Das weibliche Prinzip – wer wollen wir sein?

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(Werbung, da Affiliate-Link enthalten, Buch selbst bezahlt und im Buchhandel selbst ausgewählt)

„Wer wollen wir sein?“ steht im Klappentext des Buches. Erst jetzt beim Abtippen des Satzes wird mir klar, was für eine wichtige Frage das dieser Tage ist. Und natürlich passt diese Frage auch sehr gut zum Inhalt von „Das weibliche Prinzip“, dem neuen Buch von Meg Wolitzer (Affiliate-Link), der amerikanischen Bestseller-Autorin. Das Buch handelt von einer jungen, schüchternen Frau, die die Leser beim Erwachsenwerden begleitet. Sie trifft eine charismatische Frauenrechtlerin, die sie nachhaltig beeindruckt, für die sie später arbeitet und von der sie sich später emanzipiert, weil sie ihren eigenen Weg gehen will. Och nö, nicht noch eine Feminismusgeschichte, ich hab doch schon genug durch #metoo und Co. darüber gelesen, möchtest du vielleicht jetzt ausrufen. Ja, auch mich hat der Titel des Buches erst einmal abgeschreckt, aber ich empfehle dir trotzdem, dieses Buch zu lesen. Es ist wunderbar geschrieben, was sicherlich auch am Übersetzer Henning Ahrens liegt, es passt wunderbar in die Zeit, in der wir auch über die Rechte von Frauen diskutieren, über Quoten, über Männer, die sich durchaus feministisch verhalten und manchmal gleichberechtigter und frauenförderner agieren als die Frauen selbst – und natürlich Macht.

Es gibt eine Szene in diesem Buch, über die ich lange nachgedacht habe und noch immer denke: Es ist die Szene, in der die Protagonistin ihrer Freundin, die ebenfalls für diese charismatische Frauenrechtlerin arbeiten hatte wollen, beichtet, den Bewerbungsbrief nie weitergegeben zu haben. „Du weißt echt, wie man sich im Angesicht der Macht verhält“, wirft sie ihr vor. Ein Satz, der im Grunde ziemlich gut auf dem Punkt bringt, dass es oft eben nicht nur darum geht, dass Männer Frauen in Spitzenpositionen verhindern, sondern Frauen sich gegenseitig auch gerne im Weg stehen. Es zu den so genannten Männerseilschaften eben lange Zeit keine echten Frauenseilschaften gegeben hat. Frauen, die es geschafft haben, hielten nachkommende Frauen lieber auf Distanz. Ich habe die Hoffnung, dass sich das gerade ein wenig wandelt. Es gibt zumindest viele gute Beispiele.

Und es gibt in dieser Szene im Buch noch zwei weitere Sätze, die mich noch immer beschäftigen: „Ich glaube, es gibt zwei Sorten von Feministinnen. Die berühmten und den ganzen Rest, all jene, die still und gewissenhaft ihre Arbeit erledigen, ohne viel Anerkennung zu ernten, die niemanden haben, der ihnen täglich sagt, wie toll sie sind.“ Wer wollen wir sein? Das war der Satz, mit dem ich diesen Text begonnen habe. Wollen wir nicht diejenigen sein, die auf uns Acht geben, ob Männlein oder Weiblein, uns fördern und uns gegenseitig auch mal sagen, wie toll wir sind?

Wie wir (wieder) ins Gespräch kommen – vier Tipps von Organisationsberaterin Jana Stecher

Chemnitz, Köthen – es brodelt in Deutschland. Renate Künast sagt in der FAZ: „Die alte Bundesrepublik ist vorbei“ und noch ganz viele andere erstaunliche Dinge für jemanden, der zum aktiven politischen Betrieb gehört. Und wenn ich mit Menschen darüber spreche, herrscht oftmals eine große Fassungslosigkeit. Reden wir zu wenig miteinander? Also nicht nur mit Gleichgesinnten, sondern eben mit allen Bevölkerungsschichten? Hätten wir dann nicht schon früher bemerken können, was sich da zusammenbraut? Ich meine ja.

Eine, die das ganz hervorragend macht, ist Jana Stecher. Sie ist aus meiner Sicht eine hervorragende Organisationsberaterin (glaube ich ihren Instagram-Stories, folgt ihr, dort gibt sie oft Einblicke in ihre Arbeit) und unterstützt Unternehmen bei digitalen Herausforderungen und den dabei auftretenden Veränderungen in der Organisation. Vor ein paar Tagen startete Jana ein Experiment: Sie wollte verstehen, warum Deutschland gerade so auseinanderdriftet. Was die Menschen bewegt und antreibt so voller Hass zu sein. Jana hat mir daraufhin ein paar Fragen beantwortet.

Was für einer Gruppe bist du bei Facebook beigetreten und was hast du geschrieben?
In meinem Heimatort (eine Kleinstadt im Süden von Berlin) gibt es zahlreiche kommunalpolitische Gruppen. Ich bin in allen, die ich finden konnte, Mitglied. Ich wehre mich schon seit 2015 gegen das Entstehen einer eigenen Filterblase, die mir die Diversität der Gesellschaft vorenthält. Diese eine Gruppe möchte eigentlich meinungsoffen und objektiv sein, ist jedoch voll mit Posts und Stimmungsmache der AfD. Ich wollte dort nicht einfach austreten, wie es andere getan haben, sondern aktiv den Diskurs suchen. Daher schrieb ich bezugnehmend auf die Horror-Meldungen angeheizt durch Chemnitz, dass ich den Tag allein in Berlin war, mir trotz hohem Anteil von Migranten, nix passiert sei.

Wie waren die Reaktionen?
Innerhalb einer halben Stunde hatte mein Beitrag 80 Kommentare (bei einer Gruppe von nur 300 Mitgliedern). Nach einem Tag waren es 240 und dann nach zwei Tagen 360 Kommentare. Anfangs wurde ich ausgelacht, es wurde sich über mich lustig gemacht.

Hast du auf alle Kommentare geantwortet?
Nein. Vor allem Kommentare, die versuchten mich persönlich zu beleidigen, habe ich ignoriert. Generell wurde sehr oft in der dritten Person über mich gesprochen. Waren jedoch konkrete Fragen an mich, habe ich diese beantwortet.

Du bist Organisationsberaterin und hast in dem Gespräch bei Facebook Methoden aus deinem Berufsalltag angewendet. Welche sind das?
Systematisches Beraten basiert vor allem auf dem kompletten Freimachen von Vorurteilen. Jedem Menschen begegnet man wie einem leeren Buch. Ich habe mich als erstes frei gemacht von meinen eigenen Vorurteilen gegenüber diesen anders Denkenden. Ich habe relativ schnell versucht, die Aufmerksamkeit zu einer konstruktiven, ernst gemeinten Frage zu lenken. Zudem habe ich einen Teil der Kommentatoren direkt angesprochen. Von der auf mich bezogene persönliche Ebene habe ich mein „Publikum“ aktiviert. Ich bin dadurch in den Modus des Moderieren gewechselt. Drei Frauen haben hierauf ihre konkreten Ängste geschildert. Drei Frauen gaben an, keine größere Angst zu haben. Nun hatte ich auch die Aufmerksamkeit von den nicht eindeutigen AfD-Sympathisanten.
Aus meiner Tätigkeit als Beraterin (ich moderiere auch oft bei Team-Konflikten) weiß ich, dass Wertschätzung und Anerkennung von Emotionen die Basis für einen Wechsel in den konstruktiven Modus ist. Daher bin ich auf jede Meldung intensiv eingegangen. Habe die Emotion nicht in Frage gestellt, sondern für die Erfahrungsberichte und ehrlichen Statements gedankt. Hier habe ich auch immer wieder betont, dass es mir nicht zusteht, über die subjektiven Gefühle anderer zu urteilen. Damit habe ich irritiert. Das wurde von den Gruppenmitgliedern nicht erwartet. Irritieren ist ein mächtiges Tool beim Aufbrechen von Kommunikationsmustern. Jedoch muss ich hier noch klar machen, dass es mir nicht ums Überzeugen ging. Meine Empathie ist immer ehrlich gemeint.
Eine weitere Methode, die ich dann angewendet habe, ist die Wunderfrage. Das ist eine Methode aus dem systematischen Coaching. Wenn ich im Coaching bin und mit sehr verzweifelten Führungskräften zu tun habe, die vor Komplexität, keine Struktur erkennen können und komplett im Defizit hängen, erzeuge ich eine perfekte Zukunft. „Stell dir vor, du wachst morgen auf und alle Probleme, alle Sorgen sind gelöst. Wie fühlt sich das an? Was ist dann anders?“ Diese Methode habe ich abgewandelt und nach Klärung und Öffnung der Beziehungsebene benutzt und gefragt, was sich ändern müsste, damit sich alle in der Stadt wieder sicherer fühlen.

Was ist dann passiert?
Jetzt würde ich gern schreiben, alles super: 30 Maßnahmen gesammelt und direkt in der Stadtverordnetenversammlung vorgestellt. Leider nein. Die Problem-Ebene wollte kaum einer verlassen: Der Mensch liebt seine Probleme eben mehr als Lösungen. Ich sage dazu immer: Defizit schlägt Potenzial.

Was hast du in dem Gespräch gelernt?
Einerseits stand mein Post mit der dazugehörigen Diskussion durch die Aktivität der Gruppe mehr als drei Tage ganz oben. Fake-News der AfD kamen nicht mehr durch und verschwanden sofort wieder im Stream. Jeder Kommentar, jede Reaktion brachte meinen Post immer wieder nach oben. Diesen Mechanismus sollten wir stärker nutzen. Weiterhin habe ich gelernt, dass die Angst der Leute für sie real ist. Die Frustration über Politik der Vergangenheit ist so tief verwurzelt, dass es gar kein Glaube an eine positive Wendung gibt. Mit echter Moderation, die sich frei macht von persönlicher Überzeugungsagenda oder Likes, die es nur zum Ziel hat, wieder Verbindung zwischen den Menschen zu schaffen, können wir uns wieder annähern. Ich habe für mich erkannt, dass diese Kompetenz heute mehr denn je gefragt ist. Und zwar nicht nur mit bezahltem Auftrag. Ich wünschte mir, dass viel mehr meiner Berater- und Coach-Kollegen aktiv würden in sozialen Netzen und anfangen, ihre Kompetenzen einzusetzen und auch weiterzugeben.

Willst du die Aktion wiederholen?
In immer wieder anderem Rahmen bestimmt. Jedoch habe ich mir jetzt für eine Woche eine Pause verordnet. Es kostet Zeit und Energie, die ich nicht immer aufbringen kann. Mit nachlassendem persönlichen Akku fiel mir das Suspendieren und Wertschätzen immer schwerer, ich wurde dann zynisch oder sarkastisch, was wiederum nicht mehr auf das Ziel der verbindenden Kommunikation einzahlt.

Wenn es darum geht, Shitstorms zu vermeiden, sagen viele „Don’t feed the trolls“. Du sagt, dass dieser Satz ein Fehler ist. Aus welchen Gründen?
Wenn es um einen organisierten Shitstorm geht, ist es sicherlich noch immer richtig, die bloße Empörung nicht durch Argumente oder sonstigem weiter anzufüttern. Jedoch wird dieser Grundsatz in meinen Augen viel zu schnell hervor geholt. Wir nehmen uns viel zu selten die Zeit zu verstehen, nachzufragen, was hinter Aussagen, Hass und Vorurteilen steht. Da steckt auch ein Stück weit Bequemlichkeit dahinter: „Die haben eine andere Meinung, die mir fremd ist, also rede ich lieber nicht mit denen.“ Doch so haben wir die Filterblasen stärker werden lassen. Wutbürger sehen sich in ihren Kreisen immer wieder bestätigt, weil eben keiner mehr andere Perspektiven einbringt.

Ich glaube noch immer an das Potenzial von Digitalisierung, weil es die maximale Verbindung von Menschen erlaubt. Ich will nicht akzeptieren, dass das zu etwas Schlechtem führt.
Joi Ito der Leiter des MIT Media Labs sagt in der aktuellen „ZEIT“ über den Einfluss von Social Media: „Gibt man jedem eine Stimme, sind die Arschlöcher die Lautesten.“ – Und um dem zu entgegnen, sollte der Klügere nicht länger nachgeben, sondern hinhören, Fragen stellen, zusammenfassen, sich als Mensch zeigen. Das können wir alle.

Danke Jana.

Blogs sind super

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Das Bloggen hat mich in den letzten 15 Jahren immer begleitet. Während ich meine Diplomarbeit schrieb, lenkte ich mich zwischendurch ab, surfte herum und stieß auf Blogs, damals noch echte digitale Tagebücher. Von denen gibt es glücklicherweise immer noch viele und vielen von damals bin ich über all die Jahre treu geblieben, auch weil ich die Menschen hinter diesen Seiten kennenlernen durfte, Freundschaften entstanden. Und wenn ich einige davon auf der re:publica wiedertreffen darf, freut mich das umso mehr. Aber auch die vergangenen Woche hatte es in Sachen Bloggen wirklich in sich.

Am Wochenende habe ich am Medienbüro in Hamburg wieder einmal ein Seminar zum Bloggen gegeben – das mache ich seit 2014 jedes Jahr und in diesem Jahr haben wir neben einem Einführungskurs auch eine Fortgeschrittenen-Variante angeboten. Sprich: Menschen, die schon ein Blog haben, aber Unterstützung benötigen – im Schreiben, Vernetzen, Reichweite aufbauen. Der Teilnehmerkreis setzte sich aus ganz unterschiedlichen Persönlichkeiten zusammen, die aber eine Leidenschaft hatten: gerne über ihr Thema zu schreiben und schreiben zu wollen. Beste Voraussetzungen also. Denn das ist immer noch das, was mich an vielen Blogs so fasziniert: Dass die Schreiber nicht müde werden, über ihr Thema zu schreiben. Seien es Reise-, DIY- oder Foodblogs, um nur drei Kategorien zu nennen. (Und der Anfängerkurs im November ist auch schon wieder ausgebucht!)

Nicht zu vergessen auch die zahlreichen Finanzblogs, die ich mir in den vergangenen Tagen als Juryvorsitzende der Finanzblogawards (werden am 20. Oktober verliehen!) anschauen durfte. Viele von denen gibt es seit Jahren und sie verfolgen ihre Themen mit so viel Leidenschaft, die ich mir bei vielen Journalisten in klassischen Medien oft vermisse.

2018 war auch das Jahr, in dem wir es mit den Goldenen Blogger so viel klassische Medienresonanz wie nie erhalten haben – ja sogar bis in die Washington Post. Und wie der Zufall es will, saßen Christiane, Daniel, Thomas und ich in dieser Woche auch in Berlin zusammen, um die Planungen für die „Goldenen Blogger 2018“ aufzunehmen: Wer kümmert sich um was? Welche besonderen Akzente wollen wir diesmal setzen? Danach saßen wir mit Ferdinand von Téléfonica zusammen, weil wir auch diesmal wieder in der Hauptstadt mit den Bloggern und euch das beste aus dem Internet auszeichnen wollen. Am 1.10. dazu mehr. Im vergangenen Jahr konnten wir für die „Goldenen Blogger“ zahlreiche Sponsoren gewinnen, große Namen wie Amazon, Bayer, Daimler, Facebook, Go Daddy, Google, Téléfonica und Xing. Solltest du mit deinem Unternehmen im nächsten Jahr dabei sein wollen, schreib mir.

Was ich aber eigentlich sagen wollte: Auch nach 15 Jahren ist Bloggen immer noch ziemlich super: Weil daraus Verbindungen zu Menschen entstehen können, im besten Falle sogar ganz Besondere (mit Kindern und so), weil sie eine wunderbare Möglichkeit sind, Transparenz und Authentizität zu transportieren, weil du viel lernen kannst und weil es schlichtweg auch sehr viel Spaß macht.