende des einsamen Tages dann höchstens Nichtigkeiten anzeigt.
Nein, missen möchte ich dich nicht. Ich stehe zu dir, auch wenn ich eine Weile brauchte, mich an dich zu gewöhnen. Auch wenn ich mich manchmal sorge, wie sehr du mich beherrscht. Dann und wann lasse ich dich links liegen, und bringe dich zum Schweigen. Mit nur einem Knopfdruck kannst du mich nicht mehr beherrschen, ich vergesse dich kurz.
Doch diese Rebellion hält nicht lange an. Ich schalte dich dann wieder an, warte beschämt auf Nachrichten und erfreue mich an deinem engagierten Piepen! Danke! Dass du mir treu bleibst. Und für den Rest.

(idee geklaut bei ihm)

Die eigene Tinte

Der Suppenladen an der Ecke. Nachdem er es sich bisher leisten konnte, allein auf Suppen zu setzen, um die Mägen der arbeitenden Bevölkerung zu füllen, hat er nun umgestellt. Bietet auch so genannte Specials an, feine Mahlzeiten mit viel Gemüse und Reis oder Pasta.
Vitamine kann man auch bekommen: fruchtige Säfte, frisch gepresst, auch Gemüsemischungen sind dabei. Und zu allem Überdruss kann der Büromensch nun auch Suppen im Glas und andere Leckereien mit nach Hause nehmen. Feinköstliches. Nur über den Tintenfisch im Glas habe ich mich gewundert: Denn der schwimmt dort in eigener Tinte.

Jakob Hein: Formen menschlichen Zusammenlebens

Manche Bücher kann man ganz schnell lesen. Nach nur einem Tag – mit Unterbrechungen versteht sich – ist alles vorbei. Es kam, fesselte zumindest so sehr, dass man es beenden wollte, und es ging. Um nachts um halb eins war es dann wieder vorbei.
Worum es geht? Ein Junge, der sich in seiner Jugend für die USA begeisterte. Stolz ein Shirt mit den Buchstaben N.Y.C. trug, bis es nicht mehr tragbar war. Nach der Wende reist er in das Land seiner Träume, lernt die Sprache, schlägt sich durch und knüpft Kontakte.
Erhofft, hatte ich mir vom Titel und Klappentext anderes, einen größeren Fokus, was dieses menschliche Zusammenleben angeht. Sicher, er lebt immer wieder mit den unterschiedlichsten Menschen unter einem Dach, aber liegt der Fokus des kleinen Büchleins doch zu sehr auf der Hauptperson und weniger auf den Formen.
Alles sehr schnell weglesbar und etwas enttäuschend. Schade, hatte ich mir doch ein wenig mehr versprochen.

Befreiung

Es gibt ja nichts Schöneres, als nach getaner Arbeit durch die Buchläden zu ziehen. Schauen, blättern und dann sich für das eine oder andere entscheiden. Denn schließlich kann man jetzt wieder ganz viel lesen. Und zwar das, was man selbst mag, nicht diese furchtbare Pflichtlektüre für die letzten ungeliebten Scheine. Befreiend.
Und so hab ich mich für ein paar neue Exemplare fürs Bücherregal entschieden. Unter anderem auch ein Buch aus dem Antiquariat. Eins, was ich mit 16 oder 17 mal gelesen habe und was von einer Frau handelt, die über ihre Jugend schreibt, die keine war, weil sie jahrelang missbraucht wurde. War überrascht, wie viele Bücher der Mann hatte, die ich mir damals alle aus der heimatlichen Bibliothek geliehen hatte.
Das einzige, was heute nicht geklappt hat, war der Kauf eines neuen Paar Schuhes. Denn nachdem ich in den letzten Monaten hauptsächlich Frust-Schuhe gekauft habe, ich erinnere mich noch zu gut an den Kauf des äußerst schicken Paars Ende Oktober, müsste jetzt endlich mal ein Belohnungspaar her. Aber es lässt sich einfach keins auftreiben. Na und so musste eine neue Jacke her. Für den Frühling ganz farbenfroh.