Fliehen Digitaljournalisten aus Verlagen? Nö, aber ändern muss sich trotzdem was.

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Drüben bei Facebook gibt es eine spannende Diskussion unter einem Spruch von Daniel Fiene: „Gerüchten zur Folge, soll es schon bald eine Meldung in Mediendiensten geben, wenn Digital-Journos in ihrem Job bleiben.“ Hintergrund ist, dass Branchendienste beinahe täglich von Abgängen und Neuverpflichtungen von Digitaljournalisten berichten, wobei sich insbesondere in der vergangenen Woche die Abgänge beim „Spiegel“ gehäuft haben.

Wie gesagt: Unter dem Post wird nun diskutiert, warum das so ist: zu wenig Mut, keine Bereitschaft in Neues zu investieren, keine Lust auf Risiko, zu wenig Vertrauen der „Etablierten“ in das Digitale, zu wenig Bereitschaft, die eigene Komfortzone zu verlassen, zu wenig Ressourcen, Angst vor dem Machtverlust.

Natürlich sind das die üblichen Argumente Spannend daran finde ich vor allem aber zwei Aussagen: Die eine stammt von Cordt Schnibben, ebenfalls Spiegel-Aussteiger, allerdings aus dem deutlich lukrativeren Print-Zweig. Er wünscht sich mehr Journalisten, die auf die Verlagsseite wechseln und gemeinsame Führungsstrukturen aus Verlag und Redaktion. Ich verstehe nicht ganz, warum viele Journalisten immer wieder der Meinung sind, dass sie die besseren Verlagsmanager sind, aber das geht wahrscheinlich einher mit der Annahme, dass gute Journalisten auch ohne Führungs-und Managementqualifikationen in Leitungspositionen berufen werden – Hauptsache, die Leitartikel lesen sich fluffig.

Die andere spannende Aussage stammt von Rheinische-Post-Chefredakteur Michael Bröcker: Es sei seiner Meinung nach keine Frage von Print vs. Digital oder umgekehrt, sondern vielmehr eine Frage von Leidenschaft, Neugier, innerem Feuer.“ Wenn man dieses nicht mehr ausleben kann, dann zieht man weiter, interpretiere ich mal in seine Aussage hinein und damit hat er natürlich völlig recht: Auch unter Printjournalisten hat es in den vergangenen Monaten Abgänge und Wechsel gegeben.

Wenn ich mir grundsätzlich etwas wünschen dürfte für die Verlagsbranche: Diversität auf allen Ebenen. Füllt die Redaktionen mit nicht-studierten Talenten, Menschen, ohne stringenten Lebenslauf, die mal was von der Welt gesehen haben, die eine eigene Filterblase mitbringen. Killt die Silos aus Entwicklern, Analysten, Produktmanagern und Verlagsfuzzis und arbeitet zusammen. Schafft Hierarchien ab. Bildet Teams, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Und hört auf zu glauben, dass Journalisten alles besser können. Es gibt gerade auch auf Verlagsebene so viele fähige und inspirierende Menschen, die ihren Job können. Setzt euch zusammen, redet einfach mal und schaut, was dann entstehen kann, bevor es zu spät ist.

Passend zum Thema.

Die seltsame Digital-Strategie der Nordsee-Zeitung

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Heute schauen alle nach Niedersachsen, da kann ich auch noch einmal dorthin schauen. Als ich nämlich letztens in der Heimat war, habe ich mal wieder einen Blick in die Nordsee-Zeitung geworfen, meiner so genannten Heimatzeitung. All die Jahre, in denen ich in Bederkesa gelebt habe, kam gegen viertel vor sieben immer die Zeitungsfrau angefahren und hat uns die Zeitung vor die Tür gelegt. Ich habe das oft gehört, weil die Haustür jedes Mal geknarrt hat und manchmal war die Zeitungsfrau so schwungvoll unterwegs, dass das Papierpaket gegen die Wohnungstür knallte, so dass ich auch das hören konnte.

Vor ein paar Jahren hat meine Mutter die Zeitung abgeschafft, die Gründe dafür sind vielfältig, ich kann sie nachvollziehen, auch wenn ich zwischendurch immer denke, dass das ja schon auch ein bisschen schade ist, aber auch ich in Düsseldorf lese vor allem digital und da kann ich ihr gar keinen Vorwurf machen.

Als dann letztens dieser Sturm wütete, wollte ich mal nachschauen, wie sehr der Landkreis Cuxhaven denn in Mitleidenschaft gezogen wird und fand unter nordsee-zeitung.de nur noch einen Hinweis auf das E-Paper. Offenbar hat sich die Marke „Nordsee-Zeitung“ aus dem frei zugänglichen Internet verabschiedet. Wer sich informieren will, kann das nun nur noch unter nord24.de machen, einem so genannten Reichweitenportal, das nicht so aussieht, als ob da viel Reichweite drauf ist und bei der IVW ist das Portal auch nicht gemeldet. Ernst nehmen kann ich dieses Portal nicht, am Wahlsonntagabend sind dort die Nartumer Schützen mit ihrem Oktoberfest wichtiger als politische Entscheidungen.

Dazu muss man wissen, dass die Nordsee-Zeitung schon so etwas wie eine Traditionszeitung ist. Viele gute Journalisten haben dort gearbeitet, die Nordsee-Zeitung ist zudem seit jeher Monopolzeitung, was manche als Glück bezeichnen, andere als Unglück, weil dadurch in den vergangenen Jahren kein echter Druck zur Transformation bestand.

Nun könnte man meinen: Mensch, vielleicht haben die ja die sozialen Medien für sich entdeckt, um die Marke im Digitalen weiterleben zu lassen. Doch, nein. Selbst im Nordsee-Zeitungskanal bei Facebook gibt es nichts Aktuelles, schon gar nicht bei Sturm. Von den Wahlergebnissen am heutigen Wahlabend natürlich auch keine Spur – der neueste Beitrag ist ein Hinweis auf das Rezept für lauwarmen Zwetschgenkuchen. Und das ist kein Scherz.

Am 1. November gibt es dort übrigens einen neuen Chefredakteur. Angeblich soll er dann die Digitalisierung der Zeitung vorantreiben. Wenn es dafür nicht längst zu spät ist.

Wie kämpft man 2017 um eine Schule?

Das letzte September-Wochenende fühlte sich ein wenig wie eine Zeitreise an. Ich tauchte ab in meine Schulzeit – der 97er Abiturjahrgang des Niedersächsischen Internatsgymnasiums Bad Bederkesa (Ja, so heißt die Schule wirklich!) traf sich. 20 Jahre ist das alles her. Erkannt habe ich alle noch – und der Rundgang durch die Schule war eine Mischung aus Nostalgie, dem Entdecken von Neuem und Erinnerungen. Mein Klassenraum in der 7. Klasse, der damalige Musikraum ist nun das Lehrerzimmer, der Kunstraum war frisch renoviert aber alt betischt, da die altgediente Lehrkraft darauf bestanden hatte, die alten Tische noch benutzen zu wollen. (Sowas geht vermutlich auch nur an Schulen.)

Der Matheraum ist mittlerweile mit einem anderen Raum verschmolzen – den Klassengrößen sei Dank. Die alte Turnhalle, die damals als Ort für die besten Schulpartys her hielt, ist nun eine moderne Bibliothek. Auf dem alten Tennisplatz steht ein schicker Mehrzweckbau mit Pausenhalle und jeder Menge Fachräume.

Es gibt wohl nur wenige Orte, an denen Altes und Neues so aufeinander treffen wie in Schulen. Es gibt Wände, von denen die Farbe blättert, das gesamte Obergeschoss riecht nach altem Holz, Staub und frischer Farbe. Vor grünen Tafeln stehen weiße moderne Boards, mit denen man ins Internet gehen kann, im Informatikraum druckt ein 3D-Drucker.

Wir laufen auch durch das Archiv des Fördervereins. Beinahe griffbereit stehen da in der Ecke die alten Protestschilder aus dem Jahr 1994. Damals kämpften Lokalpolitiker, Eltern, Lehrer und Schüler gemeinsam für den Erhalt der Schule. Mit Streiks, Unterschriftenaktionen, Demonstrationen in der Landeshauptstadt Hannover, wochenlanger Begleitung in der lokalen und regionalen Presse. Das Internet spielte damals keine Rolle. Und trotzdem haben alle darüber geredet und sich engagiert.

Derzeit wird auch wieder um die Zukunft dieser Schule gerungen, weil in der nächst gelegenen Stadt Langen eine Oberstufe errichtet werden soll. Ich bin sehr gespannt, ob es im Jahr 2017 gelingt, eine ähnliche Aufmerksamkeit zu generieren und auf welche Mittel dabei gegriffen wird. Reicht die Begleitung durch die Nordsee-Zeitung, die immer weniger lesen? Hat die aktuelle Schulleitung Format und politisches Gespür, um Mehrheiten zu organisieren? Fährt wieder einer Buskarawane zur großen Demo nach Hannover? Könnte Social Media helfen? Bei Facebook hat die Schule 197 Fans. Ich bin gespannt, welche Mischung aus Bewährtem und Modernem zum Zuge kommen wird.