Abschied nehmen

Immer wenn ich abreiste, stand er vor dem Haus und winkte mir zu. Das war das Drehbuch zu unserem Abschied. Ich drehte mich noch einmal um, winkte zurück, bis das Auto rechts abbog und ich ihn nicht mehr sehen konnte. Jetzt muss ich noch mal Abschied nehmen. Anders. Und für immer.

Der Weg zur Kapelle. Entlang der Bäume. Durch die nassen Blätter. Kurz vorher hatte es noch geregnet. Den Blick auf das Backsteingebäude gerichtet. Und all die vielen Menschen, die davor und auf der Treppe bereits warten. Ihre großen Augen, allesamt auf uns fünf gerichtet. Je näher wir kommen, desto weniger kann ich sie erkennen. Mein Blick neigt sich auf die Beine meiner Vordermänner. Nein, ich kann ihnen jetzt nicht in die Augen schauen. Jetzt nicht. Hinein in die Kapelle. Ein Meer von Blumen und in der Mitte auf einer Empore aufgebart, die Urne, bestückt mit roten Rosen. Der Gefangenenchor schallt durch den Raum, an den Rändern überall Menschen. So wie er es sich gewünscht hatte.

Hinsetzen, bloß nicht stehen. Ich sinke in die Bank, nicht mehr die Beine im Auge, sondern den kalten Fußboden. Er redet, erzählt, berichtet. Ich höre ihn zu, greife nach ihrer Hand, sie kann ihre Tränen nun ebenfalls nicht mehr zurückhalten. Da sitzen wir, zu fünft, zitternd, verkrampft, aufgelöst. Dann der Weg hinaus, vorbei an den Menschen, der Urne hinterher. Langsamer Schritt, damit auch alle folgen können. Angekommen: Abschied nehmen. Er redet wieder. Richtet seine Worte auch an ihn, obwohl er uns nicht mehr hören kann. Die Rosen fallen hinunter, dann weiter zum Hauptgang. Da stehen wir nun und erst jetzt können wir sehen, wie viele Menschen sich angeschlossen haben. Später erfahren wir, dass es über 80 waren, die dann nach dem Abschied zu uns kommen, mit Händedruck ihre Anteilnahme bekunden. Momente, in denen man sich furchtbar hilflos fühlt. Wie sie alle auf einen zukommen, mit wässrigen Augen. Es einem noch einmal bewusst wird, wie gern gesehen er überall war, auch wenn es in der letzten Zeit nicht mehr so gegangen ist, wie er wollte. Dann der Weg zum Ausgang. Schnelleren Schrittes und dem Gedanken im Kopf, wie schön es hier um diese Jahreszeit sein kann.

Ach, Herr Wagner …

‚Eine großartige Nachricht, die mich aber mit ängstlichem Herzklopfen erfüllt; kein unbekanntes Gefühl für Liebende. Jemand, der ein Jahr zuvor in einem Ton, den man für endgültig hielt, Lebewohl gesagt hat, steht mit dem Koffer in der Hand wieder vor der Tür. Man hat es sich so gewünscht. Und wie seltsam: Man kriegt Angst. Ist es nun das Wahre, und wie schmeckt aufgewärmtes Glück? Wie, wenn die Sehnsucht nach ihm größer war, als er zu leisten imstande ist, und wir uns humorlos im Bett wälzen und es deshalb nicht zur Lachhochzeit des Jahres kommt. Davor habe ich Angst, weil ich Harald Schmidt liebe.‘
Quelle: Bams

FILM: 5 mal 2

Szenen einer gewöhnlichen Ehe. Nur rückwärts erzählt. Zu fünf Zeitpunkten. Erste Einstellung: die Scheidung. Kein Wunder, dass man die beiden von nun an wie ein Voyeur betrachtet. Über die gesamte Zeit beschäftigt den Zuschauer eine Frage: Woran ist diese Beziehung gescheitert? Und zu jedem Zeitpunkt gibt es Anhaltspunkte. Ja, so könnte es gewesen sein.

Gibt sie ihm keine zweite Chance, weil er sich nach der Scheidung ein letztes Mal nahm, was er wollte, obwohl sie sich dagegen wehrte? Ist es der Moment, in dem er sie vor seinem schwulen Bruder samt Bettgenossen bloß stellt. Weil sie ihm erlaubte, an einer Orgie teilzunehmen? Und er ihr später in der Küche vorwirft, dass sie immer alles Zwischenmenschliche so rosarot sehen würde. Oder liegt es daran, dass er eben nicht in der Lage ist, ihr in guten und schlechten Zeiten beizustehen. Weil er sie bei der Geburt, die eine viel zu frühe und schwierige ist, alleine lässt. Kann es sein, dass er in der Hochzeitsnacht zwar betrunken eingeschlafen ist, aber dennoch bemerkt hatte, dass sie noch einmal nach draußen gegangen ist. Und er sie vielleicht auch dabei beobachtete, wie sie es am Fluss mit dem Amerikaner treibt. Oder galt die Ehe bereits gescheitert, weil er sich nur auf sie einließ, weil er der anderen müde geworden war und nach Abwechslung, mehr Rundungen und ein wenig mehr Pep in der Beziehung gierte.

Wir wissen es nicht. Aber genau dieses Gieren nach dem Grund, dieses Finden von immer wieder anderen Indizien für das Scheitern der Zweisamkeit macht diesen Film so sehenswert.
(das der hauptdarsteller auch sehr sehenswert ist, verschweige ich mal lieber. kann ja nicht immer nur mit solchen fakten argumentieren.)

Hören: Campus

Am Montag war ich in Köln. Im All-Area. Eine Location, die von außen ein wenig seltsam anmutet, wie eine lange Hotelhalle. Am Tresen vorbei, ab in den Keller. Dort sollten sie spielen, die Jungs aus Bayern, die es in dem südlichen Bundesland angeblich schon zu einigem Ruhm gebracht haben. So die dortige Presse und auch die Kollegin, die mich überredet hatte, einfach mitzukommen.

Sollte also sein. Mittlerweile kann ich sagen, musste sein. Junge Typen, die gern musizieren. Und dabei wirklich schöne Musik machen. Melodisch. Hymnisch. Manchmal sanft, manchmal härter.

Leider hatte sich das noch nicht in Köln herumgesprochen. Und so stand ich da mit ungefähr 30 (ok, ok…) anderen und wippte ab dem zweiten Song mit. Ich könnte mir schon vorstellen, dass die Musik noch vielen anderen gefällt. Hört selbst rein. Und wer wissen will, wo man die Jungs sehen kann, der klickt mal ein bisschen auf deren Homepage rum. Sie spielen ab und zu als Vorgruppe bei den Sportfreunden Stiller.

(so. und nun schalte ich den werbemodus wieder aus. wer nicht reinhört, ist selbst schuld.)

Entdeckt

Sechs lange Jahre bin ich immer wieder durch Konservenabteilungen gelaufen, auf der Suche nach der roten Verpackung. Zwar gab es hier und dort schon einmal die grüne Variante, gefüllt mit „Baked Beans“. Ansonsten Fehlanzeige. Dann endlich der große Fund. Nein, nicht auf diesem Balkon. Sondern in einem stinknormalen, gut sortierten, deutschen Supermarkt. Erinnerungen werden wach. An labbriges Toast und eben diese Tomatensuppe. Mit der ich so gern meine Mittagspause im schönen Birmingham verbrachte.

Familienausflug

‚Ich hab 23 und du?‘ Ach, was waren diese Familienausflüge grausam. 500 Kilometer auf der Autobahn. Nie konnte ich lesen oder irgendwelche Spiele spielen, weil mir davon immer so schlecht wurde. Also beschäftigten mein Bruder und ich uns mit unserer Umwelt. Und erfanden das Spiel „Autos zählen“ auf den Rücksitzen. Jeder durfte sich eine Automarke aussuchen und dann wurde gezählt. Wer nach jeweils fünf Minuten mehr Autos von seiner Marke gezählt hatte, bekam einen Punkt. Derjenige, der zuerst wählen durfte, entschied sich meist für VW, der andere versuchte es mit Opel. Meist war der Kampf zwischen den beiden Automarken hart. Manchmal gewann der eine, manchmal der andere.

Am nächsten Samstag werden wir wahrscheinlich wieder eine solche Familientour machen. Vielleicht spielen wir dann wieder dieses lustige kleine Spielchen. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob es sich immer noch zwischen Opel und Volkswagen entscheiden wird. Wer fährt heute schon noch Opel.

Wer schenkt mir einen Tag?

24 Stunden nur für mich könnte ich gerade gut gebrauchen. Ich müsste da ein paar Dinge mit mir klären.

Mal wieder im Zug

Wenn man auf dem Bahnsteig steht, auf der Anzeigetafel liest, dass der eigene Zug 5 und der am Nebengleis 60 (!) Minuten Verspätung hat, dann weiß man: Das wird eine klassische Fahrt. Mit Bangen um den Anschlusszug, nervenden Zuggästen, Kaffeeverteiler, die man nicht versteht. Großartig.
Düsseldorf Hauptbahnhof, der Zug fährt ein. Die Fahrgäste stapeln sich auf den Gängen. Vor mir zwei pinkfarbene Mädchen, feingemacht mit Mützchen, klitzekleinen Handtäschchen, die haben wohl noch was vor, heute. Neben mir ein schmucker Werber mit langem Cordmantel, gut sitzenden Haaren, Laptop. Trägt man wohl heute so.

Köln Hauptbahnhof. Umsteigen, der Zug wartet auf dem gegenüberliegenden Gleis. Nur so können die Menschen aus den Gängen ihn noch erreichen und abermals die Gänge bevölkern. Hinzu kommt die Durchsage, dass heute ausnahmsweise einmal die Wagen in verkehrter Reihenfolge verkehren. Es täte leid, mir nicht, denn so bekomme ich noch einen Sitzplatz. An einem Tischplatz. Wirklich die unkomfortableste Möglichkeit, Bahn zu fahren, meiner Meinung nach. Zumindest nicht zu viert. Wer die mal erfunden hat?

Jedenfalls, Auftritt: die 23-jährige K., die erst vor kurzem bei ihrem 37-jährigen Freund ausgezogen ist, man hat sich getrennt, wahrscheinlich auch, weil sie zum Feiern und weggehen immer alleine unterwegs sein musste. Er ist halt alt geworden, in den letzten vier Jahren.

K. ist mit M. unterwegs, weil auch er in Köln seinen Anschluss verpasst hat. Keine 20 Jahre alt, Zivildienstleistender, der in Münster auf einem Lehrgang war und die quirlige K. ziemlich dufte findet. Daneben die unbekannte, erkältete Studentin, die die Lage sofort gecheckt hat und mit der ich mir nun immer wieder vielsagende Blicke zuwerfen kann. Ja, wir verstehen uns. Haben wir alles schon erlebt.
Jedenfalls tauschen die beiden allerlei Details aus. Sie, die aufgeweckte Studentin, die ständig auf Reisen ist (‚Hast du auch L’auberge Espagnole gesehen? Ich in Spanien mit meiner WG und wir haben unser Leben auf der Leinwand gesehen‘). Er, der Realschulabsolvent, der am liebsten zuhause ist (‚Mein letzter Film war ’30 über Nacht‘ – voll cool‘). Er, der lieber mit seinem Auto durch die Gegend fährt. Kurz vor Mannheim tauschten sie dann Handynummern. Sie: Ich schreib mal ‚M. Zug‘ in mein Handy, damit ich dich nicht verwechsle‘.

Endlich raus, schnell, damit ich den, na, ihr wisst schon. Rein in die Bahn, ebenfalls überfüllt, diesmal mit einer Horde Kinder (8-10) und überforderten Eltern, die den Eingang blockieren (‚wir müssen gleich wieder raus‘). Ja, vorbei darf man, auch wenn ich nicht weiß, ob es schlimmer ist, zwischen 8- bis 10-Jährigen zu stehen oder zwischen rumprollenden 14-Jährigen, die sich lustige Witzchen erzählen. Wenn sich die Stimme immer wieder überschlägt, unentschlossen, mal hoch, mal tief, je nach Erregungsgrad.

Aber was soll’s. Nicht klassisch war jedenfalls der Ausgang der Bahnfahrt. Ich war pünktlich. Auf die Minute.

Happy End.

Aufgeschnappt

Flammend Herz

So ist das nun einmal, wenn man in Düsseldorf wohnt. Da liest man, dass ein Film anläuft, von dem man schon einmal Anfang des Jahres gehört hatte. Ich wollte ihn mir anschauen, ja. Und dann sucht man im Netz, guckt nach Hinweisen, wo dieser Film denn laufen könnte und dann stellt man fest, dass man für derartige Aktivitäten einfach mal in der falschen Stadt wohnt. Nicht mal in Köln läuft er. Ach ja.