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Seit einem Jahr bin ich meine eigene Chefin, Buchhalterin, Officemanagerin, Trainerin, Motivatorin. Vermutlich bringt so eine Selbstständigkeit noch viele weitere Jobbezeichnungen mit sich. Und weil ich so etwas gerne bei anderen lese, möchte ich heute mit dir teilen, was ich in diesem ersten Jahr des Freiberuflerdaseins gelernt habe.
1. Disziplin ist (fast) alles
Mir ist es noch nie sonderlich schwer gefallen, diszipliniert Dinge anzugehen, abzuarbeiten oder mich an Deadlines zu halten. Zwar gebe ich wie fast alle Journalistinnen und Journalisten am liebsten just-in-time ab, aber das ist dann auch in time und nicht zu spät. Natürlich würde ich mir von mir an der einen oder anderen Stelle noch ein bisschen mehr Weitblick wünschen, zum Beispiel an terminfreien Tagen wirklich mal ein bisschen an dem Workshop in drei Monaten herumzukonzeptionieren oder die Webseite endlich auf Vordermann zu bringen, aber hey: Wär es nicht tragisch, bereits im ersten Jahr total perfekt zu sein? Eben.
2. Das Zweifeln hört nie auf
Hast du einen Monat, in dem du jeden Abend bis halb eins Projekte abarbeitest, zweifelst du, ob das alles so richtig ist. Hast du einen Monat, in dem du mal ein bisschen Zeit zum Durchatmen hast, zweifelst du, ob das alles so richtig ist. Hast du ein Seminar, bei dem alles spitze läuft, zweifelst du, ob alles so richtig ist. Hast du ein Seminar mit herausfordernden Teilnehmern, zweifelst du, ob alles so richtig ist. Ich weiß, dass ich zu der Spezies Mensch gehöre, die sich ständig hinterfragt und das wird in der Selbstständigkeit per se nicht einfacher, weil sich viele Dinge auch recht kurzfristig ergeben. Gleichzeitig bist du letztendlich vor allem für dich selbst verantwortlich, jede Handlung musst du also vor allem vor dir selbst rechtfertigen. Im Angestelltenverhältnis ist da noch ein Chef, der Dinge hinterfragt, jetzt übernimmst du selbst diese Aufgabe. Gleichzeitig hängt ja auch viel davon ab: immerhin deine Zukunft.
3. Du bist viel unterwegs
Aus irgendeinem Grund bin ich davon ausgegangen, dass ich weniger unterwegs sein werde. War natürlich Quatsch. Meistbesuchte Städte: Köln und Hamburg, aber eben auch Stuttgart, Siegen, Dortmund, Aachen, Duisburg, Essen, Heide. Man kommt gut rum. Was ich für mich gelernt habe: Bei mehrtägigen „Ausflügen“ lieber ein Zimmer vor Ort nehmen – auch wenn die Entfernung ein Pendeln zulassen würde. Ich bin dann deutlich entspannter.
4. Und immer wieder das Thema Sicherheit
Nach sehr vielen Jahren in der Festanstellung ist es von Anfang an ein seltsames Gefühl, nicht so genau zu wissen, was du in einem halben Jahr machst. Ja oft sogar im nächsten Monat. Dieses Grübeln hat sich im Laufe des Jahres natürlich einigermaßen gelegt, weil ich mittlerweile auch feste Aufträge akquiriert habe, aber seltsam ist es doch oft immer noch. Gleichzeitig gehe ich davon aus, dass dieses Gefühl nie weggehen wird – wär ja auch wirtschaftlich betrachtet ungünstig. Und klar: Eine Anstellung wäre dafür auch keine Lösung, schließlich gibt es kaum eine Branche, in der es heute noch sichere Jobs gibt.
5. Du bist für dich verantwortlich
Natürlich gilt dieser Satz in jeder Lebenslage. Im beruflichen Kontext wälzen aber viele Menschen in Anstellung einen großen Teil der Verantwortung auf ihren Chef ab. „Der tut ja nix“, höre ich viele dann immer vorwurfsvoll sagen. „Du aber auch nicht“, antworte ich dann gerne.
Selbstständigkeit heißt in jeder Lage verantwortlich zu sein. Schlechte Tage haben? Schwierig. Neue Ideen finden? Ja, dann lass ich mir was einfallen. Das ist einerseits schön, andererseits aber auch nicht so einfach. Denn oft werden Ideen ja besser, wenn du sie vorher mal pitchst. Wenn du das Seminarkonzept mit jemanden durchsprechen kannst. Oder du mit jemanden gemeinsam überlegen kannst, welches Angebot für jenen Kunden am besten wäre und wie in kürzester Zeit der größte Nutzen entsteht. Am liebsten hätte ich da manchmal einen Gegenpart.
6. Halte die Augen offen
Vor welchen Herausforderungen steht ein Unternehmen gerade? Liegt die Lösung auf der Hand oder muss sie erst erarbeitet werden? Wird da gerade der richtige Mitarbeiter gesucht? Ich finde es extrem spannend, in Unternehmen hereinzugehen – meist mit einer bestimmten Fragestellung – und festzustellen, dass die Probleme eigentlich ganz woanders liegen. Weil das Gegenüber den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht. Eine vage Idee hat. Buzzwords aufgeschnappt wurden und man das jetzt auch so will. Oft war ich in solchen Fällen dann Content-Managerin, Journalistin, Organisationsberaterin und Coach in einem. Weil ich aufmerksam zuhöre, Fragen stelle und mich einbringe. Und aus einem Projekt plötzlich ganz andere entstehen können, ich Angebote entwickle und feststelle, dass es da draußen noch so viel zu tun gibt. Das ist toll, das gibt Kraft und motiviert.
7. Du arbeitest selbst und ständig
Ja, natürlich. Aber ich habe immer gerne gearbeitet und viel. Daran hat sich nichts geändert, nein, es ist vielleicht sogar ganz gut, weil sich gar nicht so viel geändert hat. Und weil ich für mich die Verantwortung trage, nehme ich mir Auszeiten. Bisher hat das ganz gut geklappt.
Mein persönliches Fazit
Was für ein Jahr! So vielseitig und abwechslungsreich. Ich habe in unterschiedlichste Branchen und Bereiche hineingeschnuppert, habe Dinge aufgebaut, Projekte abgeschlossen, war externer Impulsgeber und wenn gewünscht auch mal die Nervensäge. Ich habe neue Dinge gelernt, anderen Menschen Dinge beigebracht und mich weitergebildet. Ich habe Aufgaben abgegeben und bis tief in die Nacht gearbeitet, weil ich auch mal „Ja“ gesagt habe, obwohl eigentlich nix mehr ging, das Projekt aber so spannend war. Ich habe gelernt, auch mal „Nein“ zu sagen. Welchen Rat ich anderen gebe, die über den Schritt in die Selbstständigkeit nachdenken? Du musst es wirklich wollen (und vielleicht auch noch diese sieben Tipps meiner ehemaligen Kollegin Claudia Michalski beherzigen). Ich habe (bisher) noch keinen Grund gefunden, es nicht mehr zu wollen. Deshalb habe ich mir Ziele gesetzt – Dinge, die ich erreichen, lernen, ausprobieren will. Und darauf freue ich mich.