Spiegel Daily: Worauf es jetzt wirklich ankommt

Dieser Text stammt aus meinem Newsletter, den ich vergangene Woche verschickt habe. Die neue Ausgabe erscheint am Donnerstag. Hier kannst du dich anmelden.

Sicherlich hast du schon einmal davon gehört, dass es in Deutschland mit seinen 80 Millionen Einwohnern rund 80 Millionen Fußball-Bundestrainer gibt. Denn nach einem Spiel der Nationalmannschaft hat so ungefähr jeder eine Meinung darüber, welchen taktischen Fehler Jogi Löw begangen hat, so dass das 0:1 möglich war, wen er in der zweiten Halbzeit unbedingt hätte bringen müssen und das es ja von vornherein falsch ist, seit Jahren auf Özil zu setzen.

Und dieses Phänomen gibt es eben nicht nur im Fußball. Wenn es um die Medienwelt geht und ein größerer Verlag ein neues Produkt auf den Markt bringt, dann mutieren fast alle, die schon einmal etwas mit Medien zu tun hatten, zu Medienkritikern. Medienjournalisten, klar, Blogger, Journalisten grundsätzlich, Berater sowieso, Twitter-People. Besonders groß ist die Resonanz, wenn ein Organ wie der „Der Spiegel“ nach Jahren der personellen Querelen mit Soap-Opera-Status sich auf seine eigentlichen Kompetenzen konzentriert und einfach mal wieder ein neues Produkt auf den Markt bringt.

Auch ich, die nun schon seit langem im digitalen Medienproduktentwickelbusiness unterwegs ist, könnte nun in den Meckermodus verfallen und all die Punkte aufzählen, die an „Spiegel Daily“ (so heißt das am Dienstag gelaunchte Produkt, das nun werktäglich (Hä?) immer um 17 Uhr (Hä?) mit einer neuen Ausgabe (Hä?) erscheint) so problematisch sind und davon gibt es wirklich einige. Aber das Meckern haben aber andere bereits erledigt (Medienjournalisten, Blogger, Journalisten, Berater, Twitter-People).

Und klar, Kritik gibt es immer und die muss man aushalten und ernst nehmen (oder ignorieren). Punkt. Manchmal wünschte ich mir allerdings auch, dass eben diese Kritiker selbst viel häufiger mit geilen Produktideen und eben diesem „einfach mal machen“ auffallen würden anstatt immer nur rumzuhacken. Denn erfolgreiche Produkte, vor allem digitale Produkte entstehen nicht über Nacht. Sie entwickeln sich, wachsen, verlieren Features und bekommen neue hinzu.

Wenn Verlage eines beweisen müssen, dann ob sie genau diesen Prozess leben können. Ob sie nach dem Big Bang, der ein Produktlaunch im Digitalen immer noch ist, auch in der Lage sind, Zahlen richtig zu deuten, Nutzungspfade zu optimieren, Features ständig zu verändern. Denn um ein Produkt erfolgreich zu machen, bedarf es nicht nur guter Inhalte sondern auch stetige(m), professionelle(m) Produktmanagement und -entwicklung. Facebook sah 2004 schließlich auch einmal ganz anders aus.

#rp17: hugtrump, Balkendiagramme und was das Internet von Köln lernen kann

Freisinn„: Gunter Dueck ist eine feste Größe auf der re:publica, diesmal redete er wieder einmal über die Digitalisierung, absurde Zustände in Unternehmen in Bezug auf diese und brachte wohl den einen oder anderen angestellt Arbeitenden ins Grübeln. Und ja: Seit diesem Vortrag denke ich über den Begriff der „Digitalen Transformation“ dann auch nochmal anders nach. Gehört dazu.

„Data Vis or: Why you don’t believe in facts, and how to fix it“: Lisa Charlotte Rost sprach über Datenvisualisierung und hat mich über Sinn und Unsinn von Balkendiagrammen nachdenken lassen. 

Coca Cola statt RTL, Edeka statt ProSieben: Marken produzieren Shows und Formate im Social Web“: Das Contentmarketing-Panel mit prominenter Besetzung. Zunächst hielt Nina Rieke eine Keynote und huldigte Jan Böhmermanns Aktivitäten rund um das Neo Magazin Royale als perfektes Beispiel für den Umgang mit Marken im  Digitalen. Dann gab’s eine Protesteinlage gegen die Bundeswehr und dann wurde noch geplaudert, was Marken tun müssen, etc. Ok, aber leider nicht sehr in die Tiefe gehend.

„Jemand vor Ort? Lokaljournalismus zwischen Innovation, gesellschaftlicher Bedeutung und staatlicher Förderung“: Warum ich mich ausgerechnet in diese Veranstaltung setzte? Weil ich seit Jahren nicht mehr zu Veranstaltung zum Thema Lokaljournalismus gehe, immer die gleichen Argumente, keine echten Ideen, ihn neu zu erfinden, keine Aussicht auf nachhaltiger Geschäfsmodelle. Hat sich auch in 2017 nicht geändert. Am enttäuschendsten: Bascha Mika, die nur über die Fehler der Vergangenheit klagte und der fehlende Wille, sich ernsthaft mit dem auseinander zu setzen, was der Kunde, der Leser will. 

„Save the world – tell a story: Wie wir die Deutungshoheit im Internet zurückgewinnen und die Welt retten können“: Journelles toller Talk, der mich auf die These brachte: können wir im Umgang miteinander nicht einfach mal von Köln lernen?

„Das Digitale Quartett“: Gute Mischung war das diesmal wieder mit Medienpolitik, Netz-Aktivismus mit der Besorgten Bürgerin, Ulrike von der Seriensprechstunde, der Lindenstraße und Mudditalk. Könnt ihr euch gerne selbst eine Meinung bilden!

Was andere gut fanden:

– Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles hat das insbesondere auf der Re:publica immer wieder gerne gehypte bedingungslose Grundeinkommen in ihrem Panel ziemlich auseinandergenommen. 

Die Emanzipation der Gutmenschen: Kübra war im vergangenen Jahr die Überraschung und dem Applaus nach urteilen, hat sie diesmal Stage 1 gerockt!

Was noch? Hinweise bitte in den Kommentaren. 

Erkenntnis Nummer 1: Es ist nicht einfach, Sascha Lobo zu sein.

Erkenntnis Nummer 2: Gbräu schmeckt.  

Erkenntnis Nummer 3: nur mit coolen Frauen gemeinsam ins Bällebad gehen. 

Erkenntnis Nummer 4: Erinnern ist wichtig.

#rp17: Emcke, Storytelling und ein bisschen Putin

Ich habe nicht allzu viele Talks besucht, was daran lag, dass ich mich ab und zu verquatscht habe oder ich aus bestimmten Talks früher gehen musste, weil sie mich sehr gelangweilt haben.

„Reflexion: Love out loud“ Angeschaut und für gut befunden, auch wenn mir die Selbstverliebtheit von Carolin Emcke streckenweise ein bisschen auf die Nerven ging. Aber kluge Worte, guter Appell, bitte unbedingt anschauen, wenn er im Youtube-Channel auftaucht.

„Step into Star Wars – the future of immersive Storytelling“ Fehlgriff Nr. 1 meinerseits. Langweilig, nichtssagend. John Gueta ist Executive Creative Director im ILMxLAB bei Lucasfilm und macht ganz viel mit immersive storytelling. The Future is not virtual reality but mixed reality. Alle Buzzwords untergebracht, aber wie gesagt, leider nix gelernt.

„New Media, new stories, new audiences: Storytelling in the age of smart phones and digital distribution“: Hier musste ich leider nach 19 Minuten den Raum verlassen. Aber immerhin lieferte ich durch diese 19 Minuten Content für Turi2.

„Hacking Democracy: Power and propaganda in the digital age“: Ein großartiger Gary Kasparov. Am Ende drohte die Session nach einer Diversity-Frage aus dem Publikum an Kasparov zu kippen, aber Geraldine de Bastion rettete gekonnt. Kasparovs Gesicht dazu: unbezahlbar. Ich hoffe sehr, dass man diesen Moment im Stream eingefangen hat.

„Wie wir lieben“: Friedemann Karig unterhaltsam aber auch verklemmt über die Liebe.

„Vom Reden im Netz“: Sascha Lobo konstruktiver als sonst, angeblich auch ernster, obwohl ich das gar nicht so empfand, aber wie immer rhetorisch brillant.

Was ich laut den anderen verpasst habe:
„Digitale Tauchgänge in der Tiefsee“ von Antje Boetius
Elisabeth Wehling übers Framing

(Bitte in den Kommentaren ergänzen.)

Erkenntnis Nummer 1: Überlege genau, ob du zu Putin in englischer Sprache twitterst.

Erkenntnis Nummer 2: Es gibt sie noch, diese Hach-Momente. „Wegen dir habe ich mit dem Bloggen angefangen“, sagt Sarah Schäfer beim Widi-Meetup am Microsoft-Stand zu mir. <3

Erkenntnis Nummer 3:

Sehen wir uns morgen? Spätestens um 20 Uhr auf Stage 2 zum Digitalen Quartett. Ja?

Ivanka Trump, Grlpwr oder verdammte Schei*e

Dieser Text stammt aus meinem Newsletter, den ich wöchentlich verschicke. Hier kannst du dich anmelden.

Ich habe mich nie als Feministin bezeichnet. Das lag zum einen daran, dass ich mich mit großen Teilen der Bewegung nicht so recht identifizieren konnte. Alice Schwarzer und die „Emma“? Nicht meine Generation. Auch mit den so genannten Netzfeministinnen habe ich nicht all zu gute Erfahrungen gemacht, zu aufgeregt der Tonfall, zu sehr auf sich selbst bezogen, manchmal gar zu hysterisch.

Versteht mich nicht falsch: Ich finde, dass jeder Mensch die gleichen Chancen haben sollte, seine Ideen und Ziele zu verwirklichen – gemessen an seinen Fähigkeiten und nicht gemessen an Geschlecht, Herkunft oder sonstigen diskriminierenden Fähigkeiten. Deshalb zögerte ich auch keine Minute, die Patenschaft für das Ada-Lovelace-Festival bei der WirtschaftsWoche zu übernehmen, ein Festival, das insbesondere Frauen in der Tech- und IT-Industrie feiert und vernetzt, aber auch für ein anderes Wort einsteht: Diversität. Und die geht über die reine Frauenfrage hinaus.

Womit wir wieder beim Problem wären: Das Wort Feminismus ist mir immer zu sehr auf die reine Frauenfrage bezogen gewesen. Es geht nicht nur um Frauen, es geht auch um körperlich Benachteiligte, um Menschen mit anderer Herkunft, und und und.

Was aber, wenn es offenbar nicht einmal mit den Frauen klappt? Wenn ich mir Geschichten anhören muss, in denen Frauen in Meetings immer erst dann ihre Punkte anbringen können, wenn alle männlichen Teammitglieder ihre Punkte angebracht haben und eigentlich keine Zeit mehr für Diskussionen verbleibt? Geschichten, in denen neue Mitarbeiterinnen in der Männerrunde mit derart sexistischen Sprüchen angekündigt werden, dass ich hier nicht weiter ins Detail gehen möchte? Geschichten, in denen Mütter immer noch dafür kämpfen müssen, nach einer kurzen Elternzeit in ihre Positionen zurückzukehren? Geschichten, in denen Frauen bei der Übernahme neuer Aufgaben ganz selbstverständlich nach dem damit verbundenen Titel fragen und dies dann als wirklich dreiste Forderung abgetan wird anstatt von Zielstrebigkeit auszugehen? Ganz zu schweigen von all den öffentlichen Geschichten, die jede Woche über Netzwerke, Medien oder sonstige Kanäle geteilt werden.

Und genau deshalb ist eben jeder Zeitpunkt der richtige, sich für die Gleichbehandlung von Männern, Frauen, Menschen mit unterschiedlichster Herkunft, Beeinträchtigungen einzusetzen. Weil wir eben nicht mal die Nummer mit den Frauen richtig hinbekommen. Und stattdessen lieber darüber debattieren, ob Ivanka Trump auch eine Feministin sein darf (Wenn es hilft!), ob Wirtschafts- und Politikfrauen per Handzeichen über Bundeskanzlerin Angela Merkel Feminismusstatus abstimmen sollten (WENN’S HILFT!) oder ob der Feminismus nun zur Popkultur gehört, weil die „Grlpwr“-Shirts von H&M ausverkauft sind (siehe oben.). (Natürlich ist an dem Begriff „Grlpwr“ so viel falsch wie an pinkfarbenen Überraschungseiern oder Einhorn-, Ladies- und Kerle-Bratwurst, aber wenn dieser Slogan oder meinetwegen auch die Shirts einen noch so kleinen Beitrag leisten können, dass wir gemeinsam für die gegen Diskriminierung kämpfen, dann tragt von mir aus auch diese Shirts. (Die hier sind aber besser.)

Um es mit Giulia Becker zu sagen: „Ladies seid ihr bereit, denn es ist an der Zeit, diese Ungerechtigkeit der ganzen Welt zu zeigen und wenn ihr mit mir seid, dann schwingt jetzt eure Scheiden“. Und klar: Wenn es hilft, könnt ihr auch gerne eure Penisse schwingen.