Mein erstes Mal: Rafting
Eigentlich kenne ich Rafting bisher nur im Zusammenhang mit BWLer-Sprech. „Der Erfolg eines Unternehmens basiert im wesentlichen auf seinen Mitarbeitern.“ „Ein Team performt nur gut, wenn man die Fähigkeiten jedes einzelnen Teammitgliedes perfekt aufeinander abstimmt und abruft.“ Blablabla. Was aber helfen soll, um den Zusammenhalt im Team zu fördern, ist Mannschaftssport. Mittlerweile gehen viele auch in die Wildnis und üben sich im Surviven. So ähnlich habe ich mich auch gefühlt nach der ersten Stromschnelle, die einige von uns beinahe aus dem Boot katapultiert hätte.
Der Merced River schlängelt sich vom Yosemite Park entlang der Straße (ok, eigentlich andersrum) nach Mariposa. Das Wasser stammt aus dem Park, Tauwasser, Regenwasser – das je nach Jahreszeit für einen hohen oder eben niedrigen Wasserstand sorgt. Wenn der Sommer sehr trocken ist, versiegen im Yosemite Park die Wasserfälle und dementsprechend schwierig gestaltet sich dann das Rafting auf dem Merced River. Da das Wetter in Kalifornien in diesem Jahr eine ähnlich schlechte Performance wie das deutsche Wetter (some call it the „Kachelmann-Effekt“) hingelegt hat, ist der Fluss gut gefüllt. Beim Umziehen freue ich mich, dass der Regen wenigstens jetzt mal eine Pause macht, so dass ich nicht schon nass werde, bevor ich auf dem Wasser bin.
Als Alitia die Sicherheitsregeln erklärt, bekomme ich Muffensausen. Offenbar geht sie davon aus, dass wir alle schon einmal über das weiße Wasser geheizt sind. Soll ich mich melden und sagen, dass meine einzige Erfahrung, die irgendwie in diese Richtung geht, die Kanutrips sind, die ich zwischen meinem 13. und 15. Lebensjahr unternommen habe? Ich entscheide mich dagegen, checke aber bei den Kollegen ab, wie wahrscheinlich es ist, dass einer von uns über Bord geht, gerettet werden muss oder das Boot sich komplett überschlägt. Die Erfahrungen sind gemischt, nur haben sie alle eines gemeinsam: Geraftet wurde meistens bei Sonnenschein, so dass man sich sogar freiwillig in das eiskalte Wasser begeben hat.
Es sind höchstens 13 Grad, als ich das Boot betrete. Wir üben die Aktionen: vorwärts, rückwärts, Rechts- und Linkskurve, alle nach links, alle nach rechts und von vorn. In diesem Moment sind meine Füße bereits zu Eisklumpen geworden – die so genannten Wasserschuhe halten, was sie versprechen.
Dann geht es los. Alitia zeigt uns gleich bei der ersten Stromschnelle, wie wichtig der Teamgedanke (Sic!) ist. Wenn sie vorwärts sagt, dann müssen wir vorwärts paddeln, auch wenn wir vor Ehrfurcht vor der großen Welle erstarren wollen. Na gut. Die einzelnen Schnellen tragen alle Namen, von denen ich die meisten schon wieder vergessen habe. Einer war auf jeden Fall „Balls to the Wall“ und einen anderen haben wir umbenannt, weil es auf dem Weg dahin so gerauscht hat wie eine weit entfernte Autobahn (guess the new name).
Nach einer halben Stunde haben wir es raus: Wir rudern vorwärts, in Kurven, rückwärts – und bleiben trotzdem irgendwann an einem Stein hängen, so dass wir sogar den „Alle-nach-links-rüber“-Move performen dürfen. So richtig bewusst wird mir der Ernst der Lage erst, als ich ins Gesicht von Alitia schaue: ausgeprägte Sorgenfalte auf der Stirn in Kombination mit Stieraugen. Die Arme.
Nachdem sie uns gerettet hat, vergesse ich so langsam die Kälte („Füße? Sicher, dass ich auch sowas habe?“) und beobachte mit Interesse, wie ich von Stromschnelle zu Stromschnelle nasser werde. Wasser läuft mir über den Kopf und kitzelt, doof nur, dass da der Helm ist. Irgendwann spüre ich, dass das Flusswasser auch meine Unterwäsche erreicht hat. Herrjeh. Die Landschaft ist atemberaubend. Berge säumen den Weg, Hänge mit Feldblumen, Feigenbäume am Wasserrand. Für die vorbeifahrenden Touristen sind wir eine große Attraktion. Wir werden kräftig angehupt, bewunken, begafft.
Und am Ende des Trips passiert es dann doch: Wir nähern uns rückwärts dem Ufer, um aus den Booten auszusteigen und bleiben an einem Stein hängen. Wer errät, welche Person aus dem Boot die Chance ergreift, über Bord zu gehen? I don’t wanna talk about it.