Film: Der Vorleser
Irgendwie passend: Da wühle ich gerade in der Vergangenheit, weil ich den heimischen Keller entrümpele und dabei nicht nur Computerzeitschriften aus den Jahren 1996, 1997 und 1998 finde, sondern auch Fotos und Bilder und Ordner, die nicht nur lustige, sondern auch traurige Erinnerungen zurückholen. Und auf welche Idee komme ich, um mich auf andere Gedanken zu bringen? Einen Film zu gucken, über eine Frau, die das Leben eines 15-jährigen Jungen verändert, ja, sagen wir ruhig geprägt hat.
Der 15-jährige Michael trifft Anfang der 50er Jahre Hanna, eine junge, hübsche Frau, die als Schaffnerin in der Straßenbahn arbeitet. Sie hilft ihm, als er krank im Eingang eines Hauses hockt und bringt ihn nach Hause. Drei Monate dauert seine Genesung und Hanna Schmitz geht ihm nicht aus den Kopf. Also fährt er zu ihr, bringt Blumen mit. Aus der Begegnung wird eine Affäre, einen Sommer lang. Die beiden treffen sich, lieben sich und Michael liest Hanna vor. Erst die Schullektüre, später Klassiker. Sie lachen gemeinsam, er hält sie, als sie bei Homers Odyssee in Tränen ausbricht. Und irgendwann ist Hanna verschwunden. Warum, erfährt er erst Jahre später. Im Studium. Für ein Seminar nimmt er an dem Kriegsverbrecherprozess teil, in dem Hanna Schmitz wegen ihrer Tätigkeit als Wärterin eines Außenlagers von Auschwitz angeklagt ist. Erst dann versteht Michael: Das Vorlesen, alles nur deswegen, weil Hanna nicht lesen und schreiben kann.
„Der Vorleser“, dieses Buch von Bernhard Schlink, Millionen haben es weltweit gelesen, funktioniert als Film. Das liegt schon ein bisschen an Ralph Fiennes, den ich eigentlich gar nicht mag. Aber als Michael Berg, der durch die Affäre mit dieser Frau so sehr geprägt wurde, macht er sich gut. Diese Verwirrtheit, diese Gefühlskälte, seine Unfähigkeit, eine Beziehung zu seiner Freundin, Tochter aufzubauen – all das konnte ich ihm jedes Mal ansehen. Schade fand ich, dass für „Der Vorleser“ zwar alle größeren, jungen Damen des deutschen Films (Hannah Herzsprung, Alexandra Maria Lara, Karoline Herfurth) verpflichtet worden sind, sie dort aber nur blass blieben durften. Am enttäuschendsten wirkte Hannah Herzsprung, die die liebevolle Tochter von Ralph Fiennes spielte. Da wurde viel verschenkt.
Irgendwie gut war sicherlich auch Kate Winslet, als junge Schaffnerin, als gealterte Angeklagte, als alte Frau, die nach mehr als 20 Jahren Haft kurz vor der Entlassung steht. Tolle Maske, leider nur haben sich die Synchronisierungsmeister nicht allzuviel Mühe gegeben, die Stimme der gealterten Kate anzupassen. Als Michael Berg Hanna Schmitz kurz vor Ende des Films in der Gefängniskantine besucht, sagt sie das „Jungchen“ mit einer Frische, die man ihr angesichts ihres Outfits nicht abnehmen kann.
Ich finde mich gerade selbst sehr blöde, dass ich mich hier in meiner Kritik an der Synchronisierung aufhänge, aber das war das, was mich wirklich gestört hat. Hannah Herzsprung wirkte nämlich auch deshalb so komisch, weil sie den Film auf englisch gedreht hat, und sich dann noch einmal selbst übersetzt hat. Und wann machen sich die Leute vom Film eigentlich die Arbeit, bestimmte Szenen so nachzudrehen, dass die DEUTSCHE Hanna Schmitz in der DEUTSCHEN Ausgabe von „Die Dame mit dem Hündchen“ liest? Das wirkte nämlich auch sehr quatschig.
hat mir gerade auch jemand erzählt, wie grottig die synchronisierung sei. du bist nicht die einzige.
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