Buzzard möchte mehr Perspektivenvielfalt im Journalismus

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„Die Demokratie ist in Gefahr“ – was für ein Satz. Der scharfe Ton lässt sich erklären: Er stammt von dem journalistischen Start-up „Buzzard“, dass, wenn alles gut geht, im Frühjahr 2020 an den Start gehen soll. Ziel: Ein Medium, das schnell und übersichtlich einen Überblick über die unterschiedlichsten Perspektiven auf ein Thema rüberbringen soll.
Journalistische Start-ups haben es nicht so leicht, an Geld zu kommen, denn auch das Geld verdienen ist im Netz bekanntlich nicht ganz so einfach. Deshalb hat Buzzard einen anderen Weg gewählt, um ihre journalistische Tätigkeit und ihr Produkt zu finanzieren: ein Crowdfunding. Warum und wozu die Welt „Buzzard“ braucht – diese und ein weitere Fragen hat mir Moritz Fehrle aus dem Redaktionsteam beantwortet.

Warum braucht die Welt Buzzard?

Der Diskurs in Deutschland wird immer radikaler. Die Gesellschaft ist in Lager gespalten, die Auseinandersetzung ist polarisiert und die Stimmung im Netz ist vergiftet. Das hat auch mit dem Medienkonsum zu tun. Menschen schotten sich ab, viele konsumieren Medien, die ihre Weltsicht bestärken. Algorithmen tun ihr Übriges. Wir stellen dem ein Online-Medium mit einem ganz neuen Konzept entgegen: ein Mal pro Tag liefern wir Meinungen zu den Nachrichten und Debatten des Tages. Gesammelt aus der ganzen Medienlandschaft: von Blogs, alternativen Medien und etablierten
Medienhäusern. Von links bis rechts, von liberal bis ökologisch, verlinkt, zusammengefasst, journalistisch eingeordnet – und mit Hintergrundinfos zu den Originalautoren Natürlich gibt es dabei Grenzen: Extremismus, egal von welcher politischen Seite, bringt kein Gespräch voran und hat bei Buzzard nichts verloren.
Wir haben eine Redaktion, die diese Medienperspektiven einordnet, Hintergrundinformationen recherchiert und Leseempfehlungen gibt. Durch Buzzard kommen Nutzer*innen im Alltag wieder öfter mit anderen Meinungen in Berührung, können sich frei und unabhängig eine Meinung bilden und finden spannende Reportagen, Videobeiträge und Interviews in der täglichen Informationsflut.
Wir haben das Projekt gestartet mit der Hoffnung, dass wir dazu beitragen können, dass Leute sich differenzierter auseinandersetzen. Denn ich muss die Haltung meines Gegenübers nicht gut oder richtig finden, aber wenn ich mich mit seiner Weltsicht und seinen Argumenten auseinandersetze, kann ich ihm viel reflektierter und offener entgegentreten. Unser Ziel ist es, dass man sich konstruktiv mit Andersdenkenden austauscht, anstatt sie zum Schweigen bringen zu wollen und dass man es sich angewöhnt, Verständnis zu entwickeln – auch für Positionen abseits der eigenen Blase. Wir wollen damit Radikalisierung bekämpfen und Demokratie stärken.

Aus welchem Grund sammelt ihr Geld für euer Projekt per Crowdfunding?
Weil wir nur so unsere Vision eines unabhängigen, partizipativen und werbefreien Journalismus umsetzen können. Wenn Journalismus durch Werbeeinnahmen finanziert wird, zählen Klickzahlen oftmals mehr als die Qualität der Inhalte. Wir wollen weder bei Medienhypes mitmachen, noch Click-Baiting betreiben. Deshalb setzen wir auf werbefreien und mitgliederfinanzierten Journalismus. Und wir wollen eng mit unseren Unterstützer*innen zusammen arbeiten. Buzzard Unterstützer*innen sind für fünf Euro im Monat Gründungsmitglieder. Sie können nicht nur alle Inhalte lesen, sondern auch mitbestimmen über Themensetzung und Perspektivenwahl, Auswahlkriterien und Recherchen. Wenn wir es schaffen, innerhalb eines Monats 4500 Unterstützer*innen unserer Vision zu sammeln, dann wird Buzzard im nächsten Jahr an den Start gehen.


Habt ihr versucht, auch auf anderen Wegen an Geld zu kommen?

Unsere erste Version von Buzzard, die bis Ende August lief, wurde neben unseren Abonnent*innen zusätzlich durch Kooperationen und Preisgelder finanziert. Sie war aber auch darüber hinaus von ehrenamtlichem Engagement unserer Redakteur*innen getragen. Auf Dauer ist das natürlich keine Lösung. Hochqualitative Recherchen sind Arbeit und kosten Geld. Außerdem können wir unserer Vision nur gerecht werden, wenn wir wirklich viele Menschen erreichen. Auch dafür brauchen wir Budget. Gemeinsam mit 4500 Gründungsmitgliedern können wird das bereitstellen und ermöglichen, dass Buzzard als neue Medienplattform 2020 richtig gut arbeiten kann.

Weshalb muss es eine App sein, hätte man das nicht auch mit einer smarten Webseite lösen können?

Buzzard wir sowohl als App als auch als Website gelauncht. Je nach Bedarf können Nutzer*innen Buzzard entweder auf Handy oder auf Desktop nutzen. Die App ist wichtig, weil das fürs Handy einfach deutlich angenehmer ist als eine mobil optimierte Seite. Und das ist uns sehr wichtig: Dass Buzzard so designt ist, dass man es wirklich gerne und viel im Alltag nutzen kann. Auch wer nur ganz wenig Zeit hat, kann unser Angebot schnell auf dem Weg zur Arbeit in der Bahn checken. Einmal am Tag den differenzierten Überblick über die Welt der Medienperspektiven haben. Noch bequemer kommt man nicht aus der eigenen Medienblase.

Einerseits prangert ihr den immer schlechter werdenden Diskurs an, andererseits soll die Buzzard-App erst im Frühjahr an den Start gehen. Braucht es nicht jetzt schon ein Angebot?

Klar. Es ist wichtig, dass es Buzzard gibt. Je früher, desto besser. Aber unter den aktuellen Umständen können wir erst ab Frühjahr 2020. Wir brauchen Budget, um eine Tagesredaktion zu bezahlen, wir brauchen Gelder für Design und Entwicklung und wir brauchen eine große Community an Gleichgesinnten, mit denen wir den Grundstein legen für eine neue, unparteiische, partizipative Medienplattform – für die es bisher weltweit kein Vorläufer gibt. Deshalb müssen wir erst die Crowdfunding-Kampagne erfolgreich machen, bevor wir an den Start gehen können. Nach Erfolg der Kampagne geht die Arbeit dann richtig los.

Der Übergang von einer wöchentlich kuratierten Debattenübersicht zu einem Tagesjournalismus zu schaffen, wird sicherlich nicht einfach und wir wollen topvorbereitet an den Start gehen. Voraussichtlich ist das vor März leider nicht zu schaffen. Auch wir würden am liebsten gleich nach dem Crowdfunding loslegen, müssen uns aber in Geduld üben.

Wie wollt ihr eure Unterstützer bis Frühjahr bei der Stange halten?

Die Jahresabos der Mitglieder starten erst, wenn die App online ist. Unsere Gründungsmitglieder „verlieren“ also keine Zeit. Sie bezahlen nur die Monate, für die sie auch Inhalte bekommen und alle bekommen das volle Jahr Buzzard, wenn die Kampagne erfolgreich war. Das ist unser Versprechen. In der Zeit bis zum Frühjahr bekommen unsere Mitglieder regelmäßige Updates, wie wir
die Neuausrichtung gestalten, wie der Umbau läuft. Mitglieder sind Teil dieses Wandels, sie bekommen Einblicke hinter die Kulissen, können eigene Ideen mit einfließen lassen und uns kritisch begleiten.

Zum CrowdfundingHintergrund beim Deutschlandfunk

Finanzblog-Awards, Finanz-Heldinnen-Podcast und ein paar Gedanken zum Daimler-Blog

Vergangene Woche kündigte Daimler an, sein Unternehmensblog zu schließen und in einem Magazin aufgehen zu lassen und seitdem wird spekuliert, ob die Zeit der klassischen Blogs oder gar der Corporate Blogs nun vorbei sei. Gleichzeitig verleiht die comdirect in dieser Woche bereits zum neunten Mal die Finanzblogawards. 72 Blogs haben meine Jurykollegen und ich uns in diesem Jahr angeschaut – seit 2017 bin ich dort Juryvorsitzende – und wieder einmal bin ich überzeugt, dass Blogs trotz des stetig wiederkehrenden Abgesangs ihre Daseinsberechtigung haben und nichts an Faszination verloren haben. Gerade in den vergangenen Jahren hat sich in der „Finanzblogszene“ sehr viel getan. Die Themenvielfalt wurde breiter, die Inhalte professioneller und es ist schön anzusehen, dass sich auch die so genannten „alten Hasen“ wie beispielsweise der Finanzrocker weiterentwickeln. Wer in diese Welt eintauchen möchte, dem empfehle ich einen Blick in die Shortlist.

Und natürlich habe ich mich im Zuge dessen auch mit der Frage beschäftigt, was für mich eigentlich ein gutes (Finanz-) Blog ausmacht. Diese fünf Punkte sind für mich elementar:

Erstens: Ein gutes Oberthema, das ich sofort verstehe und ein ansprechender Name. Ein Kopf hinter dem Blog, der auch sichtbar wird.
Zweitens: Gute Inhalte – ja ich sage das so neutral, weil Inhalte natürlich Texte, Videos, Fotos, Grafiken oder eine Kombination aus all dem sein können. Inhalte, die mir einen Mehrwert bieten. Was ich darunter verstehe: Ich möchte etwas lernen, ich möchte inspiriert werden, ich möchte unterhalten werden, ich möchte, dass der Inhalt ein Problem löst.
Drittens: Eine einfache, verständliche Sprache ohne Fach-Geschwurbel und Wichtigtuerei.
Viertens: Eine ansprechende Gestaltung, responsiv versteht sich!
Fünftens: Eine Community oder zumindest – gerade bei jungen Projekten: der Wille zur Community. Für mich sind Blogs Kommunikationsplattformen und auch wenn sich die Kommunikation auf andere Netzwerke verlagert – man hat ja dennoch jede Menge Möglichkeiten, Verbindungen herzustellen. In den guten Blogs sind die Diskussionen, die sich unter einem Inhalt entspannen, ebenso wertvoll wie der Inhalt selbst.
Sechstens: HERZ!

Wer übrigens eine Langversion davon haben möchte: Ich war diese Woche auch im Finanz-Heldinnen-Podcast „Schwungmasse“ und habe mit Kathrin Jürgens genau darüber gesprochen!

Zum Schluss noch ein Satz zum Thema Corporate Blogs: Sie sind ein gutes Kommunikationsinstrument, aber es gibt eben auch viele andere gute Wege mit Zielgruppen ins Gespräch zu kommen und sie kommunikativ und im besten Fall auch darüber hinaus zu binden. Finde deinen Weg. Und wenn du dabei Hilfe brauchst, melde dich bei mir.

(Dieser Text erschien in abgewandelter Form in meinem wöchentlichen Newsletter, den du hier abonnieren kannst.)

Keine Mauern, bitte

Seit der Thüringen-Wahl mir ein Tweet nicht mehr aus dem Kopf: „Ihr erinnert Euch an die Diskussion um die No Go-Areas. Thüringen ist seit heute so ein Ort.“ Der Tweet wurde am Sonntagabend als Reaktion auf das Wahlergebnis geschrieben. 31 Prozent der Thüringer wählten die Linke, 23,4 Prozent AfD, 21,8 Prozent CDU, 8,2 Prozent SPD, 5,2 Prozent Grün und 5 Prozent FDP. Und natürlich ist es krass, dass die AfD knapp ein Viertel der Stimmen erhalten hat. Doch liegt die Lösung in der Abgrenzung, im Nicht-Dialog? Da könnte man ja gleich wieder eine Mauer bauen.

Diese Verweigerungshaltung erleben wir derzeit nicht nur bei politischen Fragen. Fleischesser, Vielflieger, Mütter, die Vollzeit arbeiten oder zuhause bleiben, alte Männer, Vermietende, um nur einige zu nennen – sie alle werden zunehmend offen angefeindet, Thomas Knüwer spricht gar vom aufkeimenden Lebensstil-Terrorismus.

Und natürlich spielen die Mechanismen der Social-Media-Plattformen in dieser Entwicklung keine unerhebliche Rolle. Dadurch dass es sich viele in ihrer kuscheligen Meinungsblase gemütlich machen, sinkt die Toleranz gegenüber Andersdenkenden, die Auseinandersetzung wird zunehmend müßiger, Bestätigung ist schöner und weniger anstrengend.

Interessanterweise äußerte sich in dieser Woche auch Barack Obama zur Debattenkultur: „One danger I see among young people particularly on college campuses […] – and this is accelerated by social media – there is this sense sometimes of ‚the way of me making change is to be as judgmental as possible about other people and that’s enough. (…) You know, that’s not activism. That’s not bringing about change. If all you’re doing is casting stones, you’re probably not going to get that far.“

Eigentlich wissen wir doch, dass Steine werfen oder Mauern bauen keine guten Ideen sind.

(Dieser Text ist in abgewandelter Form bereits in meinem wöchentlichen Newsletter erschienen, den du hier abonnieren kannst.)