Darum geht es uns 2005 besser

…erklärt die BILD-Zeitung uns heute. Und das mit Hammerzitaten von so genannten Wirtschaftsexperten. Projekt: Optimismus verbreiten. Doch leider scheitert diese Geschichte schon nach der Überschrift.

Beispiel: Job. 4 von 5 Experten sind pessimistisch. „Es werden weitere Löcher in die Sozialkassen gerissen“. „Die Lage bleibt prekär“. „Die Zahl der Erwerbstätigen nimmt um bis zu 100.000 Personen zu“. Bei knapp 5 Millionen Arbeitslosen wirklich Grund für Optimismus. Nur der Gewerkschaftsfuzzi Sommer glaubt an ein Plus von 1,7 Millionen Beschäftigten, wenn, ja, wenn die Konjunktur anzieht.

Beispiel: Löhne. Einhellige Meinung: Kein Wachstum, höchstens vereinzelt. Und Herr Sommer fordert, dass sie wachsen müssen.

Beispiel: Preise. Stabil, höchstens leicht steigend. Na, das ist ja mal was. Übrigens, Herr Sommer geht von fallenden Preisen aus.

Beispiel: Energiekosten. Einer geht von fallenden Kosten aus. Der Rest von steigenden. Ach ja, Herr Sommer will auf heimische Energieträger wie Kohle und so setzen. Viel Spaß dabei.

Alles in allem doch wirklich Bombenaussichten für unser Deutschland. Oder etwa nicht?

Schmacht-Content

Und es gab nur einen Grund, warum ich gestern mal wieder bei ‚Wetten, dass?‘ reingeschaut habe:

FILM: Die fetten Jahre sind vorbei

Achtung! Mich hat dieser Film genervt. So sehr, dass ich auch das Ende verrate. Wer sich selbst ärgern will, indem er in den Film geht, sollte erst nach dem Kinobesuch weiterlesen.

Nur einmal saß ich in diesem Jahr im Kino und wollte am liebsten flüchten. Das war damals in Wolfzeit, aber nach ein paar Stunden und vielen Gedanken fand ich den Film richtig gut. Ja, er schaffte es sogar ein paar Monate lang in meine persönliche Top Five der besten Filme dieses Jahres. Dort wird „Die fetten Jahre sind vorbei“ aller Voraussicht und mit großer Wahrscheinlichkeit nicht landen.

Warum das so ist? Der Film nervte. Nein, eigentlich nervte die Geschichte, die da erzählt wurde. Jan (Daniel Brühl) und Peter (Stipe Erceg) sind Freunde, die mit sehr viel Idealismus ausgestattet sind. Sie brechen in Villen ein, um dort die Möbel zu verstellen und Nachrichten wie „Sie haben zuviel Geld“ oder „Die fetten Jahre sind vorbei“ zu hinterlassen. Diese Aktionen sollen den so genannten Bonzen Angst machen. Das ist ihre eigene nächtliche Revolution. Dann lernt Jan die Freundin von Peter, Jule (Julia Jentsch), kennen. Jan erzählt Jule von den nächtlichen Aktionen. Und Jule bringt dann Jan dazu, in die Wohnung eines Herren einzubrechen, der ihr zu einem Schuldenberg von knapp 100.000 Euro verholfen hat. Weil die beiden dann erstmal im Pool übereinander herfallen müssen und die beiden ein wenig unachtsam werden, vergisst Jule bei der Aktion ihr Handy, so dass sie noch einmal in die Villa zurückkehren müssen. Damit ein bisschen Handlung in den Film kommt, werden sie vom Besitzer des Hauses überrascht. Kurzschlussaktion, die beiden rufen noch schnell Peter herbei. Und schon sind die drei mit dem VW und „der Geisel“ unterwegs in die Berge, um zu überlegen, wie es denn nun weitergehen soll.

O.k., mögt ihr sagen, ganz normaler Film mit ganz normaler Handlung, ein bisschen Liebesgeschichte, ein bisschen Crime und wahrscheinlich auch ein bisschen Eifersucht. Wo wir auch schon wieder beim Thema sind. Denn als Peter von der Liaison der beiden erfährt, haut er Jan zwar eine rein und betrinkt sich auch ganz heftig, aber dann ist auch schon wieder alles gut. Hallo? Welcher Kerl würde so reagieren, wenn sich der beste Freund einfach an die Freundin ranmacht? Ok, vielleicht soll das ein bisschen ihre Kredibilität unterstreichen, ein bisschen nach dem Motto: „Wir leben wir vor 30 Jahren und lieben auch so“. Aber das kann ich dem Film nicht abnehmen.

Schlussendlich: „Manche Menschen ändern sich nie“ auf einen Zettel geschrieben an der Wand hängend, eine der letzten Einstellungen des Filmes. Nein, stimmt, manche Menschen ändern sich nie. Sowohl die Bonze nicht, die die drei dann doch an die Polizei verpfeift, als auch das kleine Trüppchen nicht. Wenigstens die Botschaft stimmte. Auch wenn sie implizierte, dass keiner der vier Hauptfiguren irgendetwas dazugelernt hat.

Der ‚Popliterat‘

Während Städte wie Jena oder Dortmund schon früher im Jahr mit einer Stuckrad-Barre-Lesung beglückt werden, müssen die Düsseldorfer Mädels und Jungs ein paar Monate länger warten, bis der so genannte Herr Popliterat auch diese Stadt beehrt. Soviel dazu.

Bevor man sich entscheidet, zu einer solchen Lesung zu gehen, stellen sich einem natürlich viele Fragen. Kann man in diesen Tagen noch zu einer solchen Lesung gehen? Ist man noch cool oder völlig uncool oder wieder cool? Ersteres beantwortete ich mit ‚Ja‘, auch weil ich leider eine der sommerlichen Lesungen verpassen musste und zweiteres mit ‚Egal, ich geh da jetzt einfach hin‘.

Also, aufgemacht, Karte gekauft, Platz gesucht, aufgrund der Sehschwäche und nostalgischen Gründen im Zakk ganz weit vorn gesessen und gewartet. Er kam – unbeholfen – auf die Bühne gestolpert, las seine Texte – wie immer mit Musikschnipseln unterlegt – und amüsierte. Mal schmunzelnd, mal lachend. Der Waffeninspektor-Text langweilte, der Blick auf Details, die genaue Beobachtungsgabe beruhigt. Dann die Pause.

Ist er anders? Anders als noch bei der Lesung im Deutschen Theater, bei der er das Buch vorstellte, welches genauso hieß? Glasige Augen, das hektische Ziehen an der Zigarette, das T-Shirt mit dem Schriftzug der Christiaan-Barnard-Klinik aus Sachsen. Keine Ahnung. Vielleicht ist er ein bisschen auf den Boden zurückgekehrt, vielleicht ist es aber auch nur seine Masche. Vielleicht nicht ganz so zappelig. Dann sah ich sie. Die Frau, die so typisch für die Menschen um mich herum war. Jung, braune Haare, der Pony mit einer Zopfband zusammengebunden. Die feine Brille ließ sie noch braver wirken. Das weiße Polohemd lugte aus ihrem mit Strass besetzten weinroten Pulli mit V-Ausschnitt hervor, die Jeans saß gut, die Tasche mit einem gelben Smilie-Button trug sie locker über der Schulter. So sieht sie also aus, die Frau, die sich für 2,50 Euro ein Plakat der Lesereise von dem Popliteraten kauft, es sich nach der Lesung signieren lässt und es dann in den Flur hängt. Gleich neben die Weltkarte, auf der sie Stecknadeln gekennzeichnet hat, welche Länder sie schon bereist hat.

Er las weiter, nicht ohne sich weitere Sprüche über Aachen zu reißen, die Geschichte, die während einer Radiosendung entstand, ein Text aus dem Netz. Wie drei versuchten, hinter das Geheimnis der Prodomo-Werbungsmusik zu kommen.

Der Popliterat gefiel. Noch unterhaltsamer wäre es gewesen, wenn er einige Texte weggelassen und einfach ein wenig geplaudert hätte.

Vorschlag:

Also, wenn mich jemand fragen würde, so nach Sachen, wem ich mal ne Fernsehshow geben würde, nicht nur für einmal sondern für öfter, vielleicht einmal die Woche, aber zumindest einmal im Monat, also, wenn man mich wirklich mal fragen würde, dann, ja dann würde ich vorschlagen, Jungs, warum lasst ihr nicht mal die Schöneberger ran, zusammen mit dem Pocher, die machen das bestimmt schön unkonventionell, ein paar lustige Sprüche und dann ist das auch mal unterhaltsam (und sogar casting-shows können unterhalten). Nicht immer auf den blöden Silbereisen setzen oder den Deyle, diese pseudojungen Kerle, nee, muss nicht sein. Also, wie gesagt, kann man ruhig mal öfter auf den Bildschirm lassen, die beiden, nicht nur, wenn er durch Zufall erst für den Mediamarkt und sie dann für diesen Obstgarten wirbt. (a propos, obstgarten, gibt es eigentlich leute, die das gerne essen? ich mag ja diese sachen nicht, wo ich erstmal nach der fruchtsoße wühlen muss, selbst umrühren und so, nee, wenn fruchtig, dann schon vorgerührt.
aber mich fragt ja keiner.)
PS: Ich nochmal, ihr könnt Oli Pocher auch einfach ne halbe Stunde lang dumme ‚Choreos‘ nachmachen lassen. Zwischendurch dann fein Werbepausen einplanen, damit ich noch ein bisschen über die Mediamarkt-Werbung lachen kann – reicht.

Verheult vorm Fernseher

Es war einmal ein Problem. Ein großes Problem. Doch dann wurde der Videorekorder erfunden. Und der DVD-Player. Und das Internet, über das man Menschen kennenlernen konnte, die gerne Probleme lösen.
Lange Rede, kurzer Sinn: Heute abend ist es soweit. Auch wenn Pro Sieben das Ende von ‚Sex and the City‘ erst nächste Woche verkünden wird, werde ich es heute abend schon erleben. Wahrscheinlich schluchzend (der blöde spiegel hat das ende ja auch schon verraten). Und nein, ICH verrate nichts. Wartet ihr nur schön bis nächste Woche. Ts.
PS: Schön war’s. Richtig schön.

Fetzen

„Eine Bockwurst bitte.“ Fett spritzt aus der Wurst heraus oder Wasser. Immer wenn ich an Bockwurst denke, kommt mir dieses Spritzen in den Sinn. Diese prall gefüllte Pelle, aus der es herausspritzt, sobald man seine Gabel in die Haut stößt. Prall gefüllt ist auch der Mann, der besagte Geschmacksverirrung orderte. Stolz trägt der Glatzkopf mit der großen Brille seinen Bauch vor sich her. „Mmh, die sieht aber lecker aus“. Lecker. Ts. Und dann auch noch in Bezug auf Bockwurst.

„Vorsicht, das Brötchen ist ganz frisch“, die Dame hinter der Theke reicht im den Teller hinüber. Die Wurst liegt in einem großen Klacks gelbem Senf, nicht der ‚gute’ aus Bautzen, aber schön gelb ist er. „Hier, iss“, schiebt er den Teller zu seiner Frau hinüber. Die dunklen Augen ins unbestimmte gerichtet, ein wenig einfältig schaut sie umher, die dicken Finger greifen unbeholfen nach der Wurst.

Das Mädchen hinter der Theke ist nun vor der Theke. Mit ihrem gräulich schimmernden Lappen wischt sie über den Tisch. Das frische Brötchen hat gekrümelt. Kaum ist sie fertig und wieder an dem gewohnten Platz, kommt er in den Bahnhofskiosk. Die Jeans sitzt zu tief, der Pulli meliert unter der Jacke hervorschimmernd setzt er sich mit seinem Vater an den Tisch. Der knallblaue Jutebeutel baumelt an seinem Handgelenk, auch als er die Karte studiert. 1 Euro der Kaffee, ein großer für 1,80 Euro. Der große Kakao kostet ebensoviel – Preise sind das hier. Er bestellt einen Kakao, während sein Vater beinahe wortlos zum Kaffee greift. Der Reisverschluss knarrt beim Öffnen. Endlich sitzen sie. Der Sohn erzählt von Zügen, den letzten bezeichnet er als Lumpensammler. „Lumpensammler“, wiederholt der Vater und lächelt. Lumpensammler.

Wie lange sie schon an dem anderen Tisch saß, ist nicht auszumachen. Ein paar Züge hat sie allerdings schon genommen, aus ihrem Glas. Das Haar streng zu einem Dutt zusammengesteckt wühlt sie in der Tasche. Eine graue Strähne fällt ihr ins Gesicht. Sie hat gefunden, was sie suchte, blickt kurz um sich. Als sie sich unbeobachtet fühlt, gießt sie den restlichen Weinbrand aus dem Flachmann mit in ihr Schwarzbier.

Ich sitze im Zug. Endlich. Das Warten in der feuchten Kälte, um mich herum die lärmenden Fußballfans, die den Sieg oder Fast-Sieg oder die Niederlage besingen. Sie sind laut. Die umstehenden Reisenden werfen sich verstohlene Blicke zu, muss das sein? Finden die anderen es ähnlich nervend? Sitzen, die Wärme kriecht langsam wieder in meine Knochen. Endlich sitzen, endlich Ruhe. Von Ferne kommen noch vereinzelte Rufe der reisenden Anhänger. Und dann höre ich es. Dieses kreischende, irre Lachen hinter mir.

Nein, nicht schon wieder.

Praktisch

Freitage in der Adventszeit sind was feines. Besonders, wenn man einen Adventskalender sein Eigen nennt, der den Schreibtisch im Büro schmückt. Denn die Frage, ob man sich die Schokolade für den Samstag und Sonntag bis zum Montag aufhebt, ist im nachmittäglichen Tief schnell beantwortet: Nö. Also, ran an die Türchen.
(und wer jetzt mit blöden kalorientabellen und dicker werdenden bäuchen argumentieren will, der sollte das hier lesen. garantiert wahr. bin ich mir sicher.)

Freizeitstress

Ja, ab und zu überkommt sie mich immer noch. Wenn die Gedanken abschweifen. Nicht am Rhein verharren, sondern weiterfliegen, bis sie sich an der Spree festkrallen. Dann sind sie in Berlin angekommen. In solchen Momenten überkommt sie mich dann, diese Wehmut. Dann fasse ich wieder einmal den Vorsatz, dass ich, irgendwann, und diese Zeit wird kommen, da bin ich mir ganz sicher, wieder nach Berlin ziehen werde (jobangebote kann ich wohl so ab april 2006 annehmen, anfragen gerne per mail). Doch bevor das geschieht, werde ich mich noch in diesem Jahr in die Stadt meines Herzens (hach, was klingt das gut) begeben. Und seid der Termin feststeht (für alle die, die es noch nicht mitbekommen haben 18./19.12.), geht der Stress auch schon los. ‚Wann biste denn mal wieder in Berlin?‘ tönt es aus dem Telefonhörer. Lügen will ich nicht, zu sehr würde ich mich freuen, jeden einzelnen zu sehen. Aber ein Wochenende ist kurz, da werden aus Wiedersehen Termine. Termine, die abgearbeitet, eingehalten werden müssen. Und dann diese Nebenbedingungen (oh, welch gekonnt platzierter hinweis auf die den lebensunterhalt sichernde tätigkeit), zeichnet sich mein Bekannten- und Freundeskreis doch gerade dadurch aus, dass er aus vielen sehr unterschiedlichen Charakteren besteht. Und die kann man nicht einfach so in einen Topf werfen. So habe ich jetzt noch ein paar Tage Zeit, das Wollknäuel zu entwirren. Mal sehen, ob mir das gelingt.

Berlin, ich komme.

(ich freu mich, ich freu mich)

Sprachlos

‚Mutter, ich muss aufhören, Sex and the City fängt gleich an.‘ – ‚Das gibt’s doch auch als Buch.‘