Werden Medien gerade ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht?
Wir haben derzeit wieder diese Tage, an denen ich noch sorgenvoller beobachte, wie Medien über die aktuellen Geschehnisse berichten. Wie sie sich überschlagen mit Eilmeldungen bzw. jeden kleinen Schnipsel zu einer machen, weil das Thema wieder „zieht“. Oder auch: Weil viele Menschen in großer Sorge sind, um ihre Zukunft, ihre Existenz, die Zukunft ihrer Freunde und Bekannten, ihre Familienmitglieder – und jeden Nachrichtenschnipsel dankend annehmen. Ja, sogar Digitalabos abschließen, um nichts zu verpassen. Ein Teufelskreis der Aufmerksamkeitsökonomie.
In der Süddeutschen Zeitung geht der Medienwissenschaftler Stephan Russ-Mohl sogar noch einen Schritt weiter und schreibt den Medien sogar eine Mitschuld an dem für November beschlossenen Maßnahmen zu: „Vielmehr haben die Medien mit ihrem grotesken Übersoll an Berichterstattung Handlungsdruck in Richtung Lockdown erzeugt, dem sich die Regierungen in Demokratien kaum entziehen konnten.“
Die Fragen, die ich mir immer öfter stelle: Werden Journalistinnen und Journalisten, die gerne als vierte Gewalt angesehen werden und sich zu gerne auch selbst so sehen, werden sie der damit verbundenen Verantwortung in der demokratischen Gesellschaft gerecht? Bzw. können sie dieser noch gerecht werden, wenn die Art wie und über was sie berichten, so sehr wie derzeit vom monetären Erfolg abhängt?
Auf den Medientagen in München hielt der Journalist und langjährige Medienmanager Wolfgang Blau eine viel beachtete Keynote und sagte: „Journalismus muss der Wahrheit verpflichtet sein. Anders formuliert: Journalismus darf sich natürlich nicht vereinnahmen lassen.“
Ich würde mir wünschen, dass sich viele Medienschaffende darauf gerade jetzt besinnen.
Dieser Text war Teil meines wöchentlichen Newsletters – hier kannst du ihn abonnieren.
Mir fehlt es da an allen Ecken und Enden an Differenziertheit. Ich halte die Rede von vierter Gewalt für sowas wie Poesie, es besteht ja nicht tatsächlich eine Gewalt, die auch noch zu verteilen wäre, noch eine Gewaltform, die die Freiheit des Einzelnen seitens des Staates einschränken dürfte.
Was die Zeitungen von heute angeht, ich ziehe meine persönliche Erfahrung aus dem Bebloggen der Zeitung, die in meiner Heimatstadt erscheint. Und da ist „Der Journalismus darf sich nicht vereinnehmen lassen“ und „Der Journalismus muss der Wahrheit verpflichtet sein“ nicht etwas, was gleichbedeutend wäre.
Lokal wird nichts mehr kritisiert, dass sich aus wirtschaftlicher Sicht negativ für die Zeitung auswirkte. Man bleibt der Wahrheit verpflichtet, man schreibt halt nur nicht mehr über 90% politischer Dinge. Zwischendurch hat das zu inhaltlich frei erfundenen Stücken geführt, zu denen nie Stellung genommen wurde, weil es Wahrheit hätte sein können.
Ich weiß nicht, ob das bundesweit nicht ähnlich läuft. Die FAZ ist brechend voll von Artikeln, wo immer nur irgendwer seine Meinung kundtut. Recherchen finden sich kaum noch. Was aber auch alles, wenn es monotematisch wird, maximal ein Overkill in der Berichterstattung gibt, aber eben auch nicht mehr in der Bevölkerung, deren Medienbeachtung sich eben auch seit Luhmann deutlich gewandelt hat.