FILM: Lichter der Vorstadt
Es passiert nicht wirklich oft, dass ich Tage brauche, um mir darüber klar zu werden, ob ich einen Film mochte. Oder nicht. Und wenn ich ehrlich bin, kann ich auch immer noch nicht richtig sagen, ob ich den neuen Film von Aki Kaurismäki gut, mittelmäßig oder naja, nicht so gut fand. Kaurismäki ist der Mann der großen Einstellungen: Wunderbare Bilder, farblich alles stimmig, die Musik perfekt auf die Szenen abgestimmt. Kein Zweifel, allein aus diesem Grund lohnt es sich, diesen Film zu sehen.
Und doch zweifle ich noch: Der Grund liegt wohl darin, dass mich der Hauptcharakter dieses Films so wahnsinnig genervt hat. Dieser Koistinen, ein Wachmann, der nichts weiter hat als seinen Job, seine kleine Wohnung. Nach der Arbeit zieht er allein durch die Bars der Stadt, auf der Suche nach Aufmerksamkeit. Koistinen ist ein Mensch ohne soziale Kontakte, seine Arbeitskollegen meiden ihn, vielleicht meidet auch er sie.
Und doch hat er sich nicht aufgegeben; er hat sogar Pläne, Pläne für die Zukunft, die zwar unrealistisch sind, aber das ist egal. Und dann tritt Mirja in sein Leben, ein blondes Wesen, das Koistinen neue Hoffnung gibt: Hoffnung auf Liebe. Doch leider hat Mirja mit Koistinen andere Dinge for: Sie nutzt ihn aus, macht sich sein Wissen als Wachmann des Shoppingcenters zu nutze, um dort zunächst einzubrechen und ihn dann als Dieb an die Polizei auszuliefern.
Doch Koistinen ist nicht dumm, er merkt sehr bald, dass er hier übers Ohr gehauen wurde, doch das, was mir die immerhin nur 77 Minuten des Films so unerträglich gemacht haben, war die Tatsache, dass dieser Koistinen nichts tut. Er sieht, wie Mirja ihm den Schmuck und die Schlüssel unterschiebt, bestreitet auch vor der Polizei nichts, nein, er fügt sich seinem Schicksal.
Für mich als Zuschauer war es fast unerträglich, zuzusehen, wie dieser junge Mann, der zudem ja gar nicht mal so schlecht aussah, so völlig regungslos sein Leben über sich ergehen lässt. Dabei gibt es immer wieder Szenen, in denen man hofft, dass er nun endlich erwacht aus seiner Starre. Die Hoffnung auf eine neue Liebe zur Imbiss-Frau, die Entlassung aus dem Gefängnis, die Suche nach einer Arbeit, die sogar gelingt, doch dann immer wieder diese Rückschläge: das Zerreißen des Briefes, das erneute Treffen auf Mirja und ihren Komplizen, der ihn wieder arbeitslos macht. Und dann rennt er völlig kopflos mit einem Frühstücksmesser bewaffnet auf den Freund dieser Mirja zu und landet verprügelt auf einer Baustelle.
Und dann kommt sie, die wohl zweitgrößte Szene des Films: Koistinen am Ende, ermattet aber nicht ohne Stolz verspricht er, in genau diesem Moment nicht zu sterben. Der Zuschauer, erleichtert, nicht weil er den Rest an Stolz nicht verloren hat, sondern auch, weil der Film ein Ende gefunden hat. Und zwar eines, dass noch einmal Hoffnung gibt.
Die größte Szene des Films hingegen ist die, die Kaurismäki seinen Zuschauern nur unterschiebt. Es ist der kurze Moment, in dem wir Koistinen das einzige Mal lachen sehen. Es ist der Moment, in der er endlich dazu gehört, zu einer Gruppe. Tragischerweise spielt diese Szene auf dem Gefängnishof. Wir sehen ihn rauchen, mit der Sonne im Gesicht. Alle in ihrer Häftlingskleidung, alle gleich. Endlich.
Ehrlich gesagt: Ich fand diesen Kaurismäki-Film unbeschreiblich langweilig. Koistinen als lonesome Cowboy und trauriger Held der Vorstädte schien mir eine reine Persiflage auf Kaurismäkis sonst so finnisch-seelenschmerzigen Figuren zu sein. Nur gänzlich humorbefreit.
Uns fiel im Rausgehen ein, dass Kaurismäkii vor ein paar Jahren gesagt haben soll (gesagt hat?), dass er keine Filme mehr macht…
Am trotzdemsten finde ich ja bei ihm immer wieder, dass es in seinen Filmen so beharrlich Tangomusik gibt. Etwas, das mir bei diesen stummen, in der Schweinekälte lebenden Finnen so gar nicht fällt.
aus unserer sicht spiegelt der film die seelenverfassung des regisseurs. dem gehts nicht gut, er ist alkoholkrank und zutiefst depressiv. in diesem film geht es dementsprechend auch bergab. dabei ist der film zutiefst moralisch. eine parabel auf die hilflosigkeit des guten. schlüsselszene dafür ist der hund, den er befreien möchte und dafür herbe dresche kriegt. der hund – er selbst.
wünschen wir kaurismääki , dass er die kurve kriegt.
Der Pluralis Majestatis scheint wieder schwer im Kommen zu sein.. : )
@melissa hey, wald-und-wiesen-psychologie. immer wieder gerne gelesen in blogs.
für den wunsch würde er sich sicher herzlich bedanken!
hihi, wir waren tatsächlich zu zweit und haben das hinterher so diskutiert. ehrlich! genauso wie der wunsch, dass er sich rappelt. ich mag nämlich seine filme, am liebsten „Man without past“