Gendern nervt viele. Obwohl es gute Argumente dafür gibt

Gendern. Hochemotionales Thema, aus den unterschiedlichsten Gründen. Ich kenne mindestens zwei Leserinnen dieses Blogs, deren Herzschlag jetzt schon schneller geht. Denn zunehmend ist das eine Frage, die an mich in meinen Seminaren und Beratungen herangetragen wird. Sollen wir oder sollen wir nicht. Und wenn ja, wie.

Ganz grundsätzlich: Gendern bezeichnet die Berücksichtigung des Geschlechts in der Sprache. Und das umfasst die unterschiedlichsten Varianten. Die „lieben Kolleginnen und Kollegen“, mit Sternchen, Doppelpunkt oder Unterstrich oder neutral formuliert wie in „die Studierenden“ – all diese Formen haben gemein, dass sich grundsätzlich erst einmal mehr Menschen angesprochen fühlen könnten. Mehr Menschen, d.h. all diejenigen, die man mit dem weit verbreiteten generischen Maskulinum möglicherweise ausschließt.

Weil die meisten es bisher nicht tun, möchte ich an dieser Stelle einmal drei Argumente nennen, weshalb es sich lohnen könnte, sich mit dem Thema auseinander zu setzen.

Erstens. Wer gendert – ob als Organisation, Institution oder Unternehmen – bekennt sich nach außen zu einer inklusiven und diversen Unternehmenskultur. Und das ist ja erstmal nichts Schlechtes.

Zweitens. Wer vor allem junge Zielgruppen ansprechen möchte – zum Beispiel, um Stellen zu besetzen, sollte sich mit diesem Thema befassen. Eine Infratest-dimap-Umfrage aus dem Mai 2021 zeigt, dass die Befürwortung einer gendergerechten Sprache bei den 18-bis 39-Jährigen mit 38 Prozent am höchsten ist.

Drittens: Auch für diejenigen, die einen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Auftrag wahrnehmen wollen, könnte Gendern eine Idee sein und das ist für mich persönlich das stärkste Argument, sich mit dem Thema Gendern auseinanderzusetzen. Denn: Zahlreiche Studien belegen, dass vor allem Kinder das generische Maskulinum nicht begreifen und sich bei männlichen Berufsbezeichnungen wie Pilot, Arzt oder Wissenschaftler eher männliche Vertreter vorstellen.

Bei einem Experiment an der Freien Universität Berlin wurden Grundschülerinnen und Grundschülern Berufsbezeichnungen vorgelesen. Entweder mit Doppelnennung oder nur in der männlichen Form. Ergebnis: Diejenigen, die die Doppelnennung gehört hatten, konnten sich eher einen „typisch männlichen“ Beruf für sich vorstellen als die andere Gruppe. Allein mit Sprache können wir alle bereits im Kindesalter dafür sorgen, dass Mädchen bestimmte Berufe nicht kategorisch ausschließen.

Schöner Nebeneffekt: Auf diesem Weg lässt sich auch daran arbeiten, dass mehr Frauen sich für eher männlich besetzte Berufe entscheiden. In diesem Zusammenhang fallen mir spontan folgende Stichworte ein: Chancengerechtigkeit, mehr Frauen in Führungspositionen, weniger Fachkräftemangel.

Und wie genau das mit dem Gendern am besten geht – auch vor dem Hintergrund von Suchmaschinenoptimierung usw., darum geht es an anderer Stelle.

So, und jetzt freue ich mich über (hitzige) Reaktionen. ;)

(Dieser Text war Teil meines Newsletters, den du hier abonnieren kannst.)

Die Kunst des guten Erzählens am Beispiel von Helgoland

Zum ersten Mal war ich als Mitglied der Theater-AG meiner Schule auf Helgoland. Wir sollten dort unser Stück aufführen – „Der Geizige“ von Molière. Danach folgten noch einige Besuche. Und nach jedem Besuch auf Deutschlands einziger Hochseeinsel fuhr ich mit dem Gefühl: War schön, aber ich muss wiederkommen. Weil sie so schön ist, ich fasziniert bin von der Leere, wenn die Tagesbesucher wieder in ihre Katamarane gestiegen sind, weil es dann doch noch so viel Unentdecktes gibt. Und nach der Lektüre von Isabel Bogdans neuem Buch „Mein Helgoland“ habe ich nun noch ganz viele andere Gründe gefunden, die Insel noch einmal zu besuchen.

“Mein Helgoland” ist eine Erzählung von Isabel Bodgan, die lange Zeit vor allem als Übersetzerin tätig war. Als sie vor einigen Jahren selbst einen Roman veröffentlichte, wurde der gleich zum zum Bestseller. (Sie ist zudem eine Bloggerin der ersten Stunde, aber das ist eine ganz andere Geschichte.) Bodgan erzählt über ihr Helgoland, das sie sehr stark mit dem Schreiben verbindet, denn dort verbrachte sie die eine oder andere Schreibzeit – allein und mit befreundeten Autor*innen. Und deshalb erzählt sie nicht nur von Helgoland, sondern auch vom Schreiben, worauf es ankommt, was ihr hilft, wie Romane und Geschichten entstehen. Das Allerschönste an dem Buch sind die Parallelen, die sie zieht, zwischen dem Geschichten erzählen, dem Schreiben und einem Besuch auf Helgoland. Was es für gutes Storytelling benötigt – auch hierfür liefert sie Inspiration.

„Schreiben ist auch eine Insel. Man ist allein mit dem Text, abseits von allem anderen, und man bleibt gedanklich auch dann, wenn man gerade nicht am Schreibtisch sitzt, immer irgendwie bei der Geschichte, bei den Figuren, bei dem Thema, mit dem man sich gerade befasst. Man findet im Alltag plötzlich Dinge, die man für den aktuellen Roman gebrauchen kann, man hält immer die Augen offen nach verwendbarem Material (…).“

Viele dieser unverwechselbaren Helgoland-Momente bringt sie mit dem Schreiben in Verbindung. Die Düne als Abschweifung, Nebenthema, die dadurch zum heimlichen Star der Geschichte wird. Sie verdeutlicht das am Besuch in den Bunkergewölben von Helgoland: „Für eine gute Geschichte muss man ebenfalls tief hinuntergehen, mitten rein ins Fundament. Dahin, wo die Verletzten und die Toten sind. Wo die Traumata sitzen. Man muss das nicht alles im Detail erzählen, aber als Autorin muss ich wissen, wie das Fundament aussieht. Ich muss wissen, in welchem tiefen Loch meine Figuren gesessen und sich zu Tode gefürchtet haben.“

Ein bisschen Unterstützung holt sie sich dabei von Helgolands berühmtestem Autor James Krüss, vor allem, wenn es um die Kunst des Erzählens geht und zitiert ihn wie folgt: „Kästner hat mir sehr viele Ratschläge erteilt, wie man Kinderbücher schreiben muss. Zum Glück habe ich keinen einzigen seiner Ratschläge befolgt. Denn jeder muss sich seine eigenen Rezepte machen.“

Zum Schluss findet Isabel Bogdan eine wunderbare Parallele zwischen dem drohenden Ende des Aufenthalts auf der Insel und der Frage, wann eine Geschichte eigentlich fertig ist. „Fertig ist man nie, man kann immer noch weitermachen, immer noch mal überarbeiten, etwas ergänzen, streichen, komplett ändern. Wann ist es fertig? Fertig ist immer auch eine Entscheidung (powered by deadlines).“

Hier kann ich wiederum Parallelen erkennen: Fertig werde ich mit Helgoland nie. Aber ich entscheide mich dafür, in das Schiff zu steigen und vorerst zurückzufahren. Genauso wie ich jetzt der Meinung bin, dass ich dir am Ende dieses Textes den Link zum Buch darreiche, den Fun-Fact, dass die Ärzte in der ersten Demofassung des Songs „Westerland“ Helgoland besungen haben und einen dazugehörigen Youtube-Beweis. Viel Spaß mit dem Ohrwurm.

(Dieser Text war in einer abgewandelten Version Teil meines Newsletters, in dem ich jede Woche Inspiration, Best Practice und Tipps und Tricks zur Digitalen Kommunikation verschicke. Hier kannst du ihn abonnieren.)

Warum Medienmacher und Kommunikatoren einen Blick in das Usethenews-Playbook werfen sollten

Wie nutzen junge Menschen eigentlich Medien? Diese Frage beschäftigt uns alle berufsbedingt immer wieder. Deshalb konsumiere ich beispielsweise zum einen Kanäle und Medien, die genau für diese Zielgruppe gemacht sind. Und manchmal wundere ich mich dabei, zum Beispiel über die Überinszenierung von Podcast-Formaten wie „Noise“ oder „Wild Wild Web – die Kim Dotcom Story“ oder fühle mich gut informiert wie etwa in „Der Mann in Merkels Rechner„. 

Zum anderen kannst du Studien und andere Meta-Analysen lesen. Eine davon ist zum Beispiel das Usethenews-Playbook. Es beschäftigt sich damit, wie sich junge Menschen (bis 30) in Deutschland informieren und wie man für diese Generation ansprechende und zeitgemäße Nachrichtenangebote entwickelt. Neben Erkenntnissen aus der umfangreichen Studie zur Mediennutzung der U30-Generation zeigt das Playbook viele Beispiele für „junge“ Nachrichtenangebote und teilt Erkenntnisse der Macher. So erhält jeder, der das Buch liest, wirklich einen guten Eindruck, worauf es ankommt. Besonders gut finde ich die Hinweise auf das Zusammenspiel von Journalismus und Medienkompetenz. Denn wenn wir als Gesellschaft wollen, dass Jugendliche in der Lage sind, gute von nicht so guten Quellen zu unterscheiden, dass sie schätzen, was Journalismus leisten kann, dann muss die Vermittlung von Medienkompetenz bereits in der Schule stattfinden – zeitgemäß.

Einer der entscheidenden Sätze der gesamten Studie war für mich folgender: „Nur durch solides Handwerk sowie verlässliche und tiefgründige Inhalte aus verschiedenen Perspektiven kann es gelingen, sich von nicht journalistischen und meinungsstarken Akteur:innen abzugrenzen und einen überzeugenden Mehrwert zu schaffen, für den man im Zweifel auch bereit ist, Geld zu bezahlen.“

Gleichzeitig müssen die Formate und Produkte einen klaren Nutzen transportieren, sich auf strategische Ziele fokussieren, im Markt bestehen können und im Rahmen der eigenen Ressourcen umsetzbar sein – Dinge, die für jedes digitale Produkt und Format gelten, egal an welche Altersgruppe man sich wendet. 

Der dritte Punkt, um Zielgruppen gut zu verstehen, ist: ran an die Zielgruppe. Reden, beobachten, verstehen. Was macht eine 17-Jährige bei Tiktok? Auf welchen Plattformen sind sie unterwegs? Und wie funktioniert eigentlich Discord? Ist das, was wir uns da gerade ausdenken, wirklich zeitgemäß? Produkte, Formate, Medien – sie werden immer besser, wenn sie von Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen und Kompetenzen entwickelt werden.

(Dieser Text war Teil meines wöchentlichen Newsletters. Hier kannst du ihn abonnieren.)

Kann man von Merkel etwas für die digitale Kommunikation lernen? Ein Versuch.


An den vergangenen drei Abenden habe ich jede freie Minute damit verbracht, den Deutschlandfunk-Podcast „Merkel-Jahre – der unwahrscheinliche Weg der Angela M.“ zu hören (ganz gut gemacht!) und dabei kam mir eine Idee: Könnte man einige der positiven Merkel-Prinzipien, die ihr immer wieder nachgesagt werden, nicht auch in die digitale Kommunikationswelt übertragen? Nach einigem Hin und Her kam ich zu dem Schluss: Ich versuch es einfach mal. Hier sind sieben Merkel-Prinzipien für die digitale Kommunikation. Also los. 

1. Rainer Eppelmann, Thomas de Mazière oder Jean-Claude Juncker – egal welcher ihrer Wegbegleiter in dem Podcast zitiert wird, aber auch in den zahlreichen Porträts, die dieser Tage über Angela Merkel erscheinen: Immer wieder wird darauf hingewiesen, dass Merkels große Stärke sei, die Dinge vom Ende her anzugehen.
Heißt: Nur wenn ich weiß, was ich erreichen möchte, kann ich auch zielgerichtet handeln. 

2. Als Angela Merkel aus der Fraktionsführung heraus 2005 in den Wahlkampf zog, versuchte sie es mit einem recht radikalen neoliberalen Kurs, der ihr beinahe den Wahlsieg gekostet hat. Wäre sie dabei geblieben, wäre eine Große Koalition nicht möglich gewesen. Oder die Kehrtwende beim Atomausstieg nach der Katastrophe in Fukushima 2011. Die einen warfen ihr Prinzipienuntreue vor. Andererseits könnte man auch sagen: Sie trifft Entscheidungen dann, wenn Zeit und Stimmung günstig sind. 
Heißt: Jeder Inhalt sollte perfekt auf Kontext und Zielgruppe abgestimmt werden. 

3. Die Datsche in der Uckermark, die Kartoffelsuppe als Lieblingsessen, die Urlaube in den Bergen – trotz ihrer Rolle auf den internationalen Weltbühnen bleibt sie sich treu und steht dazu.
Heißt: Authentisch bleiben.

4. Es gibt diese eine Anekdote aus Merkels Zeit als Umweltministerin, als der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl eine Verordnung zum Sommersmog nicht diskutieren wollte. Da seien ihr Tränen gekommen, was natürlich auch an die Medien durchgestochen wurde. Schnell habe sie gelernt, Gefühle haben in der Politik meist nichts zu suchen. Und wenn dann setzt sie sie wohl dosiert ein. Zum Beispiel, als sie sich 2015 mit folgenden Satz an die deutsche Bevölkerung richtete: „Wenn wir jetzt anfangen, uns noch entschuldigen zu müssen dafür, dass wir in Notsituationen ein freundliches Gesicht zeigen, dann ist das nicht mein Land“. 
Heißt: Nur wer Fehler macht, entwickelt sich weiter. Und: Wenn wichtige Botschaften auch wirklich ankommen sollen, braucht es eine emotionale Ansprache.

5. Ziemlich häufig gab es die Momente, in denen Angela Merkel zu einem Thema lange Zeit nichts sagte, die öffentlichen Debatten laufen ließ. So lange, bis sich das eine oder andere Thema von alleine erledigte, der eine oder andere politische Gegner sich durch die vorschnelle Reaktion selbst erledigte.
Heißt: Die erste Reaktion ist nicht immer die beste. Auch wenn es gerade in emotionalen Momenten verdammt schwer fällt.

6. Erinnerst du dich noch? Die EU-Gipfel während der akuten Phase der Finanzkrise waren lang und zäh, wurden unterbrochen und am Ende kamen nach nächtelangem Ringen nur Miniergebnisse heraus. Für ihre Beharrlichkeit wurde sie selbst von politischen Gegnern geschätzt, dass überhaupt etwas herauskam, lag oft auch an Merkels Rolle. In diesem Artikel über eine Merkel-Biographie beschreibt der Autor Stefan Reinecke ihre Strategie in Krisensituationen: „Sie strebte keine Ziele mehr an, sondern entwickelte die situative Reaktion auf Krisen zur Perfektion.“ Eines ihrer Erfolgsrezepte: perfekte Vorbereitung durch penibles Aktenstudium. 
Heißt: Dranbleiben, reinfuchsen und optimieren. Dann gibt’s auch gute Ergebnisse.

7. Es ist schon erstaunlich, wie konstant der engste Kreis um Angela Merkel über all die Jahre geblieben ist. Ich bin fest überzeugt, dass es daran liegt, dass sich hier jeder auf jeden verlassen kann.
Heißt: Such dir Vertraute und vertraue, gib Rat und suche ihn, sei verlässlich. 

Und nein: Nächste Woche kommen dann nicht die sieben Merkel-Schwächen, die du auf keinen Fall in der digitalen Kommunikation anwenden solltest. 

(Dieser Text war Teil meines wöchentlichen Newsletters. Hier kannst du ihn abonnieren.)