Der Pudel Ottokar

Bis zum letzten Sommer sah ich die beiden beinahe täglich: Entweder wenn ich den Sohn morgens zur Kita brachte oder ihn hin und wieder auch abholte, traf ich die beiden: Den älteren Herrn mit seinem Pudel. Nein, es war kein wirklich schwarzhaariger Pudel, eher grau, dunkelgrau, aber weil in der wunderbaren Geschichte „Der blaue Autobus“ von James Krüss ein schwarzer Pudel herumbellt und alle Mann auf Trab hält, hieß der Pudel von nun an Ottokar. „Schau mal, da ist der Pudel Ottokar“, sagte der Sohn damals immer, wenn wir ihn sahen. Und jedes Mal dachte ich in diesem Moment an das schöne Bilderbuch mit den tollen Reimen.

Dann kam der Sohn in die Schule und ich sah Herrchen und Hund nicht mehr. Wie so vieles anderes. Den Spielplatz mit all seinen Bewohnern, den Eltern und Kindern drum herum, die wunderbar nette ältere Dame, die morgens und abends mit ihrem Dackel ebenfalls ihre Runden dreht. Der Baumstumpf, in dem die Kinder ihre Stöcker versteckten, um sie am nächsten Morgen wieder mitzunehmen. Dafür kamen neue Routinen dazu. Die immer gleiche Mutter, die ihr Kind bei der Schule abgibt und danach den jüngeren Nachwuchs in die Kita bringt, die Bauarbeiter, die seit Wochen an der Baustelle arbeiten, das dazugehörige Dixie-Klo.

Am Samstag auf dem Rückweg von einem Kindergeburtstag ganz in der Nähe der alten Kita sah ich den alten Mann dann schon von weiten. Er war noch ein bisschen grauer geworden, lief noch langsamer und war gerade auf dem Rückweg von seiner täglichen Kaffee-und-Kuchen-Tour. Der Pudel allerdings fehlte. Wie immer grüßte ich ihn, konnte mich aber nicht zurückhalten und fragte, wo denn sein Pudel sei. Gestorben sei er, 15 Jahre sei er alt geworden, am Ende ging es nicht mehr. Er sei immer noch sehr traurig: „Er war wie ein Sohn für mich.“ „Mein Beileid“, konnte ich gerade noch sagen und dass ich ihm alles Gute wünschte. Dann ging er schon weiter. Ich hätte ihm gerne die Geschichte von Ottokar erzählt.

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