Eine dritte Woche im August

Wie ich bemerkt habe, ist der Süden doch gar nicht so übel. Wenn ich dann allerdings wieder in den Norden fahre – und die Aussicht genieße und dabei einfach nur blauen Himmel, ein paar Wolken und ansonsten nichts sehe, dann finde ich das auch nicht so übel. Noch schöner ist dieses Nichts übrigens, wenn es aus ein paar Wellen besteht, auf denen in weiter Ferne Schiffe fahren. Herrlich. Ebenfalls bemerkt, dass ich dieses Strandkorbleben im Sommer ruhig mal wieder öfter haben könnte. Während außerhalb eine steife Brise weht, ist es im Strandkorb muggelig warm, ein Handtuch über den Schultern und schon ließe sich da drin sogar ein Schläfchen halten, wenn die Kinder nicht wären, die dann doch alle paar Minuten irgendwas wollen. Fußballspielen, Aufmerksamkeit oder ein Eis. Was ich eigentlich sagen will: ein Strandtag im Norden geht eigentlich immer.

Auf Helgoland war ich zuletzt in der Schulzeit. Ich war Mitglied in der Theatergilde und mit unserem Stück „Der Geizige“ von Molière so erfolgreich, dass wir auf Tournee gegangen sind. Nach Haldensleben in Sachsen-Anhalt und nach Helgoland. Das war toll. Ich erinnere mich dunkel daran, wie ausgestorben die Insel am Abend gewesen ist, weil all die Touristen die Insel dann wieder verlassen hatten. Diesmal bin ich selbst einer von diesen Touristen, der am Morgen in Cuxhaven an Bord geht, um einen Tag auf Helgoland zu verbringen. Es herrscht ordentlich Wind, zumindest so sehr, dass es hilft, an Bord eine Hand freizuhaben, um sich aufgrund des Wellengangs abzustützen. Auf Helgoland angekommen geht es entlang der bunten Häuschen zum „Ortskern“, zur Touristenmeile. Ein Helgoländer führt uns eine Stunde lang über das Oberland, erzählt viel zur Geschichte. Ich nehme mir vor, auf jeden Fall noch einmal herzukommen für eine Bunkerführung, einen Museumsbesuch und einen Abstecher auf die Düne. So viel Ruhe, so viel Meer, das kann nur erholsam sein.


Besuche beim Arzt hingegen kann ich im Urlaub eigentlich nicht empfehlen, aber sei es drum: Ich war mal wieder bei meinem alten Hausarzt, der leider keinen Dienst hatte, sondern nur sein jüngerer Kompagnon, der vermutlich in einigen Jahren die Praxis übernehmen wird. Krasser Flashback in die alten Zeiten.

Noch eine Woche im August

Ein drittes Buch fertig gelesen: Der Räuber Hotzenplotz und die Mondrakete. Am nächsten Tag in Längenfeld dann dieses Haus gesehen und gegrinst.

Das Ötztal ist wirklich ein sehr schöner Ort zum Urlaub machen. Auch eine zweite Woche.

Aqua-Dome
Wunderbare Hallen- und Freibad-Anlage, in der Kinder und Erwachsene Spaß haben können. Auch nebeneinander. Und wer keine Lust auf Kinder hat, geht halt in den abgetrennten Ruhebereich mit Sauna-Anlage. Habe ich natürlich nicht gemacht. Und konnte zwischendurch sogar auf der Liege die Augen zumachen.

Bergisel
Ich bin kein großer Skisportfan und fand es trotzdem mal ganz spannend, mir eine Skisprungschanze anzuschauen. Diese hier eignet sich dafür ganz hervorragend – je nach Windlage gibt es auch Showsprünge und wer kulinarisch noch etwas ausprobieren möchte, probiert die Bergisel-Torte. Einzigartig übrigens auch der Blick von ganz oben – auf Innsbruck, die gegenüberliegenden Berge und weiter unten – den Friedhof. Muss seltsam sein, dort runterzuspringen. Aber da kenn ich mich ja wie gesagt nicht aus.

Timmelsjoch
Mal in fast 3000 Meter mit dem Auto die Alpen überquert? Kann man machen, über diese Hochalpenstraße. Kostet Maut und ein paar Nerven, da es schon sehr hoch geht und die Serpentinen es durchaus in sich haben besonders in Kombination mit lebensmüden Motorradfahrern, die einen in jeder erdenklichen Kurve überholen, auch wenn man selbst gerade einen Fahrradfahrer überholt. Alter. Vor allem aber landschaftlich der absolute Hammer.

Schafwollzentrum
Wie wird eigentlich Schafwolle zu einem bunten Pullover oder Teppich? Kann man sich hier anschauen und erklären lassen. Echt toller Erlebnisladen.

Freizeit Arena Sölden
Natürlich gibt es auch im Ötztal diese Tage, da regnet es den ganzen Tag, die Berge versinken in den Wolken und es mag nicht aufbrechen. Mit Kids eine gute Gelegenheit, ins Schwimmbad zu gehen. Zwar sind auf diese Idee noch einige andere Menschen gekommen, aber dennoch hat sich das ganz gut verlaufen, so dass es gar nicht so auffiel.

Weniger highlightig fand ich jetzt den DJ-Ötzi-Brunnen mitten in Oetz, aber da die Geschmäcker ja bekanntlich verschieden sind, wollt euch den nicht vorenthalten.

Die Rückfahrt nach Deutschland geht entlang der Zugspitze und dann recht schnell auf die Autobahn. An einem Samstag sogar fast ohne Staus und Düsseldorf empfängt uns bei Sonnenschein und 26 Grad. Die Hitze in der Wohnung lässt ahnen, wie unerträglich das Stadtleben in den vergangenen Wochen gewesen sein muss. Am Rhein ist es am Sonntag regelrecht gruselig: kaum Wasser drin, die Wiesen verbrannt, überall schwirren Wespen umher, Spaß macht das nicht. Aber zuhause zu sein, hat auch seine schönen Seiten: das eigene Bett, die vertrauten Wege. Aber noch träume ich von dem saftigen Grün der Berghänge. Auf bald mal wieder. Sehr bald.

Eine Woche im August

Ich fahre wirklich gerne Auto. Zumindest dann, wenn es gut vorwärts geht. Wenn ich alleine unterwegs bin, höre ich Podcasts, wenn wir zusammen unterwegs sind, hören wir Hörspiele und spielen McDonalds gegen Burger King. Aktuell stehen die „Teufelskicker“ bei den Kindern wieder hoch im Kurs. Moritz ist verliebt und ich male mir aus, wie es ist, wenn der große Sohn demnächst mit einem Mädchen nach Hause kommt. Am Ende der Fahrt steht es 7:6. Die Fast-Food-Ketten-Dichte ist in Österreich nicht allzu hoch.

„Nichts im Leben ist ermutigend. Es ist an uns, dort Ermutigung zu finden, wohin unser Blick, unsere Begeisterung, unsere Leidenschaft, unser… egal, was auch immer, lenkt“. Christine Féret-Fleury hat ein gutes Buch mit vielen klugen Sätzen geschrieben.


Berge sind super. Sie sehen einfach spitze aus, wandert man auf ihnen, gibt es immer etwas zu entdecken: Bäume, ungewöhnliche Pflanzen. Die Luft ist meist richtig gut und das rumlaufen macht auch noch deshalb Spaß, weil es nicht einfach nur gerade aus geht. Konzentration ist gefragt, um nicht über Wurzeln oder Steine zu stolpern. Berge in Kombination mit Wasserfällen finde ich noch besser, wobei man ja sagen muss, irgendwas mit Wasser ist in den Bergen ja auch irgendwie immer. Und wenn man Glück hat, ist noch ne fancy Brücke oder ein Spitzen-Tunnel mit dabei.


Berge sind auch deshalb super, weil das Laufen für mich als Flachlandtiroler dann natürlich auch sofort um Einiges anstrengender ist und das Essen nach einem solchen Trip, wenn es gut schmeckt, auch noch doppelt so viel Spaß macht. Die Kinder lieben Kaiserschmarren und auch ich kann dieser Speise Einiges abgewinnen.

Wer einmal das Ötztal besuchen sollte, dem kann ich folgende Attraktionen wärmstens ans Herz legen.

Ötzi-Dorf
Wie hat der Ötzi früher gelebt? Das wird hier ziemlich gut erklärt. Aber auch: Was haben die damals gegessen? Wie wurde Feuer gemacht? Wie wurden Messer gemacht? Welche Tiere lebten damals? Selbst Erwachsene können hier was lernen. Wer nachmittags kommt, bekommt ein paar Live-Vorführungen. Und wer mal richtig viel Zeit hat, kann dort auch in sowas wie Survivaltrainings selbst erlernen, wie das Leben damals so war.

Greifvogelpark
Gleich nebenan ist der Greifvogelpark. Zweimal am Tag gibt es im Sommer Vorführungen, die recht unterhaltsam moderiert werden und die einen Einblick in die Falknerei bieten. Mich haben die beiden Kolkraben Bonnie und Clyde beeindruckt, den coolsten Flug legten aber die Barteule und Gitty der Geier hin..


Stuibenfall
Läuft man weiter den Berg hinauf, kommt man zu einem ziemlich beeindruckenden Wasserfall, der mit Hilfe einer Hängebrücke und ungefähr 800 Stufen (das ist der Endspurt, vorher geht es auch schon bergauf) zu erreichen ist. Wahnsinnsblick. Für kleine Platte-Land-Kinder nur bedingt geeignet.

Widiversum
Am Ortseingang von Oetz geht es den Berg hinauf in eine ziemlich schöne Wandergegend. Für Kinder wurde dort das sogenannte Widiversum errichtet. Wandern ist dabei nicht so, aber spielen. Muss ja auch mal sein.


Rettenbachgletscher

Wenn ich mich für den Skisport interessieren würde, dann würde ich den Rettenbachgletscher natürlich längst kennen. Tu ich aber nicht und so lerne ich den Gletscher im Sommer kennen. Es ist da oben nicht so kalt wie befürchtet, mich beeindruckt die Wucht, ja und auch die Schönheit der Gegend. Ich ärgere mich über Müll in der Natur und darüber, dass hier alles nur auf die nächste Skisaison wartet.

Gaislachkogel

Mit der Bahn in Sölden geht es hinauf auf den Berg, zunächst zur Mittelstation, wo auch die Mountainbiker aussteigen, um ihre Abfahrt zu beginnen. Ich ahne, dass ich bei sowas in ein, zwei Jahren auch mitmachen muss und werde demnächst mal mit dem Training anfangen. Es macht zumindest schon beim Zusehen Spaß. Seit kurzem kann man noch höher hinaus auf dem Gaislachkogel – in 3050 Meter Höhe. James Bonds „Spectre“ wurde dort gedreht und deshalb gibt es da jetzt ein Museum. Foodies kommen da oben auch auf ihre Kosten – Mamas mit kleinen Kindern werden mit dem Ausblick belohnt, fahren dann aber wieder eine Etage tiefer. Da gibt es nen Spielplatz.

Piburger See

Kann man machen, dieses Ötztal.

Bettina Röhls „Die RAF hat euch lieb“

Ich habe gerade in einem ziemlichen Eiltempo „Die RAF hat euch lieb“ von Bettina Röhl gelesen, was zum einen daran liegt, dass ich hier gestern fußbedingt ein Totalausfall war und die Wanderung schwänzen musste. Zum anderen hat mich die Geschichte ziemlich gefesselt.

Bettina Röhl hat jahrelang, ich gehe davon aus, dass es gar Jahrzehnte waren, recherchiert, um einen Teil ihrer Lebensgeschichte aufzuschreiben: Die Kindheit mit ihren Journalisteneltern, mit einer Mutter, die nach Scheidung, 68er Revolte und Umzug nach Berlin zu einer Terroristin wurde. Eine Terroristin, die in vielen gesellschaftlichen Gruppen mindestens Sympathien weckte.?

Ich kenne diese Phase Deutschlands nur aus Erzählungen, Geschichtsbüchern, Filmen und den Einblick, den Bettina Röhl in diese Jahre gibt, ist schon ziemlich einmalig. Sie zitiert aus unzähligen Interviews mit Zeitzeugen, die sie über die Jahr geführt hat, versucht immer wieder Distanz zu ihren Eltern zu wahren, was nur teilweise gelingt. Sie ordnet ein, manchmal sicherlich etwas wirr, aber man kann sehr gut nachvollziehen, wie anstrengend das Leben mit dieser Mutter, aber auch mit diesem Vater war, der daran beteiligt war, den Mythos Ulrike Meinhof aufzubauen.? Wie viele Menschen des heutigen politischen und journalistischen Geschehens eine Rolle spielten. Von vielen wusste man, Schily, Ströbele, Aust, Augstein, aber auch Bissinger, Dittfurth, Enzensberger und wie sie alle hießen. Johannes Raus Äußerungen zu Ulrike Meinhof lassen tief blicken. Selbst FDP-Mann Dirk Niebel hat eine Nebenrolle, durfte er den zehnten Geburtstag von Bettina und Regine Röhl mitfeiern.?

Was hat so viele Menschen an der Person Ulrike Meinhof fasziniert? Das ist für mich nach diesem Buch nur schwer nachzuvollziehen. Sicher, das mag an der Autorin liegen, die hier nicht objektiv sein kann, sein will, aber dennoch einen großen Beitrag zur Entmystifizierung der Person Ulrike Meinhof leistet. Krass: Welche Rolle die Medien gespielt haben. Als direkte und indirekte Finanzierer, Unterschlupfgewährer, offene Sympathisanten. Laut den Briefen zwischen Meinhof und ihrem Anwalt war der Stern Anfang der 70er Jahre bereit, mehr als 40.000 DM für ein Interview mit drei inhaftierten Terroristinnen und Terroristen zu bezahlen. Terroristen, die mehrere Menschen auf dem Gewissen hatten und sich das Recht vorbehielten, die Veröffentlichung des Interviews am Ende sogar doch noch zu stoppen. Alle großen Medien sorgten für den Rummel, der der RAF am Ende nur nützte.?

Wie kann eine Mutter die eigenen Kinder so sehr der politischen Sache unterordnen? Nicht nur, dass die siebenjährigen Kinder monatelang mehr oder weniger auf allein gestellt, in Italien in einem Barackendorf für Erdbebenflüchtlinge leben und am Ende eigentlich in ein palästinensisches Flüchtlingslager gebracht werden sollen. Als Ulrike Meinhof nach Ewigkeiten und einem ewigen juristischen Hin und Her (selbstverschuldet) ihre Kinder wieder sehen kann, schreibt sie ihnen eine Brief, in dem sie nicht etwa ihre Liebe beteuert, sondern lapidar „Die RAF hat euch lieb“ unterzeichnet.?

Überraschend, wie viele Themen von damals immer noch aktuell sind: die Rolle der Frau, die Rolle der Medien, des Staates, Antisemitismus usw.?

Welche Fragen für mich als viel zu junges Ossikind immer noch ungeklärt sind – auch nach diesem Buch: Warum war Terrorismus in vielen Gesellschaftsschichten und vor allem unter Menschen, die in den vergangenen Jahren unserer Regierung angehörten, ok? Und auch wenn die nächste Frage im Grunde zum Teil durch die erste Frage beantwortet werden kann: Warum konnten diese Menschen so lange unentdeckt durch Deutschland und Europa reisen? War Polizei und Justiz so überfordert oder gab es dort ebensoviele Sympathisanten? Wieso hat niemand ernsthaft nach zwei Kindern gesucht, die nach Italien gebracht worden sind und dort alleine wegen Haar- und Hautfarbe herausstechen mussten??

Dennoch: 50 Jahre nach 1968 hatte ich durch Röhls Buch die Gelegenheit in diese Zeit abzutauchen. Und es wird nicht das letzte Buch sein, dass ich zu dieser Epoche lesen werde.?

Buch bei Amazon kaufen?

Die WELT zum Buch?

SPIEGEL ONLINE zum Buch?