Ciao oder eine Anleitung zur perfekten Empörung auf Twitter

„Euer Ernst, @diezeitung?“, „Einfach nur asozial“, „Das ist ein Schlag in die Fresse von Feministinnen, und falls ihr euch fragt, wie misogyn und erbärmlich männliche Journalisten noch werden können, Hans Benedek zeigt es eindrucksvoll“. Das sind nur drei von insgesamt 61 Tweets, die die Autorin Johanna Adorján in ihrem Buch „Ciao“ verfasst hat. Sie beschreiben den Shitstorm, der den in die Jahre gekommenen Feuilleton-Redakteur Hans Benedek trifft. Jeder einzelne dort abgedruckte Tweet ist so auf den Punkt formuliert – wie man Empörung über alte, weiße Männer und Redaktionen eben nur auf Twitter findet. Falls du also mal Inspiration für Beschimpfungen suchst – das Buch ist die perfekte Quelle.

„Ciao“ ist eine Mediensatire: Kulturredakteur merkt nicht, dass er den aktuellen Zeitgeist nicht mehr trifft, obwohl er sich redlich bemüht und sich sogar regelmäßig mit Instagram-Stars trifft. Und dann wird ihm auch noch eine Chefin vor die Nase gesetzt, die plötzlich Spesenabrechnungen nicht mehr durchgehen lässt. Kein Wunder, dass sein Vorhaben, eine 24-jährige Feministin zu porträtieren, gehörig schief geht.

Adorján wirft einige der Fragen auf, über die so oder ähnlich aktuell diskutiert wird: Wie halten mit dem Gendern? Wie umgehen mit Veganern in der Familie? Darf jeder zu allem eine Meinung haben und dürfen alte Männer junge Feministinnen porträtieren? Passen Twerken und Feminismus zusammen? Und warum muss ein Kulturredakteur allen Ernstes in die Onlineredaktion „abgeschoben“ werden? Haben wir noch 2016 oder wie?

Vielleicht hast du demnächst ein bisschen Zeit, um mit „Ciao“ in den Medienbetrieb abzutauchen (Buch bitte beim Buchhändler um die Ecke kaufen!). Und wenn du Antworten auf die oben genannten Fragen gefunden hast und drüber reden magst, lass es mich wissen.

(Diese oder ähnliche Buchempfehlungen gibt es immer wieder auch in meinem Newsletter. Hier kannst du ihn abonnieren.)

„Kill your Darlings“ – kannst du dich von deinen Lieblingen trennen?

Nach gerade einmal acht Monaten ist Schluss: Fleets, die Twitter-Variante von Instastories, wurde wieder abgeschaltet. Gerade einmal acht Monate hat Twitter Fleets gegeben und gehofft mit diesem niederschwelligen Feature die Menschen dazu zu animieren, ihre Gedanken zu äußern. „We hoped Fleets would help more people feel comfortable joining the conversation on Twitter.“ Hat nicht funktioniert. Am 3. August wurde die Funktion abgeschaltet.

Das ist aus verschiedenen Gründen recht erstaunlich. Zum einen wundert es mich, dass Twitter nicht erst einmal versucht hat, das Feature zu verbessern, weitere Funktionalitäten hinzuzufügen oder es stärker in den „Markt“ zu drücken. Andere Netzwerke gehen damit ganz anders um: siehe Instagrams Bemühungen, Reels zu etablieren. Fleets müssen ein derart großer Flop gewesen sein, dass die Entwickler keine Hoffnung gehabt haben, das Ruder noch herumreißen zu können.

Es zeigt außerdem: Der Launch neuer Funktionen sorgt nicht unbedingt für neue Nutzergruppen. Nur weil man ein Feature kopiert und integriert, heißt das noch lange nicht, dass Nutzerinnen und Nutzer ihre Gewohnheiten verändern.

Und noch eine Sache zeigt die Rolle rückwärts von Twitter, die Heiko Scherer auf Twitter ziemlich gut auf den Punkt gebracht hat: „Rolling back #Fleets just shows how good @Twitter product development became – not just adding stuff but killing it rather sooner than later is a real skill.“

Kill your darlings – das Prinzip, das die einen sicherlich vom Schreiben kennen – von US-Schriftsteller Stephen King stammt folgendes treffendes Zitat: „Kill your darlings, kill your darlings, even when it breaks your egocentric little scribbler’s heart, kill your darlings.“ Ich bewundere beispielsweise mit welcher Konsequenz die Autorin Juli Zeh mit ihren eigenem Werk umgehen kann, wenn es darum geht, es veröffentlichungstauglich aufzubereiten (Im Hotel-Matze-Podcast erzählt sie es sehr anschaulich).

Die anderen kennen die Kill-your-Darlings-Methode vermutlich aus dem Innovationsmanagement. Ideen sollen rational bewertet und dann auch schonungslos aussortiert werden, egal, wie lieb gewonnen man die jeweilige Idee hat. Dabei helfen folgende Fragen: Warum ist die Idee sinnvoll? Wie kann sie umgesetzt werden und wie trägt sie dazu bei, meine Ziele zu erreichen? Hat die Idee nach einer bestimmten Zeit die gesetzten Ziele erfüllt?

Egal woher: Die eigenen Projekte, lieb gewonnene Gewohnheiten – es kann sinnvoll sein, diese und die eigenen Handlungen von Zeit zu Zeit zu hinterfragen und so objektiv wie möglich zu bewerten. In einigen Fällen kann dabei auch eine dritte Person helfen. Von welchen „Darlings“ hast du dich zuletzt getrennt?

(Dieser Text erschien zuerst in abgewandelter Form in meinem Newsletter. Hier kannst du ihn abonnieren.)

Emojis in der professionellen Kommunikation?

Neulich im Workshop. Kunde: „Wir diskutieren ja immer, ob wir Emojis in unseren Posts auf Linkedin verwenden sollten. Was sagst du denn dazu?“ Argumente dagegen sind schnell gefunden. Das passt nicht zu unserer Marke. Emojis sind doof. Und überhaupt nerven sie doch schon in persönlichen Whatsapp-Gruppen.

Aber so einfach ist es aus meiner Sicht nicht. Denn: Wer nur von sich ausgeht und nicht schaut, wie die jeweilige Zielgruppe tickt, sorgt schon einmal dafür, sehr viele Chancen nicht zu nutzen. Und wer nicht darauf achtet, welche Sprache in dem jeweiligen Netzwerk gesprochen wird – tja, der wird eben auch nicht glücklich werden. Zumal: Emoji ist ja nicht gleich Emoji. Denn es müssen ja nicht gleich die Äffchen, Katzen und lachenden Smilies sein – es gibt ja auch diejenigen, die beispielsweise ein Thema optisch verdeutlichen können, ohne albern zu wirken.

Richtig eingesetzt sehe ich folgende Vorteile im Einsatz von Emojis: Sie können durch das Setzen von optischen Ankern die Aufmerksamkeit für einen Post erhöhen, so dass auch das Engagement mit dem Post steigt. Dazu gibt es auch einige Studien, die das belegen. Sie können helfen, dem Post eine Struktur zu geben, zum Beispiel bei Aufzählungen. Sie können eine Marke vermenschlichen und wir alle wissen, dass wir uns gerade auf Social Media eher mit Personen verbinden. Und sie können Emotionen übertragen, die du mit Worten oft gar nicht so gut erzeugen kannst.

Und in diesem Zusammenhang spannend: Wirf doch mal einen Blick auf das Social-Media-Radar vom Tagesspiegel zur Bundestagswahl – dort wird unter anderem auch analysiert, welche Emojis die jeweiligen Spitzenkandidaten am häufigsten verwenden – und welche in der Berichterstattung über die Kandidaten verwendet werden.

Man sieht ganz gut, welche politische Agenda die Spitzenkandidat*innen verfolgen – der eine staatsmännisch, die anderen erfolgsorientiert. Bin gespannt, wie sich das in den kommenden Wochen noch verändern wird.

Spannend in diesem Zusammenhang ebenfalls: die Verwendung von Hashtags. Während Laschet mittlerweile eher inhaltlich auswählt, nutzen beispielsweise Baerbock und ihr Team eher allgemeine Hashtags, die wenig über die eigene Positionierung aussagen.

(Dieser Text ist leicht abgewandelt zuerst in meinem Newsletter erschienen. Hier kannst du ihn abonnieren.)