Manfred

Dieser Text war Teil meines Newsletters, den ich wöchentlich verschicke. Für den Newsletter kannst du dich hier anmelden.

Seit Wochen versuche ich mich thematisch mal weg von der Medienbranche zu bewegen, aber dann passiert wieder was und zack, lande ich doch wieder einem Medienthema. Müsst ihr jetzt durch.

Was passiert ist? Nun: Das mit der Regierungsbildung will nicht so recht klappen und nicht nur das politische Berlin, sondern auch das journalistische Deutschland dreht auf. Die Lage ist unklar, die Ereignisse noch nicht so recht vorhersehbar, neue Machtkonstellationen könnten entstehen und da will man als Journalist natürlich ganz vorne mit dabei sein. Alles verständlich und das macht ja auch Spaß.

Was ich allerdings so gar nicht verstehe, ist der Impuls von Verlagen, den Erscheinungstag von wöchentlichen Printpublikationen nach vorne zu ziehen. Beispiel Stern: Erschien schon gestern, obwohl normalerweise Donnerstag. Beispiel Spiegel: Erschien schon heute und normalerweise Samstag. Also wirklich: Warum?

Ich stelle mir das so vor: Samstagmorgen in Deutschland. Manfred freut sich schon beim Frühstück, dass heute wieder der Spiegel kommt. Genüsslich beißt er in sein Brötchen. Was die wohl diesmal wieder ausgegraben haben, freut er sich. Nach dem Mittag macht er sich einen Kaffee, legt sich aufs Sofa und fängt an zu blättern. Herrlich.

Wenn nun der Spiegel schon am Donnerstag erscheint, dann läuft das so: Manfred sitzt beim Frühstück, gelangweilt kaut er auf seinem Brötchen herum. Heute gibt es keinen Spiegel. Der kam ja schon Donnerstag. Gelesen hat er ihn noch nicht, dafür war in der Woche keine Zeit. Aber beim Blick auf den Titel hat er gar keine Lust mehr zu lesen. Stunde Null. So ein Quatsch. Ist doch seit Donnerstag schon ne Menge passiert. Seehofer, die SPD – da hätte er gerne mehr zu erfahren. Stattdessen arbeitet sich der Spiegel an Lindner ab, ein Thema, das schon am Mittwoch durch war.

Merkst du, oder? Vergrätzt man nicht mit solchen Aktionen nicht gerade die Stammleser, die ihre Routine mit ihrem Printmagazin schätzen?

Und lohnt sich das wirklich, ein Magazin vorzuziehen, wenn man eigentlich digitale Kanäle hat, um aktuell zu informieren? Wenn man dem vorher erschienenen Heft dann zwei Tage weniger am Kiosk gönnt? Wenn man einem sich nach zwei Tagen längst überholten Heft noch zwei Tage länger am Kiosk gibt?

Wie gesagt, ich versteh das nicht. Aber ich hab mir Manfred ja auch nur ausgedacht.

Zeitschriften im Test: Das Brot-Magazin

Dieser Text war Teil meines Newsletters, den ich wöchentlich verschicke. Für den Newsletter kannst du dich hier anmelden.

„Vor knapp zwei Jahren wies mein Freund Stevan Paul in seinem Blog auf einen Video-Backkurs für Brot von Lutz Geißler hin. Der Name sagte mir nichts. Brot hatte ich früher mal mit Backmischung, Automat und mäßigem Erfolg gebacken. Aber es klang interessant.“ Dies ist der erste Absatz von Sebastian Marquardts Kolumne „Auf ein Wort“ im gerade neu erschienenen „Brot-Magazin“. In dieser Zeitschrift geht es – du wirst es nicht glauben – um gutes Brot, den Backprozess und alles, was damit zu tun hat.

Sebastian ist der Chefredakteur des Brot-Magazins und gleichzeitig Geschäftsführer des Verlages Wellhausen&Marquardt. Ich kenne ihn schon länger, aus frühen Internetjahren und dem, was daraus entstanden ist. Vermutlich wäre ich gar nicht auf dieses Magazin aufmerksam geworden, das irgendwann in seinen Social-Media-Kanälen aufgetaucht ist.

Das „Brot-Magazin“ ist auf den ersten Blick ein klassische Special-Interest-Zeitschrift. Es finden sich dort viele Rezepte, schöne Geschichten von Hobbybäckern, Anleitungen, wie du dir selbst Lievito Madre herstellst, Tipps zur richtigen Pflege des eigenen Sauerteiges, mehr als 20 Brot-Rezepte und leckere Ideen für Brotbelage, die Stevan Paul beigesteuert hat. Küchen- bzw. Knetmaschinen werden getestet, der Entstehung des Franzbrötchens wird nachgegangen und es gibt Wissenswertes zu Glutenunverträglichkeiten und passende Rezepte dazu.

Jetzt wunderst du dich bestimmt, warum ich dieses Magazin hier bespreche, wo es doch meist um recht digitale Themen geht. Das hat ein paar Gründe.

Erstens: Ich habe zwar nur eine Ausgabe gelesen (mehr gibt es bisher auch nicht), aber das Magazin ist wirklich gut. Die Leidenschaft für das Brotbacken, die ich in den vergangenen Monaten nur in Sebastians Instagram-Feed gesehen habe, spüre ich beim Blättern und in den vielen Berichten. So hat er Satoko Shinke kennengelernt, eine japanische Puppenkünstlerin, die das Brotbacken für sich entdeckt hat, obwohl es in Japan keine Tradition hat. Sein eigenes Rezept für ein Sauerteig-Mischbrot – Sebastian hat eine Zeitschrift geschaffen, die Experten anspricht und Neulinge super in die Kunst des Brotbackens einführt. Ich selbst backe seit ungefähr zwei Jahren immer mal wieder Brot, meist mit Sauerteig aus der österreichischen Joseph-Bäckerei, wenn er mir nicht mal wieder (so wie jetzt gerade) umgekippt ist. Ich bin kein Profi, mich verwirren Begriffe wie Anstellgut immer noch, aber auch ich finde hier spannende Themen.

Zweitens: Das Gesamtkonzept des Brot-Magazins ist so schön stimmig. Neben Papierzeitschrift für den Kiosk gibt es Webseite und App für den digitalen Genuss. Ein paar Seiten kann ich mir online anschauen, um einen Eindruck zu gewinnen. Facebook und Instagram gehören ganz selbstverständlich auch zum Konzept. Wer sich dort übrigens mit dem Brot-Magazin verbunden hat, kann schon jetzt live dabei zuschauen, wie die nächste Ausgabe entsteht. Brote werden gebacken, Fotos vom Shooting geteilt – das ist alles sehr schön, zum Ausprobieren und macht Lust auf mehr.

Drittens: Bereits einige Wochen nach Kioskstart gibt es eine kleine aber feine Facebook-Gruppe, in der sich Leser austauschen können. Sie teilen Fotos der Brote, die auf Basis der Zeitschriftenrezepte gebacken worden sind. Sie wünschen sich Themen, die in den nächsten Ausgaben behandelt werden sollen. Sebastian reagiert auf fast alles und wenn ich das richtig beobachtet habe, müsste er allein auf Basis der vielen Fragen und Hinweise genügend Themen für die kommenden Ausgaben beisammen haben. Von Beginn an setzen die Macher auf die Community, binden diese ein, auch indem der oben genannte Lutz Geißler viele Rezepte beisteuert. Ich freue mich schon jetzt darauf, in den kommenden Monaten dabei zusehen zu zu können, wie es weiter geht und wie es dem kleinen Team gelingen wird, die Community einzubinden.

Das „Brot-Magazin“ ein gelungenes Beispiel dafür, wie man im Jahr 2017 Zeitschriften auf den Markt bringt – in Sachen Leidenschaft, Einbindung der On- und Offline-Community und hochwertiger Aufbereitung.

Gebacken habe ich am Wochenende auch. Für Faule gibt es in der Zeitschrift auch ein Speedbaking-Rezept (ohne Sauerteig als Triebmittel), für das ich gerade einmal drei Stunden benötigt habe. Nach dem Abendbrot mit der Familie habe ich übrigens direkt noch eins ansetzen müssen. Und jetzt züchte ich mir gerade Lievito Madre. Mal sehen, wie mir das gelingt.

Interview mit Sebastian Marquardt bei nutriculinary.com
Anja Hartmann über „The meaning and magic of making bread“

Die spannendsten deutschen Finanzblogs

Dieser Text war Teil meines Newsletters, den ich wöchentlich verschicke. Für den Newsletter kannst du dich hier anmelden.

Am Freitag werden die Finanzblog-Awards der comdirect verliehen, die ich in diesem Jahr zum zweiten Mal und diesmal in der Funktion als Juryvorsitzende unterstützt habe. Das habe ich sehr gerne getan, beobachte ich die Szene doch schon seit einigen Jahren. (In meiner damaligen Rolle als Chefredakteurin von WirtschaftsWoche Online gewann ich so den ein oder anderen Gastautoren und auch in unserem Lunchtalk waren viele gern gesehene Gesprächspartner. Das waren noch Zeiten!)

Seitdem hat sich viel getan. Und wer es in diesem Jahr auf die Shortlist geschafft hat, erkennt alte Bekannte aber eben auch viele neue Gesichter, die einen anderen Ansatz verfolgen. Wer am Freitag ausgezeichnet wird, das werde ich hier natürlich nicht verraten. Ich möchte dir aber fünf Projekte ans Herz legen, die herausragen (und auch nicht alle nominiert waren). Wagen wir also einen kleinen Ausflug in meine persönlichen Highlights der Finanzblogszene im Jahr 2017.

Madame Moneypenny. Im vergangenen Jahr entdeckt – seitdem bin ich großer Fan. Nein, nicht unbedingt des Blogs, sondern der Facebook-Community, die sich um dieses Blog geschart hat. Wenn du ein Mann bist, dann muss ich leider sagen: Sorry. Du musst mir leider einfach glauben, denn hier haben wirklich nur Frauen Zutritt. Mittlerweile hat Natascha Wegelin mehr als 4100 Frauen in dieser Gruppe versammelt und ich bin jedes Mal wieder überrascht, wie gut das Klima dort ist. Wie ernsthaft und engagiert auf beinahe jede Frage reagiert wird. Weiter so. (Und welcher Finanzjournalist ist eigentlich ähnlich nah an seiner Zielgruppe?)

Finanz-Szene.de. Nicht nominiert, aber im Sommer sehr ambitioniert gestartet ist der (Blog-)Newsletter von Heinz-Roger Dohms. Hier merkt man, dass ein klassischer Finanzjournalist gerade das Internet für sich entdeckt, was großartig ist. Ebenso großartig ist der Stil, mit dem er die täglichen Texte verfasst, mit Spitzen garniert, manchmal sehr insiderisch, oft aber mit Humor. Kann ich jedem Finanzinteressierten wirklich ans Herz legen.

Kleingeldhelden. Noch so ein Newsletter, dieser ist auch bei den Finanzblogawards nominiert und wir haben auch diskutiert, ob die nicht eigentlich aus formellen Gründen nicht dabei sein dürften. Was ich an dem Konzept so gut finde? Normalerweise werden Finanzblogs von nicht ganz jungen Herren geschrieben und viele sind so geschrieben, dass du dich wirklich für das Thema interessieren musst… Hier versuchen drei Nachwuchsjournalisten Wirtschaft- und Finanzthemen für ihre Altersgruppe zu machen – es geht um Minijobs, Streamingdienste und klar, auch klassische Anlagethemen. Bin gespannt, wie es bei Marian, Johanna und Sabina weitergeht.

Aktien mit Kopf. Dieses Blog gehört sicherlich zu den erfolgreichsten deutschsprachigen Finanzblogs und es ist wirklich beachtlich, was Kolja Barghoorn da auf die Beine gestellt hat. Ich meine: Ein Finanzchannel bei Youtube mit mehr als 85.000 Abonnnenten? Wer bietet mehr?

Fintechnews.ch. Eines der bekanntesten Blogs sind die Fintechnews aus der Schweiz, die mit englisch- und deutschsprachigen News die Fintechbranche covern. Warten gerne mit fancy Rankings auf und sind alles in allem sehr lesenswert.

Und nun warte mal ab, wer am Freitag gewinnen wird. Bei Twitter könnt ihr es unter #fba17 erfahren und ansonsten auf der Finanzblogaward-Seite.

Die Zukunft des Journalismus? Nicht reden, sondern machen.

Dieser Text war Teil meines Newsletters, den ich wöchentlich verschicke. Für den Newsletter kannst du dich hier anmelden.

Es sind schon seltsame Zeiten. Auf den Medientagen in München wurde auf nahezu jedem Panel über die Zukunft des Journalismus gesprochen und auch ich durfte etwas dazu beitragen. Ich war Teil des „Thesenbattles“ am Mittwoch, mit dem nicht unambitionierten Titel „Die ultimativen Antworten auf alle Fragen zur Zukunft des Journalismus“. Um es vorweg zu nehmen: Die konnten wir nicht liefern, allerdings konnte jeder von uns sagen, wo er die Schwerpunkte legen würde.

Ich habe meinen Schwerpunkt darauf gelegt, Kommunikationsprozesse zu optimieren – aber um es ein bisschen plakativer zu machen, habe ich das ganze in fünf denglische Schlagwörter gefasst: listen, communicate, lead, (show) courage und diversity.
Listen: Wenn du dein Gegenüber ernst nimmst, dann hörst du zu. Hörst auf Themen, wie Themen diskutiert werden, analysierst deine Daten und leitest Handlungsmuster ab. Tun die meisten (immer noch) viel zu selten.
Communicate: Redet. Miteinander, mit anderen Abteilungen im Haus, bildet diverse (siehe unten) Teams, redet mit den Menschen da draußen und nicht nur mit der hippen Starbucks-Crowd, sondern mit allen Schichten der Gesellschaft. Das ist eure Zielgruppe. Stellt euch den Diskussionen, auch wenn es schwer fällt. Vor allem in diesem Punkt kann jeder einzelne Journalist von Bloggern und (so genannten) Influencern lernen.
Lead: Eine Vision muss ins Team getragen werden – so transparent wie möglich. Denn nur wenn alle an einem Strang ziehen und in eine Richtung laufen, kann das alles funktionieren.
(Show) courage: Wandel tut weh und bedeutet auch, dass Opfer gebracht werden müssen. Aber das Schlimmste wäre doch, sehenden Auges gen Abgrund zu laufen, anstatt den notwendigen Richtungswechsel einzuleiten. Damit meine ich nicht, einfach umzudrehen, sondern vielleicht lieber eine Kurve einzukalkulieren oder den Fallschirm mitzunehmen.
Diversity: Nein, dabei geht es mir nicht einfach nur um den Frauenanteil in Redaktionen. Es muss nicht immer der stringente Lebenslauf sein, gute Journalisten sind Handwerker und dafür ist nicht unbedingt ein Hochschulabschluss notwendig – am besten noch mit Auszeichnung. So wundert es nicht, dass sich derzeit so viele Menschen von den etablierten Medien abwenden und auf der Suche nach neuen Informationsquellen sind – Journalisten, die ihre Sprache sprechen, die ihre Themen aufgreifen.

‚Wir sind mal rausgegangen und aufs Land gefahren‘, war einer dieser Sätze, die ich auf den Medientagen mehrfach gehört habe – die Reportage aus der Provinz wird im Jahr 2017 als das große Ding gefeiert. Wenigstens haben sie einfach mal gemacht. Wie schrieb Mary Hamilton vor einigen Tagen so schön: „It doesn’t matter what you say you want, it’s what you do to make it happen that makes a difference in the world.“