Jungs-Content (I): Fussball
Zwei Wochen lang weilt Frau Franzi im wohl verdienten Urlaub, weshalb hier zwei Herren, Herr Fiene und ich, die Herr-Schaft übernehmen. Wir werden versuchen, dieses Muster des Mädchen-Blogs mit ein wenig Jungs-Content von gesteigerten chauvinistischem Grad anzureichern. Wenns Ihnen nicht gefällt, lesen Sie bitte solange die „Gala“ oder gehen Sie eine Handtasche kaufen.
„Dann such Dir doch einen anderen Verein.“
Doch, das hat sie so gesagt: „Dann such Dir doch einen anderen Verein.“
Diesen unglaublichen Satz sprach eine gute Bekannte zu ihrem langjährigen Partner, als dessen Betrübung über den Abstieg von Borussia Mönchengladbach einen neuen Tiefpunkt erreicht hatte.
„Dann such Dir doch einen anderen Verein.“
So was können nur Frauen sagen. Und er, der Gladbach-Fan, der trotz dieser Ignoranz nicht die Scheidung einreichte, sprach die einzig richtigen Worte:
„Schatz, das verstehst Du nicht, das ist was für’s Leben.“
Ich gebe zu, auch ich verstehe nicht, warum sich in Sachen Fußball derart die Menschheit teilt. Sicher, es gibt weibliche Fans. Die meisten aber jubeln mit einer Mannschaft, bevorzugt der National-, doch sie leiden nicht richtig mit, geht es abwärts, droht gar das Schlimmste: der Abstieg. Weibliche Harcore-Anhängerinnen sind selten.
Die Aussicht künftig nicht mehr gegen Bayern oder Schalke sondern gegen Wehen und Hoffenheim zu spielen, macht Männer zu Memmen, vergleichbar aus Frauensicht vielleicht mit dem Abbrechen des Absatzes beim ersten Tragen der sauer ersparten Manolos.
Doch warum tun wir uns das an? Vielleicht hat es doch was zu tun mit unseren friedlichen Zeiten. Der Mensch an sich aber misst sich gern und gerade Männer brauchen manchmal eben eine Art Kampf, eine Balgerei in der Hoffnung zu siegen, auf dass Adrenalin ströme. Früher sorgten echte Schlachten für den Hormon-Push. Heute eben nicht mehr, was selbstverständlich keineswegs zu bedauern ist. Aber was machten Frauen früher, bei den Schlachten? Daheim bleiben, Kinder hüten, Hütte fegen, gelegentlich höchstens mal marketendern.
Fußball ist eine Art Schlacht mit Anti-Waterloo-Versicherung. Denn gewinnt das eigene Team, gewinnen alle. Schließlich haben die Fans mitgeschrien und angefeuert. Nur wer noch nie ein enges Spiel bei lauter Atmosphäre erlebt hat, kann glauben, das sei sinnlos, das Singen und Rufen. Oft genug habe ich erlebt, wie sich die Körperhaltung der Spieler ändert, entledigt sich die Fankurve der ersten Depression nach dem Gegentreffer und peitscht sie das Team nach vorn.
Und im Fall einer Niederlage? Sind immer die anderen Schuld. Die Spieler, die sich nicht reinhängen. Der Trainer mit seiner viel zu defensiven Ausrichtung. Der Schiri – ach, der so wieso. Und der miese Platz. War auch nicht unser Wetter heute, zu nass für technisch guten Fußball. Auch der Vorstand ist gerne mal schuld, längst hätte er den Trainer feuern müssen. Nur die Fans – die können nie dafür.
Dafür leiden sie am meisten. Denn alle können sich problemlos einen anderen Verein suchen: Spieler, Trainer, Manager. Es ist ihr Beruf. Zurück bleiben nur die Fans. Und auch dies macht einen Teil der Liebe aus. Denn Liebe ohne Leiden – das geht nicht. Jeder Anhänger des Sports weiß, dass es ihn erwischen kann. Das erkennen schon Kinder früh, sie wollen auf der Gewinnerseite stehen und wählen oft zunächst einen erfolgreichen Club als ihren Liebling, bei mir war es der HSV. Es ist ein Hinauszögern der grauen Tagen und vielen Niederlagen, vor Torhütern namens Pralija und Trainern namens Pagelsdorf. Irgendwann aber, merkt Euch das, Ihr Bayern-Fans, erwischt es jeden.
Die wahre Liebe ereilt die meisten Fußballfans in einem bestimmten und nicht vorhersehbaren Moment. Es ist ein Spiel, das uns mitreißt, eine unerwartete Wendung, vielleicht auch einfach die tolle Stimmung. Es ist wie mit der Liebe: Irgendwann macht es „Klick“.
Bei mir war es im Alter von 16, als ich meinen Vater zu einem Spiel von Preußen Münster begleitete. Ich war zu dieser Zeit schon HSVer (und bin das auch bis heute) und ging nur mit, weil es sonst nichts zu tun gab. Nun muss erwähnt werden, dass mein Vater, eigentlich Schalker, bis Ende der 70er auch Preuße war. Dann aber verloren sie im entscheidenden Spiel um den Aufstieg an einem bitteren Sonntag Nachmittag daheim gegen Arminia Bielefeld – ausgerechnet Bielefeld! Mein Vater kam mit düsterer Miene heim und abends wurde nicht gegrillt – das ist eine meiner ersten Kindheitserinnerungen.
An jenem Nachmittag also spielte Preußen gegen den VFL Reken, jenen Dorfverein, in dem mein Vater einst gespielt hatte. Damals spielte in Münster ein höchst talentierter aber ständig verletzter Kicker namens Franz-Josef „Scotty“ Pieper. Reken ging in Führung, der Münsteraner Anhang forderte Scotty und der Trainer schickte selbigen zum Warmmachen. Er kam rein, machte den Ausgleich, am Ende gewann Münster 6:1 – und ich war Fan.
Bis heute. Es ist nur schwer verständlich zu machen, wieso ich den vergangen Sonntag in einem abgewrackten Stadion an der Grenze von Gelsenkirchen-Horst und Essen-Karnap verbracht habe, wo das Moos die Herrschaft über die viel zu weitläufigen Stehränge übernommen hat, die Tickets aus einem Lieferwagen heraus verkauft werden und die Eintrittspreise gelebte Diskriminierung sind.
Das kann wohl nur verstehen, wer 20 Jahre lang gelitten hat mit einem Verein auf dem steten Weg nach unten. Die Treue bleibt da nur erhalten, weil es immer jene Höhepunkte gibt. Die Momente, die für alles entschädigen. Wie vor einigen Jahren, am letzten Spieltag, Münster gegen Wattenscheid und wer verliert, der würde absteigen. 1:0 siegte Preußen, ich habe selten so laut geschrien wie beim entscheidenden Tor.
Vielleicht wäre es in dieser Saison vorbei gewesen mit der An- und Abhängigkeit. Das zweite Jahr in der vierten Liga mit Gladbeck und Schermbeck als Gegner. Und dann steht das plötzlich eine junge Mannschaft auf dem Feld, ohne Stars und Allüren, und spielt alles in Grund und Boden. Tabellenführer! Seid Ich-weiß-nicht-wann!
Und plötzlich werden selbst Bruchbuden wie jene am vergangenen Sonntag zum kuscheligen Wohnzimmer, zur Eckkneipe, wo sie alle einfallen, die man seit Jahren vom Sehen her kennt. Und die genauso bescheuert sind, wie man selbst. So ist das halt in der Liebe: Nach Gründen sollte man nicht fragen.
„Such Dir doch einen anderen Verein?“ Nein, das verstehst Du nicht, das ist was für’s Leben.
Sehr schön auch bei Dave Barry nachzulesen.
[…] Jungs-Content (I): Fußball “Denn alle können sich problemlos einen anderen Verein suchen: Spieler, Trainer, Manager.” Nur Fan ist man immer und ausschließlich von einem, von dem Verein. Bei mir ist es der FC. Leider. Gottseidank. Dummerweise. (tags: fussball fan) […]
Guter Jungs-Content, guter Jungs-Content. Sehen Sie, Frau Franzi, so macht man guten Jungs-Content.
Sehr netter Artikel…aber wo bleibt denn noch mehr Jungs-Content?
Ganz hervorragend sind die Zwänge des Fan-Seins auch in Nick Hornbys „Fever Pitch“ beschrieben. Viel (die meisten?) Mädchen werden zwar mit dem Kopf schüttel und das Verhalten männlicher Fans nicht verstehen können, aber vielleicht ringen sie sich wenigstens zu der Erkenntnis durch, dass Fan zu sein Teil des männlichen Schicksals ist.
Herr Knüwer, drücken Sie mir doch bitte die Daumen für das Spiel am Sonntag gegen Greuther Fürth, damit das Elend 2. Bundesliga ein Ende nehmen kann…