Sätze, die die Welt bedeuten (1)

Der Kudamm ist auch nicht mehr das, was er mal war.

FILM: The Mother

Als May (60) mit ihrem Mann Toots die erwachsenen Kinder in London besucht, geschieht Furchtbares: Verwirrt über deren seltsames Leben und die Großstadt erleidet Toots einen Herzinfarkt, an dessen Folgen er stirbt. May ist verzweifelt. Bald wird ihr klar, dass sie nicht mehr in ihr altes bürgerliches Leben zurück will und sie beginnt London mit anderen Augen zu sehen und das neue Leben zu genießen. Schnell interessiert sich May für Darren, einen Mann, 30 Jahre jünger als sie selbst und obendrein noch der Liebhaber ihrer Tochter.

Wirklich gut umgesetzt: Die Liebe im Alter mit all seinen Tücken, der Gegensatz des jüngeren zum älteren Liebhaber, bei dem man am liebsten wegschauen will. Erst in der Mitte des Films wird einem bewusst, dass bis zu diesem Zeitpunkt kaum (oder gar nicht?) mit Musik gearbeitet wurde.
Am Schluss bekommen sie sich nicht, obwohl May nah dran ist, ihre (wieder) gewonnene Freiheit für den Draufgänger zu opfern. Wunderbar wird die Starrheit der Kinder in ihren Lebensentwürfen dargestellt, ihre Unsicherheit im Umgang mit der Mutter, die genau wie sie ein Sexualleben hat. Nur würden sie sich wünschen, dass es im Verborgenen bleibt.

Fazit: Absolut sehenswert.

FILM: Herr Lehmann

Das Buch war wunderbar. Intelligenter Humor, der hauptsächlich von Dialogen lebt, und Situationen . Ohne übertriebene Witzigkeit, inszenierten Szenen, Zuspitzungen. Die hat dieser Film eigentlich nicht nötig.

Detlef Buck hätte in dem Film auch so überzeugt. Ohne dicken Bauch, Matte. Einfach nur er selbst.

Christian Ulmen war keine Fehlbesetzung. Er passte wunderbar auf die Rolle, auch wenn ich ihm nicht abnehmen kann, dass er nach 4 Bier und einigen Tequila derart aufgeräumt durch die Straßen Berlins läuft.

Sein Verhältnis zu den Eltern ging im Film eher unter, war ein einziges Lustig machen. Dabei hätte man es ohne große Übertreibungen so gut darstellen können.

Sicher, wer zunächst das Buch liest und dann den Film schaut, ist immer enttäuscht. Im Vergleich schneidet der Film erst recht schlecht ab. Deshalb: Gute Ideen, aber schlecht umgesetzt. Schade.

Fazit: Lieber lesen.

FILM: Liegen lernen

Netter Film über die erste Liebe und wie das Leben dann so weitergeht.

Kann man gucken, muss man aber nicht. Sophie Rois mal wieder ganz groß.

„Ich würde dich gern ficken.“
„Wann?“
„Samstag Nachmittag?“
„Ok.“

Oder auch:

„Und was ist nun?“
„Wie was ist nun?“
„Na, wir wollten doch ficken“
„Wie jetzt?“
„Ja.“
„Ok.“

Der tägliche Wagner (1)

Heute in BILD:
„(…)
Sex ist niemals das, worum es geht. Sex ist ein berauschendes Transportmittel, aber verschwindet wie eine Wolke am Himmel.
Ich bin überzeugt, dass Sex nur kurzfristig bindet. Sich ins Ohr Küsse zu murmeln, Beschwörungen zu flüstern – das hält vier Wochen, höchstens vier Jahre.
Es ist eine andere Liebe, die Sie, Wolfgang Clement, uns vorleben. Es ist die Liebe des Pfefferminztees. Das ist die Liebe für die Ewigkeit.“

David Bowie: „Reality“

Eigentlich bedarf es bei ihm keiner außergewöhnlichen Aktionen, um ein neues Album zu präsentieren. Denn mit David Bowie ist es wie bei all den wenigen wirklich großen Stars: Viele mögen ihn, einige hassen ihn, aber jeder kennt ihn.

Und trotzdem setzte David Bowie bei der Vorstellung von „Reality“ – wieder einmal – neue Maßstäbe. So, wie er es bereits 1999 mit „Heros“ tat, als er als erster Musikstar das Internet zum Verkauf seiner CD nutzte. Passend zum Titel „Reality“ stellte er sich der Realität, indem er den Live-Auftritt über das Internet und in verschiedene Kinosäle der Welt übertrug. Denn bei großen Konzerten starrt das begeisterte Publikum eh nur auf die Videoleinwand.

David Bowie versteht sich selbst hauptsächlich als Künstler und experimentiert mit allen Stilen der Musik. Und wenn die Medien auf eines seiner neuen Werke hinweisen, dann mag keiner wirklich urteilen. Schließlich steht der Engländer, der seine größten Erfolge in den siebziger und achtziger Jahren feierte, über jeder Kritik. Lieber werden Interviews mit ihm veröffentlicht, in denen er sich erklären kann.

Doch was ist das für ein Album, welches mittlerweile sein 26. ist? „Reality“ entstand in New York, und weil Bowie mit der Arbeit daran nach dem 11. September 2001 begann, wird dies auch in einigen Titeln thematisiert. Das mag man gut heißen oder auch nicht. Es ändert nichts.

Mit „Reality“ vernachlässigt der mittlerweile 56-Jährige große elektronische Einflüsse und besinnt sich wieder auf Handgemachtes. Das Album ist rockiger und auf das Wesentliche reduziert. Manche Songs wie z.B. „New Killer Star“, „Never get old“ erinnern an seine großen Hits aus den siebziger Jahren.

Fazit: Ein bisschen „retro“ schadet nicht. Besonders nicht, wenn David Bowie sich auf Sachen besinnt, die er selbst geschaffen hat.

FILM: Okay

Nete will die Welt retten. Und deshalb holt sie ihren Vater zu sich, der an Leukämie erkrankt ist und nur noch wenige Wochen zu leben hat.
Als dann die Wochen länger werden und sich die Gesundheit des Vaters verbessert, gerät ihr Leben aus den Fugen. Kristian, ein Literaturprofessor, der bereits seit Jahren an einer Veröffentlichung arbeitet und ihr Mann ist, lässt sich auf eine seiner Studentinnen ein. Ihre Tochter verbündet sich mit dem Großvater, der sie dabei unterstützt, ihre Zahnspange loszuwerden und mit dem damit gewonnenen Selbstbewusstsein ihren ersten Freund mit nach Hause bringt.
Die Verlustangst bringt sie dazu, sich in das Leben ihrer Familie einzumischen, so dass sie sogar die achtjährige Funkstille zwischen dem Vater und seinem schwulen Sohn beenden will, der ganz andere Sorgen hat. Ihn beschäftigt seine Samenspende an ein Lesbenpärchen und den daraus entstehenden Verpflichtungen.

Netter Film, jedoch kein Umhauer. Es gibt bessere Filme, er wird nicht wirklich in Erinnerung bleiben. Paprika Steen wertet ihn in jedem Fall auf.

Blumfeld: Jenseits von Jedem

Pop ist in. So sind es auch Blumfeld, die in dieser Woche ihr mittlerweile fünftes Studioalbum veröffentlicht haben. „Jenseits von Jedem“ berührt, verwirrt – und ist so, wie es sein soll: ein Blumfeld-Album.
„Jenseits von Jedem“ kommt zur richtigen Zeit. Wir haben genug von Dieter-Bohlen-Hymnen, die über die Radio- und TV-Sender dudeln. Deutscher Pop muss nicht hirnlos sein. Auch nicht abgehoben, verkopft und weltverbesserisch, wie man es vor allem Sänger und Texteschreiber Jochen Distelmeyer des Öfteren vorwirft. Mit diesem Album melden sich die Hamburger Jungs zurück: Intelligenter Pop mit eingängigen Melodien und doppelgründigen Texten.
Der Einstieg kommt mit „Sonntag“ mit einer bisher ungewohnten Leichtigkeit daher („So singe ich und tanze/ und schwinge meinen Zepter/ geh aufs Ganze“) – ähnlich wie die erste Auskopplung „Wir sind frei“. Für jede Gefühlslage ist etwas dabei: tröstend mit „Alles macht weiter“, aufrüttelnd mit „In der Wirklichkeit“ und im wohl besten Lied „Neuer Morgen“, so hoffnungsvoll wie nie zuvor. Schwächer wirken hingegen „Krankheit als Weg“ und „Der Sturm“.

Fazit: Blumfeld überzeugt mit „Jenseits von Jedem“ in Wort und Ton. Sie liefern guten Gitarrenpop und diese Platte ist bestens geeignet für Blumfeld-Einsteiger.

Wiedersehen

Es ist nicht einfach. Hab ihn heute nach Langem wieder gesehen. Es ist eigentlich eine lange Zeit her und ich dachte eigentlich, das ich ihn vergessen habe. Ich musste ja, sonst wär das Projekt Diplomarbeit wohl gescheitert. Nur so hatte ich genügend Kraft dafür.
Und jetzt war er kurz wieder da. Wir haben den Plattentausch gemacht. Ich gab ihm die Platte, er mir die CD. Und jetzt hör ich sie. Blumfeld.
Er ist immer noch ein toller Mann, aber er tat mir nicht gut. Hat mir zu viel Kraft genommen. Und er hat mich unglücklich gemacht. Aber auch glücklich. Denn mit ihm habe ich gespürt, dass ich mich wieder verlieben kann. Und dass es Männer gibt, mit denen man wunderbar kommunizieren kann. Der intellektuelle Anspruch passt. Und kaum sehen wir uns, wird mir so klar, wie gut wir uns verstanden haben.
Würde wohl wieder was mit ihm anfangen. Irgendwie gut, dass er nicht immer in der Stadt ist.

Warten auf die U-Bahn. Neben mir ein Mann. Weißes T-Shirt, abgegriffene Aldi-Tüte. Er mustert mich. Kramt eine Honig-Melone hervor.
„Hier, schau mal“ – „äh…“
„Honig-Melone!“ – „Guten Appetit“
„Isst du die auch manchmal“ – „Äh, ja. Manchmal…“
„Lecker, oder?“ – „Mmh.“