Sind die Menschen im Grunde gut?
Derzeit könnte man den Eindruck haben, dass die Welt auf Twitter besonders aufgeregt ist, alle sich ungerecht behandelt fühlen und der Weltuntergang kurz bevor steht. Selbst Menschen und Institutionen, die ich in der Vergangenheit für Sachverstand, Unaufgeregtheit und kluge Meinungen geschätzt habe, scheinen ihre bisherige Mission einer kleinen Überprüfung zu unterziehen. Kein Wunder könnte man meinen.
Wie wohltuend da im Vergleich doch das Buch ist, das ich gerade höre, ja, richtig gelesen, ich höre es. Es heißt „Im Grunde gut“, wurde von dem niederländischen Historiker und Journalisten Rutger Bregman geschrieben und versucht mir nun seit rund 160 Kapiteln (Spotify-Kapitel!) klar zu machen, dass wir Menschen gar nicht mal so schlecht sind, im Grunde sogar ganz gut.
Gerade in Katastrophen bricht laut Bregman das Beste in uns Menschen heraus. In großen Katastrophen sind Menschen nicht in Panik ausgebrochen, sondern haben einander geholfen, sei es bei Bombenangriffen, Überschwemmungen oder eben auch jetzt in der Corona-Krise. Auf jeden Hamsterkäufer kämen „1000 Krankenschwestern, die jetzt den Kopf hinhalten“, so Bregman in einem Interview.
Der Weg zur Hölle sei mit guten Absichten gepflastert, so Bregman. Der Mensch habe sich nur durchgesetzt, weil wir besonders freundlich sind, empathisch. Bregman kritisiert die Rolle der Medien, plädiert dafür unser Menschenbild zu revidieren: in ein realistisches, hoffnungsvolles. Das mag auf den ersten Blick naiv wirken, ist es aber nicht, weil er durchaus auch die Schattenseiten beleuchtet. Menschen können grausam sein, voller Hass, rassistisch – aber im Grunde eben auch nicht.
Es tut gut, dieses Buch gerade zu hören, obwohl ich schon mehrfach bereute, mir keine Passagen anstreichen zu können (Buy local und bitte nur zur Not bei Amazon). Wie Bregman psychologische Studien wie das Stanford-Experiment oder die Forschungen über die Osterinsel auseinander nimmt – es ist beeindruckend was für ein guter Geschichtenerzähler er ist. Wie er immer wieder anregt, die Perspektive zu wechseln. Es gibt viele Thesen in diesem Buch, die nachhallen und über die ich in den nächsten Wochen noch viel nachdenken werde: Management sei Schwachsinn, man muss die Menschen ihren Job machen lassen, ist eine davon. Eine andere: Nachrichten sind für den Verstand das, was Zucker für den Körper ist.
Rutger Bregman – Im Grunde gut (Buy local! und nur zur Not oder bei Amazon) und bei Spotify
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