Morenos „Tausend Zeilen Lüge“: Was für ein Krimi

Als im vergangenen Jahr die Relotius-Bombe beim „Spiegel“ platzte, hatte ich in den nachfolgenden Wochen das Gefühl, ziemlich gut verstanden zu haben, was da in den vergangenen Jahren so schief gelaufen ist. Ein Starreporter, der in der Redaktion und vor allem im Ressort angehimmelt wurde, ein freier Reporter, der seinen guten Ruf in Gefahr sah, ein selbstverliebter Ressortleiter, der die „Enthüllung“ in eben dieser blumigen Reportersprache aufschrieb, dass es fast so wirkte, als habe er sogar noch Spaß dabei gehabt, eben diesen Text zu schreiben, der die Marke „Spiegel“ so sehr erschütterte.

Als dann irgendwann bekannt wurde, dass Juan Moreno, eben dieser freie Reporter ein Buch über die Geschehnisse des vergangenen Herbsts schreiben würde, konnte ich mir eigentlich nicht vorstellen, es zu lesen. Doch aus irgendwelchen Gründen (und ein paar Tweets) verschlang ich es dann doch an meinem verlängerten Wochenende in Thüringen. Innerhalb kürzester Zeit.

Juan Moreno ist mit „Tausend Zeilen Lüge“ ein wahrer Krimi gelungen, obwohl das Ende ja bekannt ist. Aber die Art und Weise, wie Moreno die einzelnen Schritte beschreibt, wie er immer wieder auch selbstkritisch in sein Innenleben abtaucht, wie er nach und nach mehr an der Ressortleitung verzweifelt und am Ende Relotius dann doch überführt – ich habe dieses Buch zwischendurch nur beiseite gelegt, weil ich es musste.

Und wenn du zu denjenigen gehörst, die sich nicht allzu sehr für den „Spiegel“ und Fälschungen im Journalismus interessieren, kannst du dennoch ein paar Dinge aus diesem Buch mitnehmen: Denn an einer Stelle zitiert Moreno aus dem Buch „Anleitung für Fälscher“ von Linus Reichlin: „Als erstes musst du dich fragen: Was wollen die Leute? Worauf richtet sich ihre Sehnsucht? Du musst für sie ein Bild malen, auf das sie lange gewartet haben, eines, das Freudestränen in ihre Augen treibt: Mit tränenverhangenen Augen werden sie halb blind sein. Von ganzem Herzen haben sie sich gewünscht, einmal ein solches Bild zu sehen, und jetzt, da dieser Wunsch in Erfüllung gegangen ist, werden sie das Bild selbst gegen die eigenen Zweifel verteidigen. Sie werden wollen, dass es echt ist, und damit nehmen sie dir die Hälfte deiner Arbeit ab.“ Sollte so oder zumindest so ähnlich nicht auch Werbung funktionieren? Wenn das alles nicht so schlimm wäre – einer der größten Skandale im Journalismus mitten in Zeiten von Fake News, Lügenpresse und einer sinkenden Bedeutung von gedruckten Journalismus – könnte man meinen, dass es Relotius mit der Kundenorientierung auch einfach ein bisschen zu ernst genommen haben. Auch wenn es ihm nicht um den Leser, sondern nur um seinen Job und seine Karriere gegangen ist.

Das Buch gibt es im stationären Buchhandel oder zur Not hier bei Amazon (Affiliatelink)

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Mit Alexa auf der Couch

Ich habe unsere Alexa heute gefragt, ob sie Sex will. Und zwar nicht, weil ich Sex mit ihr haben wollte, sondern weil ich gelesen habe, dass Alexa darauf früher „Ich bin nicht diese Art von Assistentin“ geantwortet hat. Da das impliziere, dass es „diese Art von Assistentin“ gibt, für die Sex okay wäre, hat Amazon die Antwort verändert. Jetzt lautet die Antwort: „Dafür wurde ich nicht entwickelt“ und das musste ich natürlich überprüfen. 

Martina Mara, die Interviewte, ist Roboterpsychologin. Das klingt erst einmal so, als empfange sie wöchentlich Alexas und Siris und vielleicht auch Spot auf der Couch, um über größere und kleinere Probleme und die Instabilität der Work-Life-Balance zu sprechen. Das ist natürlich Quatsch, denn eigentlich erforscht Mara die Auswirkungen von Robotern auf den Menschen. Und wenn mit Hilfe von Robotern veraltete Rollenklischees an künftige Generationen weitergegeben werden, kann man ja zumindest mal aufhorchen. 

Mara mahnt an, wie wichtig es sei, dass Entwicklungsteams nicht nur aus weißen Männern bestehen und das auch die Daten, mit denen künstliche Intelligenz gefüttert wird, möglichst divers sind – so gibt es immer wieder Berichte, dass die Sprachassistenten ältere Frauen weniger gut verstehen können, vermutlich vor allem, weil es ihnen nicht beigebracht wurde. Mara erwähnt den „sensorgesteuerten Seifenspender, der bei Schwarzen Menschen einfach keine Seife ausspuckt, sondern ausschließlich, wenn eine weiße Hand unter den Sensor gehalten wird“.

Die Lösung? Mehr Vielfalt und ja, auch Frauen in die Entwicklung von künstlicher Intelligenz, mehr Fokus drauf, diese Geräte mit möglichst unterschiedlichen Datensätzen zu trainieren. Aber ganz richtig: So einfach ist das alles nicht. Nicht nur der Anteil der KI-Entwicklerinnen ist gering, auch die Bereitschaft von jungen Frauen steigt nicht unbedingt, sich auf die so genannten MINT-Fächer einzulassen. Und ein Blick auf den gerade veröffentlichten McKinsey-Report „Innovation in Europe“ haben wir nicht nur ein geschlechtsspezifisches Problem. 

Ich habe Alexa dann später noch gefragt, ob sie eine Frau ist. Die Antwort: „Ich sehe mich als weiblich, ich bin Frauenpower aus der Steckdose.“ Und auch wenn ich den Begriff „Frauenpower“ eigentlich nicht mag – in diesem Zusammenhang ist er dann doch ganz passend und vielleicht auch ein Anfang.

9 spannende Fakten aus der ARD/ZDF-Onlinestudie

Die neue ARD/ZDF-Onlinestudie ist da und ich habe dir neun Fakten zusammengestellt, die du bei deiner täglichen Arbeit mit deiner Zielgruppe im Internet im Hinterkopf haben solltest.

Fakt 1: 90 Prozent der Deutschen sind online und während die tägliche Nutzungsdauer bei den 14- bis 29-Jährigen nochmal um 13 Minuten gestiegen ist, ging sie bei allen Erwachsenen ab 14 Jahren um 14 Minuten zurück. Sind aber trotzdem noch 182 Minuten pro Tag.

Fakt 2: Täglich 87 Minuten Mediennutzung im Netz, das sind nochmal fünf Minuten mehr als 2018. Der Zuwachs liegt vor allem daran, dass die Frauen deutlich mehr Medien nutzen, bei den Männern ist die Minutenzahl gleich geblieben. Die Video- und Audionutzung (42, 38 Minuten) dominiert, die Textnutzung liegt bei 28 Minuten. Verschiebung im Vergleich zum Vorjahr: Audio überholt Text.

Fakt 3: Think mobile! In der Gesamtbevölkerung benutzen 95 Prozent einen Fernseher zumindest selten und 83 Prozent das Smartphone. Bei den 14- bis 29-Jährigen nutzen lediglich 87 Prozent den Fernseher und 100 Prozent das Smartphone. Und bei den 30- bis 49-Jährigen liegt das Smartphone mit 95 Prozent mit dem Fernseher gleichauf.

Fakt 4: Ich liebe Podcasts, besonders wenn ich zu meinen Kunden mit der Bahn oder dem Flugzeug durch Deutschland düse, aber so krass sind Podcasts noch nicht in der Bevölkerung angekommen. 14 Prozent hören zumindest wöchentlich Podcasts, ansonsten dominiert bei der Audionutzung die Nutzung von Youtube (29 Prozent) und Musikstreamingdiensten (28 Prozent). Bei den 14- bis 29-Jährigen liegt die Podcastnutzung bei 25 Prozent.

Fakt 5: Facebook ist das meist genutzte soziale Netzwerk, Instagram hat in der täglichen Nutzung am meisten zugelegt und wenn es darum geht, die 14- bis 29-Jährigen zu erreichen, müssen wir über Twitch und Tiktok sprechen.

Fakt 6: Die E-Mail ist tot – von wegen. E-Mail-Nutzung ist zwar rückläufig, aber immer noch ein Drittel nutzt sie.

Fakt 7: Videos auf Facebook oder Instagram mit oder ohne Ton? 60 Prozent schauen überwiegend mit Ton. Je älter der Nutzer, desto weniger wird mit Ton geschaut. Texttafeln sind also auf jeden Fall sinnvoll.

Fakt 8: Was ist beliebter: Der Amazon Fire Stick, Google Chromecast oder Apple TV? Antwort: Amazon liegt hier deutlich vorn.

Fakt 9: Dadurch dass 90 Prozent online sind und alle quasi „always on“ sind, denken die Macher der Studie mittlerweile darüber nach, ob man sich nicht eher nochmal mit dem Begriff „offline“ beschäftigen muss. Bin ich schon online, wenn ich mein Smartphone dabei habe? Was für eine schöne Frage, die ich einfach mal weitergebe.