Nachbarn

Eigentlich trafen wir uns nie. Höchstens mal zufällig im Hausflur, am Briefkasten oder bei Müllentleerungen begleitet mit einem kurzen „Hallo“, mehr oder weniger freundlichen Blicken oder jahreszeitbedingten Sätzen wie „Ganz schön glatt“ oder „Ob es wohl mal wieder regnet“. Manchmal traf man den Mann aus dem zweiten Stock auch im nahegelegenden Park beim sonntäglichen Singlespaziergang. Oder die gute Frau aus dem dritten in der Mensa. Rätsel gab sie oft auf, nicht nur, warum man sie gerade dort traf. Ihre Jalousien waren manchmal wochenlang verschlossen, manchmal sah man sie drei Monate nicht. Natürlich war sie es, die manchmal, wenn man selbst die Haustür öffnete, schnell wieder die Tür schloss. Bloß nicht im Flur begegnen.
Vielleicht ist es das, was ich an meinen jetzigen Nachbarn so mag. Ein älteres Ehepaar in den Siebzigern. Herzensgut. Ab und zu verbringen wir einen Abend gemeinsam – Wein trinkend und plaudernd. Sie kümmern sich um Ablesemänner und Paketboten. Wir treffen uns im Hausflur auf einen Plausch, am Briefkasten oder im Supermarkt.
Vielleicht ist es ein wenig eigennützig, aber so sollten Nachbarn sein.

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