Aufgeschnappt

„Wir begrüßen dann auch die Fahrgäste, wegen denen wir nun eine Verspätung von 15 Minuten haben“ – mit so lieben Worten hat mich ein Zugführer noch nie in Empfang genommen. So persönlich und verdammt herzlich. Empörung bei den Fahrgästen, die mit mir im Gang standen. Gemeinsam hatten wir uns durch die Menschenmassen in der Unterführung gekämpft, um noch in den wartenden Zug zu springen und dann das. Beschämt blickten wir uns an – wie diskriminierend. „In der Mitte des Zuges finden Sie unser Bordrestaurant, in dem wir Sie gerne bedienen. Halten Sie aber auch die Gänge frei, damit wir für Sie da sein können.“ Ja, schon klar. Wieder spielte er auf uns an, die sich jetzt in den Gängen lümmelten, zu faul, nach einem Sitzplatz zu suchen. Eingeschüchtert richteten alle den Blick auf den Fußboden, flüchtend vor den Blicken der anderen. Ja, er meinte wohl uns. Was war nur in den Zugchef gefahren? Gibt es seit neuestem eine RTL-Sendung „Deutschland sucht den witzigsten Zugchef?“ oder warum diese Sprüche?
„Sie wissen ja, 15 Minuten Verspätung – jetzt geht es ja wieder um Anschlusszüge, die Sie in Düsseldorf und Duisburg erreichen wollen – ich melde mich dann wieder bei ihnen.“ Unter die ersten 12 hat’s dann aber doch nicht gereicht. Denn die Wiederholungen seiner Mitteilung in Englisch und Niederländisch trug der gute Mann dann wesentlich weniger bissig vor. Das üben wir dann aber noch einmal.

Rotwein

Alle paar Wochen trafen wir uns. Saßen zusammen, tranken Wein. Es gehörte zu diesen Abenden immer dazu: Wir redeten und rauchten vor uns hin. Freuten uns, weil wir uns schon so lange kannten und immer wieder neu entdeckten. Dann vereinten uns nur noch die Telefonate. Lange Gespräche, bei denen ich nach einer Weile immer ein starkes Bedürfnis nach Wein hatte. Roten Wein und einer Zigarette. Sie schaffte das jedes Mal.

Weicheier!

‚Die Dschungelshow ist eine Studie über die Wehleidigkeit der Männer‘ kommentierte die Nick und traf den Nagel auf den Kopf. Wehleidig sind sie alle zusammen und damit meine ich nicht nur den kleinen Willi, der große Angst vor Spinnen hat. Der Spengemann weint die ganze Zeit rum, weil er seine Freundin vermisst, Jimmy Hartwig kann plötzlich nicht mehr tauchen und der dicke Harry verpisst sich einfach.

Soviel zur Dschungelshow. Doch es gibt diese Weicheier auch außerhalb des Urwalds. Oder was auch immer das ist. Sie klagen über Rückenschmerzen, nicht mal das Auto fahren macht mehr Spaß. Sie pumpen sich lieber mit Schmerzmitteln zu, anstatt endlich ins Krankenhaus zu gehen oder trauen sich erst gar nicht, mal beim Onkel Doktor vorbeizuschauen. Sie können kein Blut sehen, Frauen weinen sehen oder Wahlen gewinnen.

Ach, was ist nur aus euch Kerlen geworden? Und viel schlimmer: Was soll nur aus uns Mädels werden? Wer rettet uns vor bösen, wilden Spinnen? Wer beschützt uns vor vermeintlichen Einbrechern, die sich des Nachts durch die leisesten Geräusche ankündigen? Und wer hält Händchen, wenn wir irgendwann einmal für Nachwuchs sorgen?

Ich weiß nur eins: So kann das nicht weitergehen.

AAAAAAAAAAAAAAAAAAAHH!

Aus der Reihe „Die Bravo ist auch nicht mehr das, was sie mal war“ gibt es wieder Neues zu berichten. Jede Woche werfe ich einen Blick auf die Seite, auf der die Jugendzeitschrift ihren Kunden Musikgeschmack beibringen will. Kann natürlich nicht gelingen, weil dort meist seltsame ‚Stars‘ wie Blue, jojo usw. empfohlen werden. Viel schlimmer ist allerdings, dass die ‚Musikredaktion‘ der Bravo zu jeder empfohlenen Scheibe auch einen kleinen Kasten mit dem Titel ‚Im Stil von‘ beistellt. Dort wird dann geschrieben, dass die Toten Hosen beispielsweise wie die Ärzte klingen. Oder Virginia Jetzt wie die Sportfreunde Stiller. Alles mehr oder weniger ärgerlich.

Noch viel schlimmer war, als dort vor einigen Wochen die Single ‚Radio‘ von Mister Robbie Williams empfohlen wurde. Im Stil von: U2. Ja, lassen die da Praktikanten ran? Am allerallerschlimmsten dann aber die Plattenempfehlung für Robbies Greatest-Hits-Album. Dass klingt, glaubt man der Bravo-Redaktion, wie Ronan Keating.

Ich bin sprachlos.

FILM: Elling

Und nachts lief dann auch noch Elling. Die Fortsetzung hatte ich mir im Mai angesehen und war nicht wirklich begeistert. Zu sehr nervte mich irgendwann das störrische Verhalten der Hauptfigur. Gestern Nacht wusste ich dann auch endlich warum. War es im ersten Teil vor allem die liebenswerte Art, mit der Elling und Kjell Bjarne miteinander umgingen, fehlte diese im zweiten Teil völlig. Wunderbar, wie die beiden so langsam das Stadtleben erkunden, wie Elling zum ersten Mal zu einer Lesung geht, einen Freund gewinnt und sich als Sauerkrautpoet einen Namen macht. Dieser kleine Film ist schlicht und ergreifend schön.

FILM: The door in the floor

Vorneweg: Nein, ich habe das Buch nicht gelesen. Was nicht daran liegt, dass ich John Irving nicht mag. Ich habe zwei oder drei gelesen, sie auch gemocht, besonders, weil sie immer so schön abgedreht waren. Trotzdem verspürte ich keine Lust, mir weitere von ihm zu besorgen. Auch ganz gut, denn so konnte ich mir diesen Film völlig unvoreingenommen anschauen, so dass er sogar gefiel.

Ted und Marion Cole leben in einem wunderschönen Anwesen nahe am Meer. Ruth, die kleine, blonde Tochter, konnte die Ehe der beiden nach dem tragischen Tod der beiden Söhne nicht retten. Deshalb schlägt er vor, sich über den Sommer auf Probe zu trennen. Damit der erfolgreiche Kinderbuchautor ein wenig unabhängiger sein kann, holt er sich über den Sommer einen kleinen Assistenten Eddie, der vornehmlich dafür da ist, ihn in der Gegend umherzukutschieren. Der entdeckt aber schnell die Faszination, die von Marion ausgeht und es dauert nicht lange, bis sich das ungleiche Paar ihren sexuellen Gelüsten hingibt.

Am Ende des Films verschwindet Marion und verlässt somit nicht nur ihren Mann und den jugendlichen Lover Eddie, sondern auch ihre Tochter. Eddie kehrt zurück an die Uni, Ruth wird von nun an von der Familie des Gärtners umhegt. Ted wird zur tragischen Figur des Films, dem es nicht gelingt, aus diesem Leben auszubrechen. Zu dem Schmerz um den Verlust seiner Kinder gesellt sich nun auch noch der Schmerz um den Verlust seiner Frau. Er wird seine Strategie des Verarbeitens nicht ändern. Er wird weitermachen wie bisher, sich in weitere, unzählige Affären mit seinen Aktmodells flüchten.

Ein wirklich schöner Film, über den man auch noch Stunden später nachdenken kann. Sehenswert ist er aber auch vor allem wegen Jeff Bridges und Kim Basinger, zwei wirklich ausgezeichnete Schauspieler, die die tragenden Rollen dieses Beziehungsdramas übernommen haben. Nie im Leben hätte ich gedacht, dass die Dame Basinger schon 50 Jahre auf dem Buckel hat. Respekt!

Abschied nehmen

Immer wenn ich abreiste, stand er vor dem Haus und winkte mir zu. Das war das Drehbuch zu unserem Abschied. Ich drehte mich noch einmal um, winkte zurück, bis das Auto rechts abbog und ich ihn nicht mehr sehen konnte. Jetzt muss ich noch mal Abschied nehmen. Anders. Und für immer.

Der Weg zur Kapelle. Entlang der Bäume. Durch die nassen Blätter. Kurz vorher hatte es noch geregnet. Den Blick auf das Backsteingebäude gerichtet. Und all die vielen Menschen, die davor und auf der Treppe bereits warten. Ihre großen Augen, allesamt auf uns fünf gerichtet. Je näher wir kommen, desto weniger kann ich sie erkennen. Mein Blick neigt sich auf die Beine meiner Vordermänner. Nein, ich kann ihnen jetzt nicht in die Augen schauen. Jetzt nicht. Hinein in die Kapelle. Ein Meer von Blumen und in der Mitte auf einer Empore aufgebart, die Urne, bestückt mit roten Rosen. Der Gefangenenchor schallt durch den Raum, an den Rändern überall Menschen. So wie er es sich gewünscht hatte.

Hinsetzen, bloß nicht stehen. Ich sinke in die Bank, nicht mehr die Beine im Auge, sondern den kalten Fußboden. Er redet, erzählt, berichtet. Ich höre ihn zu, greife nach ihrer Hand, sie kann ihre Tränen nun ebenfalls nicht mehr zurückhalten. Da sitzen wir, zu fünft, zitternd, verkrampft, aufgelöst. Dann der Weg hinaus, vorbei an den Menschen, der Urne hinterher. Langsamer Schritt, damit auch alle folgen können. Angekommen: Abschied nehmen. Er redet wieder. Richtet seine Worte auch an ihn, obwohl er uns nicht mehr hören kann. Die Rosen fallen hinunter, dann weiter zum Hauptgang. Da stehen wir nun und erst jetzt können wir sehen, wie viele Menschen sich angeschlossen haben. Später erfahren wir, dass es über 80 waren, die dann nach dem Abschied zu uns kommen, mit Händedruck ihre Anteilnahme bekunden. Momente, in denen man sich furchtbar hilflos fühlt. Wie sie alle auf einen zukommen, mit wässrigen Augen. Es einem noch einmal bewusst wird, wie gern gesehen er überall war, auch wenn es in der letzten Zeit nicht mehr so gegangen ist, wie er wollte. Dann der Weg zum Ausgang. Schnelleren Schrittes und dem Gedanken im Kopf, wie schön es hier um diese Jahreszeit sein kann.

Ach, Herr Wagner …

‚Eine großartige Nachricht, die mich aber mit ängstlichem Herzklopfen erfüllt; kein unbekanntes Gefühl für Liebende. Jemand, der ein Jahr zuvor in einem Ton, den man für endgültig hielt, Lebewohl gesagt hat, steht mit dem Koffer in der Hand wieder vor der Tür. Man hat es sich so gewünscht. Und wie seltsam: Man kriegt Angst. Ist es nun das Wahre, und wie schmeckt aufgewärmtes Glück? Wie, wenn die Sehnsucht nach ihm größer war, als er zu leisten imstande ist, und wir uns humorlos im Bett wälzen und es deshalb nicht zur Lachhochzeit des Jahres kommt. Davor habe ich Angst, weil ich Harald Schmidt liebe.‘
Quelle: Bams

FILM: 5 mal 2

Szenen einer gewöhnlichen Ehe. Nur rückwärts erzählt. Zu fünf Zeitpunkten. Erste Einstellung: die Scheidung. Kein Wunder, dass man die beiden von nun an wie ein Voyeur betrachtet. Über die gesamte Zeit beschäftigt den Zuschauer eine Frage: Woran ist diese Beziehung gescheitert? Und zu jedem Zeitpunkt gibt es Anhaltspunkte. Ja, so könnte es gewesen sein.

Gibt sie ihm keine zweite Chance, weil er sich nach der Scheidung ein letztes Mal nahm, was er wollte, obwohl sie sich dagegen wehrte? Ist es der Moment, in dem er sie vor seinem schwulen Bruder samt Bettgenossen bloß stellt. Weil sie ihm erlaubte, an einer Orgie teilzunehmen? Und er ihr später in der Küche vorwirft, dass sie immer alles Zwischenmenschliche so rosarot sehen würde. Oder liegt es daran, dass er eben nicht in der Lage ist, ihr in guten und schlechten Zeiten beizustehen. Weil er sie bei der Geburt, die eine viel zu frühe und schwierige ist, alleine lässt. Kann es sein, dass er in der Hochzeitsnacht zwar betrunken eingeschlafen ist, aber dennoch bemerkt hatte, dass sie noch einmal nach draußen gegangen ist. Und er sie vielleicht auch dabei beobachtete, wie sie es am Fluss mit dem Amerikaner treibt. Oder galt die Ehe bereits gescheitert, weil er sich nur auf sie einließ, weil er der anderen müde geworden war und nach Abwechslung, mehr Rundungen und ein wenig mehr Pep in der Beziehung gierte.

Wir wissen es nicht. Aber genau dieses Gieren nach dem Grund, dieses Finden von immer wieder anderen Indizien für das Scheitern der Zweisamkeit macht diesen Film so sehenswert.
(das der hauptdarsteller auch sehr sehenswert ist, verschweige ich mal lieber. kann ja nicht immer nur mit solchen fakten argumentieren.)

Hören: Campus

Am Montag war ich in Köln. Im All-Area. Eine Location, die von außen ein wenig seltsam anmutet, wie eine lange Hotelhalle. Am Tresen vorbei, ab in den Keller. Dort sollten sie spielen, die Jungs aus Bayern, die es in dem südlichen Bundesland angeblich schon zu einigem Ruhm gebracht haben. So die dortige Presse und auch die Kollegin, die mich überredet hatte, einfach mitzukommen.

Sollte also sein. Mittlerweile kann ich sagen, musste sein. Junge Typen, die gern musizieren. Und dabei wirklich schöne Musik machen. Melodisch. Hymnisch. Manchmal sanft, manchmal härter.

Leider hatte sich das noch nicht in Köln herumgesprochen. Und so stand ich da mit ungefähr 30 (ok, ok…) anderen und wippte ab dem zweiten Song mit. Ich könnte mir schon vorstellen, dass die Musik noch vielen anderen gefällt. Hört selbst rein. Und wer wissen will, wo man die Jungs sehen kann, der klickt mal ein bisschen auf deren Homepage rum. Sie spielen ab und zu als Vorgruppe bei den Sportfreunden Stiller.

(so. und nun schalte ich den werbemodus wieder aus. wer nicht reinhört, ist selbst schuld.)