Die WAMS über den morgigen Start von Business News.

Zeitschriften im Test: Spiesser

300706.jpg

Jaja, die erfolgreichste Jugendzeitschrift kommt aus dem Osten. Genauer gesagt aus Dresden. Und wird von einem Wessi gemacht. Peter Stawowy, sein Name, und wer all die vielen Artikel gelesen hat, die in den vergangenen Monaten über „Spiesser“ geschrieben wurden, der weiß das natürlich auch. Was ich mich bei den vielen Jubelartikeln allerdings immer wieder gefragt habe: Ist „Spiesser“ nicht allein deshalb so erfolgreich, weil es eben umsonst in Kinos, beim Burgerdealer und in Schulen verteilt wird? Schließlich ist das ja auch die Erfolgsgeschichte hinter diesem Apothekenblättchen mit den vielen Kreuzworträtseln drin.
Nein, Kreuzworträtsel gibt es in „Spiesser“ nicht in Hülle und Fülle, obwohl man es bei diesem Namen erwarten könnte. Und auch bei dem Inhalt. Denn eine Jugendzeitschrift, die auf zwei Seiten die Kunst des Papierschöpfens erklärt, ich bitte euch, das können die doch nur dann Ernst meinen, wenn sie sich an Birkenstocksandalen tragende Vorzeigejugendliche wenden, die ihren Schulranzen nicht lässig über eine Schulter sondern das Gewicht ordnungsgemäß über dem gesamten Rücken verteilen.

Schnarchig empfinde ich auch die vielen Sprüche, die auf nahezu jeder Doppelseite zu finden sind. Je nach Thema wird da jemand zitiert. Beispiele gefällig? Gerne doch. Die Berufsberatungsseite ist mit den Worten Benjamin Franklins betitelt: „Eine Investition in Wissen bringt noch immer die besten Zinsen“. Und zum Thema Arm sein gibt’s einen Knaller von Shakespeare: „Wo Liebe rechnet, da wird sie arm.“ Fehlt nur noch der Disclaimer, der den lieben Kinder erklärt, dass „Spiesser“ für das Scheitern von Dates, bei denen diese Worte wiedergegeben wurden, keine Haftung übernimmt.
Ein weiteres Beispiel dafür, dass „Spiesser“ im Wettbewerb am Zeitschriftenkiosk wohl den Kürzeren ziehen würde, ist die Geschichte „Das doppelte Streberchen“. Ich zitiere den Vorspann „Ihr denkt, ihr könnt euch einfach so in die Ferien verdrücken – nix da. Wir zwingen euch, jetzt schön ans nächste Schuljahr zu denken. Findet euch damit ab: Das Lernen hört nie auf“. Äh, bitte? Pädagogisch wertvoll, keine Frage, aber ich wollte solche Texte damals wirklich nie lesen. Und das schon gar nicht am Beginn der Ferien, da hatte ich wohl eher die anstehenden Freibadbesuche im Kopf (Ja, hier erhält „Spiesser“ ein Lob, denn auf zwei Seiten wird auch auf Freibäder und Seen rund um Dresden hingewiesen!)! Gleichzeitig ist dieser Vorspann ein gutes Beispiel dafür, dass man diese oftmals lieber gar nicht lesen sollte. Denn leider verrät dieser mir nicht, dass hier ein weibliches Zwillingspaar ein paar Lernhilfen (CD-Rom, Vokabeltrainer und Co.) getestet hat, von denen es dann auch einige zu gewinnen gibt.

Abgerundet wird das Potpourri an Themen die Geschichte „Teile oder herrsche“, in der es um die Entscheidung geht, zu Hause auszuziehen oder bei Muttern zu bleiben. Klassiker, würde ich sagen, immer wieder interessant. Dann noch ein paar Veranstaltungshinweise und was politisch Korrektes mit der Aktion „Gemeinsam gegen rechts“, viele, viele kleine Infohappen und zum Schluss ein Hinweis auf die im Internet anscheinend stattfindende Diskussion über Spießigkeit. Crossmedia lässt grüßen.

Ein Fazit? „Spiesser“ nennt sich ganz selbstironisch „Spiesser“ und das ist wohl das, was mich bei der Lektüre am meisten aufgeregt hat. Dass sie sich so nennen, das aber nicht durchziehen. Bei aller Political Correctness und Ernsthaftigkeit, bei allem Abgrenzen gegenüber Bravo und Co. – so langweilig wie „Spiesser“ darf unsere Jugend einfach nicht sein!

Wenn das Ignorieren doch so einfach wäre.

Buch: Thommie Bayer – Die gefährliche Frau

Wenn ich dazu sage, dass ich dieses Buch heute im Schwimmbad in einem Rutsch (Also schon mit Unterbrechungen, die ich zum Schwimmen nutzte!) durchgelesen habe, sagt es vielleicht viel aus. Dieses Buch liest sich wirklich wunderbar weg und ich würde es als Urlaubslektüre empfehlen.

Es geht um eine Frau, die die Treue von Ehemännern testet. Ehefrauen engagieren sie, zahlen 1000 Euro, und wenn sie es schafft, mit ihnen ins Bett zu gehen, dann bekommt sie für die Videoaufzeichnung des Geschlechtsakts weitere 1000 Euro überwiesen. Natürlich muss sie dann einen Mann verführen, in den sie sich verliebt. Und natürlich ist das dann alles gar nicht mehr so einfach. Die Geschichte ist wirklich nicht besonders einfallsreich und man ahnt irgendwann wie sie enden wird. Das bewahrheitet sich dann auch und doch gibt es glücklicherweise ganz am Ende noch eine überraschende Wendung, die die Geschichte aufwertet. Ich will nicht zuviel verraten, deshalb nur soviel: Glücklicherweise erklärt und entschuldigt die Wendung doch viel. Denn Klischees werden nicht ausgelassen, bei diesem Sommerbuch.

Wieso ich sowas gerade lese? Weil ich ein paar Tage frei habe. Weil ich im Schwimmbad war und andere Lektüre dann nicht geht. Weil ich vor mehr als 12 Jahren irgendwann mal ein Buch von Thommie Bayer in den Händen hielt, dann auch andere von ihm gelesen habe. Und weil ich bei meinem letzten Besuch in der Heimat mal wieder in der Buchhandlung war und mich dieses Buch an Damals erinnerte. Es ist wirklich nicht sooo schlecht.

Buch: Ronald Reng – Fremdgänger

Ein Buch, welches mir von einer Buchhändlerin empfohlen wurde, muss nicht immer ein schlechtes sein. Die Chance, dass es mittelmäßig ist, ist aber durchaus hoch. Tja, und dieses hier war mittelmäßig. Es war nicht so schlecht, dass ich es beiseite gelegt habe, aber es war zumindest so schlecht, dass ich mehrfach hoffte, dass die Seiten ein wenig schneller davonfliegen könnten.

Es geht um einen 33-jährigen Mann, der als Investmentbanker in London arbeitet. Er hangelt sich von Beziehung zu Beziehung, die alle nach dem gleichen Schema ablaufen. Erst ein bisschen Verliebtsein, dann Routine und irgendwann erledigen sie sich von selbst. Er hat keine Lust auf das Schlussmachen, er hofft, dass ihn die jeweilige Freundin einfach schnell verlässt. Die Trennung selbst auszulösen, ist zu müßig, da hat er weder Zeit noch Lust zu. Und dann lernt er Larissa kennen, bei einem Job in der Ukraine. Warum er sie so toll findet, wird nur angedeutet, es scheint ihr Alter zu sein (21), ihre Reife und ihr Anderssein: Sie spielt Klarinette, lebt mit ihrer Familie in einer kleinen Wohnung, sie ist Ukrainerin.

Doch dieses Buch hat viele Schwächen. Mit keiner der Hauptpersonen kann man sich identifizieren. Dieses Investmentbankerleben wird angedeutet, es gibt auch Konflikte, beispielsweise weil er irgendwann nur noch bis 20 Uhr in der Bank bleibt, sie haben auch Konsequenzen, aber trotzdem bleiben sie am Rande des Geschehens. Durch diese beiden Handlungsstränge, das Private und das Berufliche im Leben der Hauptfigur, verliert sich Reng in Oberflächlichkeiten, die das Buch zu einem belanglosen machen.
Lustigerweise lobt der Saarländische Rundfunk auf dem Cover das Buch mit den Worten „Ronald Reng beweist eine nahezu geniale Beobachtungsgabe“. Sechs setzen, lieber Saarländische Rundfunk, meiner Meinung nach ist es genau das, was Reng fehlt.

Glück, das Pornoheft für Mädchen, ihr erinnert euch sicherlich, braucht einen neuen Namen. Wer mitbestimmen will, wie das Magazin von nun an heißen soll, geht auf jungsheft.de, da kann man abstimmen.

(Ich bin für Tissemand.)

Über den Stern

In der aktuellen V.i.S.d.P. (leider nicht jetzt auch online verfügbar) hat sich Sebastian Esser mal den STERN vorgenommen und einen Abgesang verfasst: Der STERN sei nicht mehr das, was er mal war, er setze keine Themen mehr, gute Reportagen könne man in vielen anderen Medien auch lesen, das Layout sei so Neunzigerjahre. Fazit: Der STERN ist gedruckter Kerner, so Esser.

Auch wenn ich den STERN seit einiger Zeit wieder sehr regelmäßig lese und das auch durchaus gerne, hat Esser recht. Keine Knallergeschichten, wenig Überraschung. Alles schön solide, manchmal langweilig, ja.

Aber: Ich habe ja auch mal über den STERN nachgedacht und wenn ich meinen Text aus dem Dezember noch einmal lese, stimme ich mir selbst immer noch in beinahe allen Punkten zu. Ich lese immer noch in keiner anderen Zeitschrift zuerst mit Begeisterung die Leserbriefe (steht hier nur zu Beginn, weil ich die auch als Erstes lese), ich mag die Herangehensweise an bestimmte Servicethemen, dieses wunderbare Herunterbrechen auf „Schicksale“, dieses „Geschichten erzählen“. Und ich bin auch immer noch der Meinung, dass in kaum einer anderen Zeitschrift die Sprache eine so klare ist, die Geschichten so sauber recherchiert sind. Für all das steht der STERN. Für mich.

Klar, stellt sich die Frage, ob das ausreicht, dass irgendwann auch wieder die Leser wiederkommen. Oder zumindest nicht weiter abwandern. Deshalb wäre ein Erwachen aus dem Dornröschenschlaf langsam mal angebracht. Da hat der Esser natürlich recht. An sein Untergangsszenario glaube ich aber nicht. Denn diese ständigen Loblieder auf das selbsterklärte Jugendmagazin „NEON“ – ich kann sie einfach nicht mehr lesen.

(Disclaimer (ist ja gerade in): Die Autorin schreibt weder für STERN oder V.i.S.d.P. noch für die direkte Konkurrenz. Und sie hegt auch keine sexuellen Interessen gegenüber Sebastian Esser.)

Cleverer Kerl, der Klinsmann.

(Link entfernt.)

Zeitungsbeilagen im Test: Weekend

070706.jpg

Jaja, die Beilage vom Handelsblatt. Da wird sie durch ein neues Format optisch aufgehübscht, doch inhaltlich kommt sie immer noch so verschnarcht herüber wie zuvor. Männermode im sommerlichen Büro? Schön, dass (mal wieder) darauf hingewiesen wird, dass es kurze Hosen, kurzärmelige Hemden und Knitterfalten gar nicht gehen. Typisches Technikspielzeug, die hoffentlich zumindest die Männer unter den Lesern interessieren, der Manager, der ein Auto testen darf (haben die das geklaut oder war diese Variante des Autotests schon immer im Handelsblatt?) und dann diese Titelgeschichte über den Industriellen, der sich ein Luxusrestaurant leistet. Ein Luxusrestaurant in Osnabrück, ja, ihr lest richtig, in Osnabrück. Nicht zu vergessen, die Werke über Villen in Babelsberg und Umgebung und Wandern in der Schweiz.

Klar, kann mein Unmut mit dieser Beilage damit zusammenhängen, dass ich, 28, weiblich, Journalistin, so ganz und gar nicht zur Zielgruppe gehöre, aber ich kann mir auch nicht vorstellen, dass sich 40, männlich, erfolgreicher Manager, jetzt mehr unterhalten hätte. Und natürlich muss sich das Handelsblatt dann auch mit der Wochenendbeilage der FTD messen, die immer wieder überraschend ist und die etwas anderen Geschichten erzählt. Alles nichts Neues, was ich hier schreibe, aber das mit den kurzen Hosen hatten wir ja auch alles schon einmal.

Super Eigen-PR.

Nachdem es bereits Allegra und BYM getroffen hat, habe ich nun auch „Das Wettermagazin“ kaputtgeschrieben.

Laut „täglich kress“ vom 4. Juli (leider nur für Abonnenten) ist die Deutsche Meteorologische Verlagsgesellschaft pleite. Man wollte 8000 Hefte verkaufen, hat aber im Schnitt nur 3500 erreicht.

Vielleicht bin ich ja doch ne Hexe.

Sie wollen wissen, was noch so kaputt gehen könnte? Einfach mal einen Blick auf die Zeitschriftentests werfen, einer von denen ist der nächste. Hat ja nun schon drei viermal geklappt.