Erna

Heute musste ich wieder an sie denken. An dieses kleine Wesen, was sonntags immer, wenn die gesamte Familie frühstückte, aus ihrem Versteck kriechte und sich zu uns gesellte. Selbst ebenfalls an ihren Salatblättern knabberte. So waren wir dann immer alle beisammen. Später dann, als wir aus der großen Stadt weggezogen waren, lebte sie bei meinen Großeltern. Dort hatte sie es eh viel besser, musste nicht auf die Launen von uns Kindern warten, um ein bisschen auf einer Wiese spazieren zu laufen. Dort konnte sie immer in der sie wärmenden Sonne liegen, ab und zu an ein paar Blättern Löwenzahn knabbern oder sich im Garten unter den Stiefmütterchen vergraben, wenn die Sonne ihr zu sehr auf dem Panzer schien.
Immer dann, wenn wir dann zu Besuch waren, schaffte sie es doch abzuhauen. Tage später tauchte sie dann immer wieder auf. Mal unter dem Kirschbaum der einen Nachbarn, mal im Blumenbeet der anderen. Bald hatte sich herumgesprochen, wo sie lebte, so dass die Nachbarn sie oft schon von allein wiederbrachten.
Die Winter waren immer unsicher. Man konnte nie wissen, ob die kleine Schildkröte es wieder schaffen würde, übe die kalte Jahreszeit zu kommen. Und in einem Winter war es dann leider soweit. Sie wachte nicht mehr auf. Lag tot in ihrer Holzkiste, die der Großvater für diese Zeit immer in den kühlen Keller stellte.
Vergessen habe ich sie nie, musste nur nicht so häufig an sie denken. Und nehme mir immer wieder vor, dass ich, wenn ich irgendwann richtig groß bin und einen Garten haben sollte, wieder eine Schildkröte haben will. Es gibt kein Tier, was cooler ist, finde ich.

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