Tageszeitung im Abo? Wie sich das 2018 anfühlt
(Dieser Text war Teil meines Newsletters, den du hier abonnieren kannst.)
Seit sieben Jahren waren wir ohne, nun läuft seit ungefähr zehn Tagen in unserem Haushalt ein Experiment: Wir haben eine Tageszeitung. Also so richtig, auf Papier ausgedruckt. Sie liegt morgens in unserem Hausflur, weil ein freundlicher Nachbar sie reingelegt hat, denn der Zeitungsbote hat keinen Schlüssel, um sie direkt in den Briefkasten zu werfen. Und wer sich fragt, warum ausgerechnet ich bzw. unsere Familie nun wieder mit Papier experimentiert: Seit der große Sohn in der Schule ist und nun selbst lesen kann bzw. auf dem guten Weg dahin ist, wollten wir ihn zeigen, dass es auch was anderes als Smartphones oder bewegten Bildern gibt, um sich zu informieren. Sowieso: Wenn ich mal reflektiere, was ich den Kindern eigentlich vorlebe, dann schaue ich ständig auf mein Smartphone, ohne dass der Nachwuchs eigentlich weiß, was ich da mache. Mails lesen, News verfolgen, Geschäftspartner bei Laune halten, usw. Meine Befürchtung: Sie glauben, dass ich die ganze Zeit Youtube schaue, Subway Surfer spiele und ab und zu irgendwelche Verabredungen für die beiden manage.
Für das Experiment haben wir uns nicht fürs Handelsblatt oder eine andere überregionale Zeitung entschieden haben, sondern für die gute alte Rheinische Post. Also für Inhalte, mit denen im Zweifel auch der Sohn schon etwas anfangen kann. Und Kruschel, das Maskottchen der Kinderseite, könnte er wiedererkennen, hat er es auf irgendeinem Kinderfest am Rhein schon einmal getroffen. All das war die Theorie, doch dann kam die Praxis. Was ich in den vergangenen Tagen gelernt habe.
Erstens: Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich Papier und Tageszeitung langfristig durchsetzen. Zumindest in Großstädten. Von zehn Ausgaben haben die Wohnung sechs erreicht. Die anderen Ausgaben waren geklaut. Von wem auch immer. Oder sie war noch nicht ausgetragen, wovon ich heute Morgen um 6.13 Uhr einfach mal ausgehe. Dabei hatte ich mich gefreut, die Zeitung im Zug nach Hamburg zu lesen. Wenn ich für sowas Geld ausgebe, dann will ich dieses Produkt auch jederzeit lesen können. Punkt. Und jederzeit ist nun mal nicht Papier. Und digital ja leider auch nicht ohne Planung, denn dieses WLAN im Zug funktioniert auch mal wieder ganz hervorragend. Nicht.
Zweitens: An einem Morgen in diesen zehn Tagen hatte ich ein bisschen Zeit. Bei einer Tasse Tee und ein paar Haferflocken blätterte ich durch die Rheinische Post, las mich hier und da mal fest und verbrachte so gut 15 richtig entspannende, aber durchaus auch informierende Minuten. Das war ein richtig schönes Gefühl, erinnerte mich an die Zeit, bevor ich Kinder hatte und sonntags stundenlang in Cafés gesessen und dabei die Sonntagszeitungen durchgeackert habe.
Drittens: Immer wenn ich unter der Woche einen Blick in die Zeitung werfen konnte, fand ich sie gar nicht mal so schlecht. Im Überregionalen durchaus gute Drehs aus dem Berliner Politiktheater, die ich an den Tagen zuvor nicht schon in den Onlinemedien gelesen habe. Die Innogy-Eon-Berichterstattung im Wirtschaftsteil – und ein bisschen Klatsch und Tratsch aus der Landeshauptstadt, den ich bis dato nicht vermisst hatte, es aber doch irgendwie interessant fand. Sprich: Gar nicht mal so schlecht.
Viertens: Die Zeitung, die mich unter der Woche informierte und mir Gedankenanstöße gab, versagte hingegen am Wochenende: längst ausgelutschte Geschichten, ein komplett verstümmeltes Magazin, das eigentlich nur noch aus einer Geschichte besteht – es scheint fast so, als ob den RP-Redakteurinnen und -Redakteuren am Freitag immer die Puste ausgeht. Ein Samstagsabo kann ich wirklich niemanden empfehlen.
Fünftens: Nun liegt diese Zeitung also seit zehn Tagen ab und zu in der Wohnung herum. Wahrgenommen hat sie der Siebenjährige. Mehr aber auch nicht. Obwohl wir die Kruschel-Seiten der vergangenen Tage gesammelt haben.
Fazit: Im Jahr 2018 eine ausgedruckte Tageszeitung zu abonnieren, hatte schon sehr nostalgische Elemente. Weder Produktqualität noch Verfügbarkeit haben meine Erwartungen erfüllt. Zudem befürchte ich, dass sich grüne Kuscheltiere nicht wirklich eignen, Siebenjährige zum Zeitungslesen zu bringen. Öffentlich-Rechtliche TV-Sendungen wie „Checker TobiJulianCan“ oder „Logo“ hingegen schon.