Im Test: Das eMag der Wams

Keine Frage: Es ist schön, wirklich. Und verspielt und sehr gut gestylt. Immer wieder anders gelayoutet. Mal steht der Text links, mal rechts, mal zieht er sich über den gesamten Platz. Es gibt aufwändige Grafiken, es ist verspielt und multimedial – lesen, hören, gucken. Die tolle Audio-Slideshow zu Uli Hoeneß‘ Lebensrettung, das etwas peinliche, weil so gewollt lustige Video über Jan Weiler, das coole Eintauchen in die Unterwasserwelt des Hais. Mich stört ein wenig, dass Adriano Sack seine eigentlich sehr guten Videos so lustlos betextet, aber grundsätzlich macht das eMag der „Welt am Sonntag“ Spaß.

Im kommenden Jahr soll das eMag einmal im Monat erscheinen. Das ist eigentlich ungewöhnlich, weil so uninternetig und unwamsig, die ja eher so einmal die Woche erscheint. Andererseits heißt das ganze ja eMag – also ein elektronisches Magazin. Und die kommen zumindest auf Papier oft einmal im Monat heraus. Es ist nicht so, dass die Themen besonders einzigartig sind, einzigartig ist eher die Art der Aufbereitung. Denn die Macher nutzen das Internet in all seinen zur Verfügung stehenden Facetten: multimedial, verspielt und mit hohen Investitionen in deren Umsetzung.

Ob Kunden dafür Geld ausgeben werden? Ich versuche es mal mit einer Annäherung. Ich gebe im Internet kein Geld für Nachrichten aus. Warum auch, ich bekomme sie überall umsonst. Genauso wie ich schöne, gut durchdachte Geschichten, aber auch Videos mit nachrichtlichem Hintergrund kostenlos bekomme. Ich muss für die guten sicherlich eine Weile suchen, aber wenn ich sie nicht finde, schaue ich diese halt im TV. Ich gebe Geld für Printmagazine aus. Die lese ich dann im Zug, auf dem Sofa, im Bett oder einem schönen Café. Aber gebe ich auch Geld für etwas hauptsächlich Schönes im Internet aus? Iphone-kompatibel ist das ganze bisher nicht: Nehme ich nun zukünftig an einem Sonntag meinen Laptop mit ins Café (manche lesen Zeitschriften ja auch auf dem Klo, sagt man)?

Würde ich also für ein solches eMag Geld ausgeben? Trotz all der Schönheit: eigentlich nicht.

Zeitschriften im Test: Beef!

Ich weiß gar nicht, warum ich eigentlich nie Kochzeitschriften lese. Irgendwas ist da, dass mich nicht besonders anmacht. Die Tatsache, ohnehin nicht alles nachzukochen? Keine Ahnung. Was ich aber nach der Lektüre von Beef! weiß: Kochzeitschriften können toll sein.

Zu allererst die Optik und Haptik. Festes Papier. Ein wirklich tolles und aufwändiges Cover. Die Fotos. Und Fotostrecken. Hochwertig, kreativ, ich finde nichts, worüber ich meckern könnte.

Die Themen. Ich habe wirklich viel gelesen. Wie man ein Kaninchen zerlegt, der große Steak-Test, ja sogar, wie man die perfekte Tomatensoße macht (natürlich nur, um mich zu vergewissern, dass ich die perfekte Tomatensoße mache, wie man Frikadellen zubereitet. Die Weinkunde war mir zu viel, die hab ich mir für andermal aufgehoben.

Ich schwärme nur und ich weiß gar nicht so recht warum. Weil diese Zeitschrift nicht oberflächlich ist, sondern mit einfachen Bildern und guten Grafiken Dinge erklärt, die man woanders nicht so schön erklärt bekommt. Das haben die Macher von Beef! wirklich drauf. Vielleicht schwärme ich auch von diesem Magazin, weil ich bestimmte Dinge, die mich vermutlich nur aufgeregt hätten, rigoros überblättert habe. Diese Männerkochklub-Geschichte – puh. Überrascht hat mich hingegen das Interview mit Gastronomie-Historiker Alain Drouard, dass die Redaktion mit der Frage „Kann man eine Frau ins Bett kochen?“ auf dem Titel verkauft und hinter dem ich Schlimmes vermute. Aber nein, dieses Interview ist interessant, aufschlussreich, weil man viel über Essen in Frankreich und Trüffel erfährt. Die peinliche Frage beantwortet Drouard am Ende des Gesprächs höchst sachlich. Gerettet.

Und bevor ich jetzt doch noch diese Männerkochklub-Geschichte lese, und mich dann ärgere, lege ich Beef! beiseite. Es ist ein schönes Magazin. Für den stolzen Preis von 9,80 Euro. Und trotzdem: Ich kenne viele Männer, zu denen Beef! gut passen würde. Ich bin gespannt, ob die Folgeausgaben halten können, was die Erstausgabe verspricht.

(„Gala Men“ und „Business Punk“ hab ich hier auch noch liegen.)

22 Thesen für den Journalismus

Dan Gillmor (ins deutsche übersetzt von Ole Reißmann) hat 22 Thesen für einen neuen, besseren Journalismus aufgestellt. Und noch vor dem Lesen der anderen 21 Thesen, war die erste meine Lieblingsthese:

1. Wir verzichten bis auf wenige Ausnahmen auf Jahrestags- und Jubiläumsgeschichten. Sie sind Rückzugsort für faule, unkreative Journalisten.

Mein Reden.

No, we can’t

Heute morgen hab ich den Text „No, we can’t“ bei freitag.de das erste Mal bei Twitter gesehen. Und mir vorgenommen, dass ich ihn später lese. Zu lang für mal so zwischendurch. Trotzdem kann ich sagen, dass es sich lohnt. Weil er viel darüber aussagt, wie man es anpacken muss, mit dem Internet. Vornehmen kann man sich viel. Erfolg hat es aber nur, wenn man es auch lebt.

Ich frage mich, warum die Leute in diesem Politikapparat, von denen viele ja nun wirklich einiges auf dem Kasten haben und nicht zu den Dümmsten der Republik gehören, ihre Gedanken nur in der Freizeit aus dem Korsett nehmen. Sie überlassen das Emo-Soziale ihren Frauen oder beschränken es auf das private Bier unter Freunden und wirken damit als die perfekten Parteisystemstabilisatoren: Weil sie daran glauben, dass sie im Willy-Brandt-Haus das Richtige tun. Und weil sie glauben, dass Politik so funktionieren kann, sorgen sie mit dafür, dass sie nur so funktioniert.

Miriam Meckel

Was sich Miriam Meckel von der Politik wünscht:

Das Internet ist nicht allein technologische Innovation, nicht nur eine weitere Kommunikationsplattform, nicht Spielplatz für Verrückte und Exhibitionisten. Die digitale Vernetzung bedeutet eine Zeitenwende. Eine Bundesregierung, die das versteht und politisch gestaltet, die wünsche ich mir.

Sonntagszeitungen im Zug

Herrlich, Zug fahren. An einem Sonntag. Mit zwei der drei großen Sonntagszeitungen: der FAS und der WAMS. Und meiner Lust auf Zeitungslektüre. Hier der große Vergleich. Wobei Sie hier nur meine Sicht der Dinge lesen. Eine andere gibt’s gleich bei Herrn Fiene. Der saß nämlich neben mir.

Optik: Natürlich muss die Zeitung über dem Bruch überzeugen, also von den Themen her ansprechend sein und von der Optik. Beide setzen auf Afghanistan als Aufmacher. In beiden Kategorien überzeugt die WAMS. Die spannenderen Themen, die tolleren Fotos. Auch im Vergleich der einzelnen Bücher liegt für mich die WAMS vorn. Tollere Fotos, mehr Emotionen. Am traurigsten der Geld-Teil bei der FAS. Die Optik ließ nicht einmal mehr auf das Thema unter dem „Bruch“ schließen. Sowieso: zu viele Symbolfotos. Doch werfen wir einen Blick auf den Inhalt.

Titel

Politik: Beide was Großes zur politischen Gemengelage vor der Bundestagswahl. Beide mit hochrangigen Interviews. Beide so langweilig, wie diese Interviews eben immer so sind. In der FAS war mir die Aufarbeitung der Landtagswahlen zu stereotyp. Trotz ödem Schöneberger-Interview klarer Punkt an die WAMS: Schröder! Thüringen über die Frauen verkauft, Stuckrad-Barre über Cem Özdemir! Drei Treffer plus Optik.

Sport

Sport: Les ich sonst nie. Überzeugten mich auch diesmal beide nicht. In der FAS ein langweiliger Bericht zum gestrigen Spiel, den ich auch nicht spannend fand, obwohl ich nichtmal Fernsehen geguckt habe. Verschenkte Geschichte (weil hölzern erzählt) zu dem wieder an Krebs erkrankten Handballspieler. Und die WAMS? Kann ich mich schon nicht mehr erinnern. Trostpunkt für die FAS.

Wirtschaft

Wirtschaft: True Fruits, Polens Wirtschaft und Nokia in der WAMS, die Wasser-Schwester hält in der FAS dagegen. Warum nur mag ich über all die anderen dort vorkommenden Themen nichts mehr lesen? 3:1.

Finanzen

Finanzen / Geld: Das Spannendste in beiden Geld-Teilen war die Meldung in der FAS, dass die Jung-Seite eingestellt wird. Dafür vergebe ich keinen Punkt.

Kultur

Kultur / Feuilleton: Beide widmen sich dem ARD-Skandal – die WAMS mit Interview, die FAS mit Meinung. Und dann legt die FAS noch mit Peter Richter über Obama („Wenn unsere Politiker unkonventionell sein wollen, kommt Claudia Roth heraus“) und ein paar Standards nach. Keine Chance für die WAMS. 3:2.

Stil

Stil/ Gesellschaft: Von Berlin in die Provinz bei Bremen – in der FAS spannend und gut geschrieben. Minuspunkte dafür für die Flipflop-Geschichte. Hallo? Wie out sind bitteschön Flipflops in diesem Sommer gewesen? Ich hab nur Leute in Römersandalen und Ballerinas rumlaufen sehen. Die WAMS punktet mit einer Kindererziehungsgeschichte und einer Betrachtung zum Flirtverhalten russischer Frauen. Wieder mal nicht nur in Sachen Optik: Punkt für die WAMS.

Immobilien

Immobilien: Les ich sonst nie, geb ich heute aus Ehrlichkeitsgründen auch keine Chance. Kein Punkt.

(Bild wird nachgereicht.)

Motor/ Technik und Motor: Siehe oben. Kein Punkt.

(Bild wird vielleicht nachgereicht.)

Wissenschaft: In der WAMS im Kulturteil versteckt. In der FAS was Größeres über die Wikinger. Dazu konnte ich mich nicht aufraffen. Beide ohne Punkt.

Reise

Reise: In der WAMS les ich vielleicht noch die Roger-Willemsen-Geschichte. Halber Punkt für die WAMS.

Beruf

Beruf: Gute Überschrift.

Endstand: 5,5 gegen 3. Hätte ich nicht gedacht.

„… und raus war ich“

Der Text geistert zwar schon eine Weile durchs Netz, ich habe ihn jedoch erst gestern gelesen. Für die Zeit hat Marlene Sorensen aufgeschrieben, wie sie ihre Kündigung erlebt hat. Sie war eine derjenigen, die bei „Vanity Fair“ gearbeitet haben und mit dem Einstellen der Zeitschrift ihren Job verloren haben.

Ich kenne ein paar Leute, die in den letzten Monaten gekündigt worden sind, weil ihre Zeitschrift eingestellt wurde. Doch nicht nur deshalb lohnt es sich, den Text zu lesen. Denn sie beschreibt sehr gut, wie es ist, wenn plötzlich all das, was das bisherige Leben geprägt hat, wegfällt. Obwohl man sehr gut in seinem Job war.

Mein Leben hatte nicht nur aus Arbeit bestanden. Aber wie viel sie mir bedeutet hatte, merkte ich, als ich keine mehr hatte. Ich berechnete Lebensabschnitte nicht nach Lieben, Orten oder Reisen, sondern nach Jobs. Es gab kaum etwas Besseres als eine gute Geschichte, das Gehalt am Ende des Monats war ein schöner Bonus. Die langen Arbeitszeiten, der Stress? Für mich die Bestätigung, dass ich in meinem Job gut war. Dass ich ihn ernst nahm.

Bitte komplett lesen.

Buch: David Foster Wallace – Am Beispiel des Hummers

Manchmal passieren seltsame Dinge. So wie gestern im Buchladen. Ich war auf der Suche nach einem Geschenk und hatte als Vorgabe nur mein Wissen um den zu Beschenkenden und seinen Wunsch nach etwas Zeitgenössischem. Da mach mal was draus. Also ließ ich mich inspirieren. Und stand wenig später vor dem Regal „Von unabhängigen Verlagen empfohlen“. Dort stand ein kleines Büchlein „Am Beispiel des Hummers“ von David Foster Wallace, ein Essay auf 79 Seiten, über das Hummerfestival im Maine. Ich setzte mich ans Fenster in dieser Mayerschen Buchhandlung an der Kö und las ein wenig. Eigentlich nur mit dem Vorsatz, nur die ersten paar Seiten zu lesen und dann weiterzusuchen. Ich weiß nicht, wie lange ich da saß, ich weiß nur, dass ich irgendwann weiterblättern wollte und nicht mehr konnte. Ich hatte das kleine, wundervolle Büchlein, dass interessanter im Arche-Verlag von Denis Scheck herausgegeben wurde, ausgelesen. Einfach so, im Buchladen.

Seitdem quält mich ein schlechtes Gewissen. Verschenkt habe ich übrigens „Nikolski“. Und „Der Kaiser von China“ hab ich mir dann noch gekauft.

Haariges

Ein Grund, warum ich das Internet so gerne mag: dass man durchs Rumsurfen auf Phänomene stößt, mit denen man sich nicht einfach so auseinandersetzt und die einem im alltäglichen Leben nicht ohne Weiteres begegnen. Beispiel gefällig?

Bei der Mädchenmannschaft den Eintrag über eine Frau gelesen, die im Internet erzählt, wie es ist, mit Bart zu leben. Ihr Leben lang hat sie dagegen angekämpft und irgendwann beschloss sie, sich nicht mehr anzupassen, sondern das Leben mit Bart als Experiment zu begreifen. Seitdem lässt sie ihn wachsen und schreibt über ihre Erlebnisse.

Beim Stöbern entdeckte ich ihren Hinweis auf eine Reportage aus dem britischen Fernsehen. Sie heißt „Hairy Women“ und man kann sie komplett bei Youtube schauen. Sie erzählt die Geschichte von ein paar englischen Frauen, die alle in irgendeiner Weise süchtig nach dem Entfernen von Körperbehaarung sind.

Am krassesten fand ich die Geschichte von Peta, einer Frau, die alle zwei Wochen ihre Körperhaare durch Wachsen entfernen lässt und die sich auf das Experiment einlässt, ihre Haare acht Wochen lang wachsen zu lassen: an den Beinen, in der Bikinizone, im Gesicht, unter den Armen. Und mit jeder Woche ohne Haarentfernung sinkt ihr Selbstwertgefühl, sie lässt sich von den Kommentaren ihrer Freundinnen runterziehen, ihre Beziehung geht zu Brüche (was sicherlich nicht nur an den wachsenden Haaren liegt), nach fünf Wochen bricht sie das Experiment ab.

So. Und nun denken wir alle mal über unser Wachs-/Rasier-/Epilierverhalten nach.

Das Y-Chromosom

Peter Praschl in „Wozu Zeitung?“ (SZ-Magazin):

Am nervigsten sind Chefredakteure nach dem Urlaub.
Dann waren sie endlich mal wieder im Kino, im Wellnesshotel, im Freizeitpark, unter ganz normalen Leuten. Und weil sie trotz aller administrativen Plackerei Vollblutjournalisten geblieben sind, bestellen sie gleich nach der Rückkehr zwölf Geschichten – über Filme, die alle anderen schon gesehen haben, über den Klangschalen-Humbug, den Eintrittskartennepp im Freizeitpark und darüber, wie wichtig Quality time mit Frau und Kindern ist. Die Redakteure rollen mit den Augen, aber es hilft nichts, die Geschichten müssen geschrieben, die Zeitläufe erkannt werden.