Was wird 2022? New Work, anderes Führen, Debundling, Community und digitales Lernen
„The value of a prediction is in the act of making it, not the prediction itself.“ Ich mag, was Prognose-König Scott Galloway in seinem Neujahrsnewsletter geschrieben hat. Davon ausgehend fällt es auf jeden Fall leichter, auch in diesem Jahr ein paar Thesen herauszuhauen, die aus meiner Sicht das Jahr 2022 prägen werden.
Kurzer Rückblick auf das, was ich für 2021 vorhergesagt habe? Digitales Lernen war eines der Themen von 2021, das Thema Diversität war omnipräsent und ging durchaus auch über das reine Frauenzählen hinaus. Glücklicherweise hat sich in Politik, aber auch Wirtschaft ein bisschen was getan – zumindest die DAX-Vorstände sehen ja jetzt ein wenig „bunter“ aus. In Sachen Polarisierung hab ich leider ebenfalls recht gehabt und wenn wir sehen, wie selbstverständlich eine große Zahl an Unternehmen mittlerweile auf den unterschiedlichsten Kanälen kommunizieren, um ihre Zielgruppen zu erreichen, dann lag ich auch da ganz gut. Bei den Social-Media-Kanälen gehörten Linkedin, Tiktok und Instagram zu den großen Gewinnern, Telegram hat die Gemüter in Deutschland erhitzt. Aber: Über Purpose wurde viel geredet, aber die von mir erhofften Impulse, die über das Buzzword-Bingo hinausgegangen sind, ja, da wäre noch einiges gegangen.
Aber schauen wir mal auf das, was uns 2022 in Medien und Kommunikation erwartet.
1. New Work aber richtig – die Folgen des Arbeitnehmermarkts
Der Arbeitsmarkt ist im Wandel. Die Verlagerung des Machtgefüges hin zur Arbeitnehmerseite hat längst begonnen, in vielen Branchen ist sie weit fortgeschritten: Beschäftigte schauen, welche Unternehmen ihnen dabei helfen, ihren Lebensweg bestmöglich zu gestalten – im Einklang mit privaten Bedürfnissen und Zielen, aber auch fachlichen Interessen. Das Unternehmen muss zu ihnen passen, nicht umgekehrt. Wer unter New Work nur das Bereitstellen von Tischtennisplatten oder Kickertischen versteht, hat hier keine Chance. Befeuert durch die vergangenen Pandemiemonate und die damit einher gehende Entfremdung vieler Beschäftigter von ihren Arbeitgebern werden Firmen ihre Recruiting-Strategien überarbeiten und sich mit Unternehmenskulturthemen beschäftigen (müssen). Die Medienbranche wird diese Entwicklung besonders treffen, weil der Nachholbedarf hier am größten ist.
2. Lernen, lernen, lernen
Neue Trends, neue Technologien, andere Anforderungen durch gesellschaftliche Entwicklungen, Fachkräftemangel: Mehr denn je wird es 2022 darauf ankommen, in das eigene Personal zu investieren. Ich hoffe, dass ich den Satz „Oh, das ist unsere erste Weiterbildung seit 10 Jahren“ in diesem Jahr nicht mehr hören muss.
3. Neues Arbeiten heißt auch anders führen
Die komplexer werdende Welt und die damit einher gehenden Veränderungen erfordern Führungskräfte, die nicht nur fachliche Fähigkeiten haben. Empathie ist gefragt genauso wie zuhören erklären statt ansagen. Auch hier herrscht gerade in Medienunternehmen immer noch ein großer Nachholbedarf.
4. Beziehungen und Verbindungen stärken
Als ich im Sommer 2021 pandemiebedingt das erste Mal seit langem wieder nach Berlin gereist bin und mich dort mit vielen lieben Menschen zu treffen, habe ich gespürt, wie sehr mir das gefehlt hat. Und damit meine ich nicht, den zielgerichteten Austausch. Denn auch aus zufälligen Begegnungen, spontanen Gesprächen und zunächst sinnlos erscheinenden Albereien entsteht etwas. Und sei es nur das gute Gefühl, sich endlich mal wieder gesehen und gemeinsam gelacht zu haben.
5. Medien im Wandel: Zielgruppe im Fokus!
Wer im Digitalen Produkte entwickelt, weiß: Nur wenn das Produkt die Bedürfnisse der Zielgruppe bedient, wird es auch erfolgreich sein. Sprich: Ob Newsletter, Social-Media-Kanal, Podcast oder Webseite: Wer nicht FÜR die Zielgruppe konzipiert und publiziert, wird es schwer haben. Das heißt nicht, dass man nur noch das macht, was die Marktforschung ergibt oder dem Clickbait hinterherpubliziert, sondern in echten Dialog mit den Zielgruppen geht und Themen für und mit diesen Zielgruppen entwickelt. Kein neuer Trend, aber aufgrund der geringer werdenden Aufmerksamkeitsspanne, des ohnehin riesigen Angebots an Inhalten wird es 2022 noch wichtiger sein, hier das perfekte Angebot zu schaffen. Dafür hilfreich werden auch weiterhin Hype-Formate wie Newsletter oder Podcasts bleiben. Aber eben auch nur dann, wenn diese für und im besten Fall mit der Zielgruppe entwickelt werden.
6. Medien im Wandel: Nischisierung und Debundling
Daraus folgt: Wir werden noch mehr Angebote zu bestimmten Nischen- und Fachthemen, ob als Newsletter, Podcast oder Social-Media-Format. Ich glaube auch, dass 2022 noch mehr Autor*innen eigene Angebote mit und ohne dahinterstehende Medienmarke starten werden.
Laut Digital News Report 2021 liegt die Zahlungsbereitschaft für Nachrichtenangebote in Deutschland bei ungefähr zehn Prozent. Und obwohl wir in diesen Bereichen in den vergangenen Jahren ein starkes Wachstum gesehen haben, bin ich überzeugt, dass wir 2022 eine Abkehr vom One-size-fits-all-Prinzip bei den Digitalabos sehen werden. Ist es für eine kulturinteressierte Person nicht viel sinnvoller, ein Kulturabo der lokalen Medienmarke abzuschließen, mit dem er nicht Zugang zu Berichterstattung sondern auch gleich ein paar Tickets dazu bekommt?
7. Medien im Wandel: Individualisierung und Automatisierung
Einerseits sehen wir den Trend zur Personalisierung, andererseits die begrenzten personellen Ressourcen. Das bedeutet, dass sich Medienhäuser viel stärker damit beschäftigen müssen, wie die Erstellung und Distribution von Inhalten mit Hilfe von Technologie gestaltet werden kann.
8. Medien im Wandel: Wer in die Forschung investiert, wird vorne liegen
Mit Erschrecken habe ich gesehen, wie gering der Forschungs- und Entwicklungsausgaben in der Medienbranche sind: Gerade einmal 0,57 Prozent der Einnahmen. Über alle Branchen hinweg liegt der Schnitt bei 5 Prozent. Schon jetzt sehen wir, wie sich die Spreu vom Weizen derer trennt, die ihre Hausaufgaben langfristig angegangen sind und in die eigene Infrastruktur investiert haben.
9. Inhalt für die Community
Ich wiederhole mich kurz: Im Digitalen werden nur die Marken langfristig erfolgreich sein, denen es gelingt, echte Verbindungen zur Zielgruppe aufzubauen. Dafür notwendig: Investitionen in echtes Communitymanagement. Vor allem Social Media ist nicht nur Distribution, sondern echte Kommunikation. Und das hat auch Auswirkungen auf die Darstellungsform. Tiktok, Instagram und Co. zeigen in ihrer Strategie derzeit, dass Bewegtbild die Darstellungsform der Stunde zu sein scheint. Doch egal ob als Reel, Post oder textlastige Infografik: Nur die Kanäle finden ihr Publikum, die wertvolle Inhalte für ihre Zielgruppe schaffen. Scheint wie ein Nobrainer, hat sich aber leider noch immer nicht durchgesetzt. Noch immer wird an vielen Stellen immer noch vor allem eins: gesendet.
10. Digitales Lernen
Die Pandemie hatte eine richtig gute Sache: Die meisten Menschen haben den Schreck vor Online-Lernformaten verloren. Digitale Formate sind selbstverständlich. Präsenzformate werden zur Ausnahme.
Noch nicht genug? Dann hör dir doch die aktuelle Ausgabe des „Was mit Medien“-Podcasts an. Dort haben Podcast-Profi Daniel Fiene, ARD-Digitalexperte Dennis Horn, Herr Pähler und ich über Trends in der Medienbranche gesprochen.
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