Ach, diese Bahn

Eigentlich hatte ich mir fest vorgenommen zu motzen. So richtig, mit Schmackes, da hätten eure Ohren im Takt gewackelt (äh, Wallace-&-Gromit-geschädigt, gerade zu viele Hasen gesehen). Denn das war nämlich so:
Am späten Nachmittag machte ich mich auf den Weg nach Heidelberg. Ab zum Bahnhof und dank Frankfurt ja auch nur eine knappe Stunde Fahrzeit. Mit dem Zug. Die Stationen wären Darmstadt, Bensheim und Weinheim gewesen. Als der Zug in Darmstadt einfuhr, die Durchsage: „Wegen eines Personenschadens…, bla, bla,.. Zug umgeleitet…, bla, bla, wir wechseln die Fahrtrichtung, sülz, schwafel, 50-60 Minuten Verspätung.“ Na super. Doppelte Fahrtzeit. Und das auch noch mit knurrendem Magen. Ich war so sauer. Auf alles. Auf die Bahn, auf die dämliche Durchsage, auf den Mann meines Herzens, obwohl er nichts dafür konnte. Genau in diesem Moment beschloss ich zu motzen.
Doch leider ging die Geschichte noch weiter. Denn nach vielen seltsamen Orten, die ich noch nie betreten hatte (Biblis, Groß Gerau…) erreichte der Zug plötzlich Mannheim. Mannheim? Jetzt schon? Da hätten wir doch frühestens in einer halben Stunde sein dürfen? Aber half nichts, mein Gemüt hellte sich auf. Voller Freude griff ich zum Telefon und flötete dem Mann meines Herzens ins Ohr, dass er sich bitte, bitte auf dem schnellsten Wege zum Bahnhof begeben sollte.
Und auch wenn dieser Satz diese bescheidene Episode aus meinem Leben mit einem glücklichen Ende (neudeutsch: Happy End) ausgestattet hätte, nein, diese Geschichte geht immer noch weiter. Denn auf dem Weg nach Heidelberg kam dann auch noch der Schaffner, ein wahnsinniges freundlicher Herr. Den leicht sächsischen Akzent verzieh ich ihm sofort, als er bereitwillig sein schlaues Büchlein zückte und den Anwesenden ihre nächsten Verbindungen vorbetete. Live und in Farbe! Und dann, welch Wunder, bot er einem Fahrgast sogar sein Handy an, damit dieser seine Angehörigen informieren könne. Tja, Motzen war in diesem Moment nicht mehr. Schade, eigentlich.

5 Antworten zu “Ach, diese Bahn”

  1. Stefan sagt:

    „Wegen eines Personenschadens…, bla, bla,..“ heißt in der Regel, dass ein Mensch von einem Zug überfahren wurde. Ich motze auch gerne auf die Bahn (sie gibt einem ja auch häufig genug Grund dazu), aber in diesem Fall bleibt mir das Motzen im Hals stecken. Erstens wegen der menschlichen Tragik, zweitens kann die Bahn in diesen Fällen nichts für Fahrplanänderungen. Und manchmal geschieht gar ein Wunder und die Bahn ist früher am Ziel … Habe ich persönlich noch nie erlebt.

  2. Simon sagt:

    Und ein leichter sächsischer Akzent ist sicherlich nichts, was man irgendjemandem „verzeihen“ muss.

  3. Simon sagt:

    Bewundern?

    Nein, ehrlich – Wenn du schreibst, dass du ihm „verzeihst“, dann impliziert das, dass du von seiner Herkunft nicht viel hältst – Sonst wäre es ja nicht verzeihenswert.

  4. Setza sagt:

    –> Simon

    Der Sachse ist der Ossi ALLER Deutschen. Nicht gewusst? Schon lange.

    Schau:
    Vom Thüringer kann eh keiner den Sachsen unterscheiden, was dem Thüringer natürlich leid tut.
    Der Mecklenburger unterscheidet sich zu wenig vom Ostfriesen (Wessi!) und der Brandenburger ist zu indifferent, weil es WEST-Berliner gibt, die so schnodderich reden [außer den münsteraner Professorensöhnchen in der Motzstraße (Schöneberg, Westberlin) oder am Kollwitzplatz (Ostberlin) natürlich…], dass sie von Potsdamern (Ossis, außer Schönbohm, H. Springer oder G. Jauch…) nicht zu unterscheiden sind.

    Auf dem Weg nach Heidelberg (ha! …mit Anschluss nach Tübingen, Freiburg oder Lörrach gar…) tät ich mich sowieso eher nach dem sächsischen Dialekt sehnen…

    Ehrlichmal.