Back to life, back to reality

8 Euro kostet die Fahrt zurück in die Jugend. 8 Euro, die ich – dort angekommen – dem Taxifahrer in die Hand drückte. Stimmt so. Raus aus dem Auto. Der Geruch verrät mir, wo ich mich befinde: Hier verdienen sich noch Bauern ihren Lebensunterhalt. Es riecht nach ‚Kuh‘. Hier schon, denn hier ist der Name ‚Tanzgaststätte‘ Programm.

Die Jugend brüllt mir ins Gesicht. Es ist warm. Warm und dunkel. Wir zwängen uns an kreischenden Mädchen vorbei, sie sind hübsch, aufgehübscht und betrunken. Diese Mädchen, die noch vor einigen Jahren recht ansehnlich erschienen, nun aber nur noch gebärfreudig wirken. Nicht weit entfernt drängeln kleine Jungs mit roten Mützen. Sie schubsen, eine kleine Rangelei – es gehört dazu. Weiter zur Garderobe 1 Euro, dann Cola-Korn 1,30 Euro, Selters genausoviel. Die ist aber uncool.

Die obligatorische Runde um die Tanzfläche, vorbei an den Theken, wo sie sich tümmeln, kein Wunder bei den Preisen und der Musik. Aus den Boxen wummert der neueste Kirmestechno. Master Blaster, hoch den Arm und mitgehämmert. Wenig später dann die Oldie-Phase. ‚Last Christmas‘ – gern gesehener Klassiker, geht immer, zumindest hier. Da schunkeln die Dauergewellten und Durchgestuften, tänzeln die Milchbuben und fußwippen die Coolen. Mitsingen ist Pflicht. Hier füllt sich die Tanzfläche noch, wenn aus den Lautsprechern Scooter schreit, wenn Christina Aguilera schmalzt und Destiny’s Child die Hüften schwingen. Hier schon. Und bei ‚westerland‘ weiß jeder den Text, auch wenn der eine oder andere 1988 noch gar nicht geboren war. Genau wie bei ‚zu spät‘ oder dem blutigen Sonntag von U2.

Und es gibt sie noch, die guten Songs, die nach einem Abend in dieser Location keine mehr sind. Lieder, die man gerade noch mochte. Die dann aber, nachdem sie DJ Ingo oder so verwurstet hat, nicht mehr liebenswert sind. Bei denen man dann, wenn sie wieder einmal im Radio oder TV ertönen diese Bilder assoziiert, die man in jener Nacht gesehen hat, sehen musste. Ja, und dann lief da dieses Stück, über das man jetzt plötzlich nicht mehr reden darf, geschweige denn spielen. Da schappte diese ‚perfekte Welle‘ über das Jungvolk, ein eigentlich hörbares Stück und mein Gegenüber fragte mich, ob man dieses Lied jetzt noch mögen kann. Nein, war meine eindeutige Antwort, nein, auf keinen Fall und nie wieder, will es nie mehr hören. Nicht nachdem ich die Dorfjugend auf das Stück rumprollen gesehen habe, nachdem Männer mit gegelten Haaren, hellen Jeans und beigefarbenen Sweatshirts und einem Bier in der Hand laut mitgröhlten. Ihre Augen dabei glänzen, als ob sie gerade auf ihrer ganz persönlichen perfekten Welle surfen. Glücklich scheinen, aber nur betrunken sind.

Nur wenig später hatte ich genug gesmalltalkt, geguckt und innerlich geweint. Ich schnappte mir meine Jacke, ging allein in die Kälte, stieg ins Taxi und fuhr nach Hause. Allein und ohne Tränen in den Augen.

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