Tagebuch einer Volontärin (4)

Ich habe einen Termin. Die Sonne scheint und so gehe ich die lange Straße entlang und nehme nicht die Bahn. An den Geschäften vorbei, rechts die Verbraucherzentrale, links die Überbleibsel des „Bar-Code“, einer anderen Version von „Sonderbars“, „Wunderbars“ oder ähnlichen kreativen Einfällen von Barnamen. Wenn ich irgendwann eine Bar eröffnen sollte, wird sie keinen dieser Namen tragen. Sowieso hätte ich lieber eine Kneipe, so richtig schmierig. „Zum Volkswirt“ soll sie heißen, damit sich auch die Pseudo-Intellektuellen angesprochen fühlen.

Dann sitzen sie da, die Männer sind um die 50, die einzige Frau vielleicht ein bisschen älter. Sie betrachten uns vorsichtig, die Frauen von der Presse. Der offizielle Teil des Gesprächs beginnt. Die Damen von der Presse entdecken schnell, dass der Vereinsvorsitzende die an uns gerichteten Worte aus dem Hefter vorliest. Wir lesen nun fleißig mit, markieren uns die wichtigsten Absätze. Danach frage ich wie gewohnt nach, will, dass die eingesessenen Städter mir erklären, was sie so tun. „Lesen Sie das doch in unserer Broschüre nach.“ Ich weiß nicht, wie oft ich diesen Satz in den vergangenen Tagen schon gehört habe. Gedrucktes lässt sich immer so schwer zitieren.

Dass ich erst neu bin, sage ich meist, es vermeidet die ungläubigen Blicke, wenn man nach Stadtbekanntem fragt. Dass ich aus dem anderen Teil des Landes komme, finde ich nicht erwähnenswert. Ob es einfach nur der Akzent ist oder ob ich andere Fragen stelle, sie merken es sofort. Da hilft auch kein freiwilliges Händeschütteln.

Gesammeltes aus dem Tagebuch (2)

Irgendwas stimmt an diesem Steakhaus nicht.

*
Was ich wiederum nicht verstehe: Wenn die Kantine nichts Essbares hergibt, weil es dort Sülze oder ähnliche Verbrechen gibt, ernähre ich mich gern einmal von einem belegten Brötchen. Problem hier: Finde einen Bäcker, der dir ganze belegte Brötchen verkauft. Scheinbar ist man hier am liebsten halbe belegte Brötchen.
*
Wenn die Sonne scheint, gefällt es mir.

Mal wieder ein guter Wagner.

Ricky oder das Zauberding

„Wow, das ist soooooo lecker“, schreit Ricky mir heute morgen entgegen. Ricky? Wir erinnern uns: Das war dieser kleine Mann mit der quäkenden Stimme, die irgendwann, vor noch gar nicht langer Zeit den Nachmittag mit einer so genannten Talksshow bespaßen durfte (siehe auch Hans Meiser, Bärbel Schäfer oder Arabella Kiesbauer). Dort saßen dann Menschen, die sich meistens einer Liebe, ihrer selbst oder irgendeinem Quatsch nicht sicher waren. Dann wurde geredet, sehr oft geschrien, geweint und gelacht und am Ende der meist einstündigen Sendung war der Zuschauer auch nicht viel schlauer. Machte aber nichts, die Menschen haben es trotzdem geschaut. Aber ich schweife ab, denn sicherlich interessiert ihr euch genauso wie ich heute morgen dafür, was unser lieber Ricky, der der deutschen Sprache mittlerweile auch viel mächtiger ist, da heute morgen so lecker fand. Es handelte sich um ein Gemisch aus Melone, Ananas, Banane, Möhre und Brokkoli, was in einem dieser neuen Küchengeräte hergestellt wurde. Die einen nennen es Magic Bullet, bei den anderen heißt es Magic Butler, nur den Namen, den Rickys angepriesenes Gerät trug, habe ich vergessen. Das Tolle an dem Ding ist, dass es „schneiden, mahlen und reiben“ kann. Alles auf einmal! Das „Reinigen ist ein Kinderspiel“, denn es ist spülmaschinenfest und im Konkurrenzprodukt („Magic Butler“) gibt es sogar noch lustig-bunte Partyringe, die man über die einzelnen Behälter stülpen kann, um sie bei einer ebenso lustig-bunten Grillparty auch auseinander zu halten, denn natürlich können die Gäste die lecker zubereiteten Gemüse-Obst-Shakes gleich aus dem Mixding trinken.

Schon wieder schallt mir ein „Boah, ist das lecker“ von Ricky entgegen, er kann sich mittlerweile gar nicht mehr halten, denn die gute Frau Vorführerin hat unserem lustigen Moderator einen Nusskuchen gebacken, der natürlich auch mit dem Magic-Ding zusammengerührt wurde. Mmh, Nusskuchen. Den haben mir meine Eltern aber nicht zubereitet. Obwohl sie seit Donnerstag auch so ein Zauberding in ihrer Küche stehen haben. Nicht im Shopping-Kanal erworben, glücklicherweise, sondern im ansässigen Drogeriemarkt für einen viel
geringeren Preis. Zum Glück. Denn sie haben es in ihren ersten Gehversuchen geschafft, aus einer Zwiebel 1A-Zwiebelmus zu machen, der nach nur wenigen Sekunden in der Pfanne anbrannte.

Dittsche redet von der Weißbier- und Champagnerdusche und ich denke an die „FAS“, die letztere als Champagner-Ejakulation bezeichnete.

Zeitschriften im Test: Mein erstes Auto


Wochenlang habe ich schlecht geschlafen, mich in den langen Nächten hin und her gewälzt, immer mit den Gedanken daran, mich der wohl größten Herausforderung zu stellen: Ich wollte „Mein erstes Auto“ testen, weil doch der Marcus dort Geld verdient, um ganz viel Spielzeug für seinen Sohnemann zu kaufen. Immer wieder saß ich vor dem Rechner, das leere Eintragfenster vor mir, neben mir die Ausgabe des ersten Hefts, die im gut sortierten Zeitschriftenhandel erworben werden kann. Was, wenn ich es scheiße finden würde? Was, wenn, ach, immer wieder musste ich passen. Aber was soll`s: Jammern kann jeder, schreib ich halt mal los.

Meine Damen und Herren, wie gewohnt, präsentiere ich zunächst die Fakten: „Mein erstes Auto“ kostet 1,99 Euro, „nur“, wie mir das Titelbild weismachen will, erscheint alle zwei Monate und wird von der Target Group Publishing GmbH herausgegeben. Diese bringt normalerweise das Magazin „Route 49“ heraus, was an über 20000 Fahrschulen verteilt wird, so steht das zumindest auf der Webseite. Kann ich allerdings nicht beurteilen, weil ich seit mittlerweile fast 10 Jahren (Kinder, wie die Zeit vergeht) keine Fahrschule mehr betreten habe. Da „Mein erstes Auto“ neu ist, vermute ich, dass man sich gedacht hat, ob man mit einem Magazin, was sich an junge Autoeinsteiger richtet, nicht irgendwie auch Kohle verdienen kann.

Aber nur um den heißen Brei herumzureden, bringt ja auch nichts, kommen wir zum Inhalt. Wollen wir doch mal sehen, was in einem Heft, was sich an kaufwillige Neu-Autofahrer richtet, so alles drin steht. Neu-Autofahrer bin ich nicht, dafür aber „Kein-Autobesitzer“. Das sind Menschen, die zwar schon mehrere Fahrzeuge durch die Welt kutschiert haben, allerdings noch nie ein eigenes Auto ihr Eigen nennen konnten. Und deshalb habe ich auch viel gelernt. Grund: In dem Heft steht wirklich alles drin, was ich als Nicht-Autobesitzerin wissen müsste, wenn ich mir einen Wagen zulegen wollte.

In dem Heft gibt es nicht nur einen Überblick über günstige Autos und ihre Details, ich erfahre auch, wie ich mein Auto am besten versichere, was ich bei der Wartung so beachten muss, wo man mal ein Fahrsicherheitstraining machen könnte und wie ich herausfinde, dass ich eventuell neue Reifen brauche. Anderes gutes Beispiel ist die Geschichte „Augen auf beim Autokauf“. Jaja, klassische Überschrift, vielleicht auch ein bisschen abgegriffen, Inhalt war aber ok, weil ich als dummes Blondchen gutaussehende, junge Frau natürlich keine Ahnung hab, worauf ich alles achten müsste, wenn ich mir irgendwann doch mal einen Wagen zulegen wollte.

Ja, man muss sagen, die Zeitschrift hat was. Es gibt viel zu lesen, ich lerne viel, ärgere mich ab und zu über ein paar dumme Überschriften (z.B. „Flen(n)spunkt“), frage mich, was man denn unter einem „knuffigen“ Auto (Daihatsu Cuore) versteht und ob der Seat Ibiza wohl nur ein Auto mit Temperament ist, weil er das Spanische im Namen trägt.

Auf den letzten Seiten wird dann auch noch mein Frauenzeitschriftenherz angesprochen: Ein toller Psychotest, bei dem ich herausfinden kann, welcher Autotyp ich bin. Klar, da bin ich dabei (Kölle lässt grüßen) und wundere mich nicht, dass ich ein so genannter Spaßfahrer bin. Haha!

„(…)Die Größe des Kofferraums spielt keine Rolle, da neben dem Subwoofer eh nichts mehr Platz hat. Überhaupt verspüren Sie einen unwiderstehlichen Drang, Ihr Auto zu tunen, damit es so einzigartig wird wie Sie selbst. (…)“

Dem ist wohl nichts mehr hinzuzufügen. Außer vielleicht das: Das Bild des freundlichen Chefredakteurs.

Sachen gibt’s…

Und warum werde ich eigentlich leicht aggressiv, wenn ich Männer mit Ohrringen sehe? Manchmal passiert das auch, wenn Männer so silber oder golden glänzende Armreifen tragen.

Cliffhanger

Und dann die große Frage des Wochenendes: Wird Sie es schaffen, endlich den Test von „Mein erstes Auto“ fertig zu schreiben? Bleiben Sie dran.

Seltsam?

Ich sitze in einem Zug, mit genau 6 Wagen. Durchnummeriert von 1 bis 6. Ich befinde mich in Wagen 1.
Frau: Ist hier Wagen 3?
Mann: Nee, Wagen 1.
Frau: Oh Mann, dann muss ich jetzt ja durch den ganzen Zug laufen.

(…)

Tagebuch einer Volontärin (3)

Die Sonne scheint. Endlich. Nach vier Tagen bitterer Kälte endlich Sonne und ein bisschen Wärme. Ich musste sogar Socken im Bett tragen. Das tut gut. Deshalb laufe ich nach dem Tag im Büro ein bisschen durch die Straßen. Richtung Elbe, dort soll es schön grün sein. Ich laufe die Straße mit den großen Häusern im stalinistischen Stil entlang. Die Häuser erinnern mich an die Karl-Marx-Allee in Berlin. Nur sind sie hier schon schön hergerichtet. Rechts das Einkaufscenter, was nach der Wende wahrscheinlich in Windeseile aufgebaut wurde. Links dann noch ein bisschen Plattenbau. Ich komme zu einem Platz, in der Imbissbude werden fettarme Pommes verkauft. Ich bin neugierig, kaufe mir eine kleine Tüte. Kurz darauf bin ich enttäuscht. Die Pommes schmecken pappig. Knusprig geht wohl nur mit Fett. Während ich die Kartoffelstücken verspeise, entdecke ich sie. Vier oder fünf Einsatzwagen der Polizei. Sind die nur hier, weil die Vorbereitungen für das Stadtfest auf Hochtouren laufen? Vielleicht nicht. Denn nun entdecke ich auch die jungen Männer in schwarzen Sachen und einem Plakat, das sie zu dritt in die Höhe halten. Sie protestieren. Gegen die Feierlichkeiten vor drei Tagen. Hätten sie das Plakat nicht in der Hand, würde man sie nicht erkennen. Die Haare sind nicht raspelkurz, einer von ihnen hat sogar einen Britpopper-ähnlichen Schnitt. Ungewohnt. Die Passanten zeigen sich unbeeindruckt. Einzig auffällig ist, dass das türkische Pärchen mit ihrem Kinderwagen einen größeren Bogen macht.

Irgendwann habe ich die Pommes verspeist. Während ich an den Jungs vorbei gehe, drückt mir der eine ein Flugblatt in die Hand. Freundlich erklärt er mir, dass ich es ja zuhause mal lesen könne.

Ich gehe weiter. In Richtung Elbe.
*
Wie in jeder größeren Stadt gibt es auch hier ein „Alex“. Davor sitzen ein paar Punks. Sie unterhalten sich.