Nachwuchs

So kannte ich ihn nie. So menschlich. Immer korrekt, bloß kein privates Wort. Nicht einmal sein Alter war mir bekannt. Verstanden haben wir uns stets gut. Wir scherzten, und meist lag auch ein dummer Spruch auf unseren Lippen. Gespräche waren konstruktiv, so machte das Schreiben Spaß, und obwohl er immer einen vollen Terminkalender hatte – es fand sich meist ein halbes Stündchen für den Gedankenaustausch, damit ich weiter kam.

Auch nach dem Projekt gab es Zeit für einen Plausch, den Kontakt pflegen, auch wenn wir meist Oberflächlichkeiten austauschten. Und heute? Ein Abschiedstreffen war es. Aber auch ein werdender Vater zeigt Gefühle und nach nur fünf Minuten schaute ich in glänzende Augen, die begeistert von der Namensfindung und dem baldigen Geburtstermin berichteten.

Wie können Menschen nur so gemein sein und bei dem Wunschnamen einer jungen Familie mit den Worten reagieren: Nimm diesen bloß nicht! Ich finde das herzlos. Gemein und überhaupt nicht taktvoll. Und schon gar nicht, wenn es ein schöner Name ist.
Was ich aus diesem Treffen mitnehme? Zwar weiß ich immer noch nicht sein Alter, dafür aber kenne ich ein anderes wunderbares Detail, welches in den nächsten Wochen sein Leben bereichern wird. Und das ist großartig.

FILM: Gegen die Wand

Endlich mal wieder im Kino gewesen. Weil ich mich meist unter der Woche nicht entscheiden kann: Geh ich rein oder warte ich bis zum Wochenende? Man könnte dann ja gemeinsam reingehen… Diesmal hatte ich gewartet. Auf Freitag. Und hab ihn nun endlich gesehen.

Eigentlich erzählt der Film die Liebesgeschichte von Cahit und Sibell. Die junge Sibell sucht nach einem Mann, der sie ehelicht, damit sie aus dem Elternhaus ausbrechen kann. Cahit hat nach einer durchzechten Nacht ein Auto gegen eine Wand gefahren. Die beiden treffen in einer Klinik aufeinander.

Sie überzeugt ihn von der Scheinehe. Alles läuft bestens, die Familie spielt das Spiel mit, sie ziehen zusammen, gehen zusammen aus, jeder vögelt einen anderen. Und doch finden die beiden zueinander. Er lässt sich von ihrer Lebenslust mitreißen, entdeckt längst verloren gegangene Gefühle und Stimmungen an sich. Und wie im richtigen Leben entwickeln die beiden irgendwann Gefühle füreinander. Alles hätte so schön werden können. Doch es läuft anders. Cahit schlägt einen Nebenbuhler tot und landet dafür ins Gefängnis. Sibell, aus der Familie gestrichen, flieht nach Istanbul.

Bis hierhin macht der Film Spaß. Trotz aller Gewalt. Als Sibell nach Istanbul geht, verliert „Gegen die Wand“ an Schnelligkeit und Spannung.

Sie bricht noch einmal aus ihrem Leben aus, säuft, feiert und dröhnt sich mit Drogen zu. Wird missbraucht. Es muss ihr noch einmal richtig schlecht gehen und als sie irgendwann blutüberströmt in einer dunklen Gasse liegt, meint man, dass hier das perfekte Ende des Films gewesen wäre.

Aber nein, sie soll noch einmal auf Cahit treffen. In Istanbul, in ihrem neuen Leben. Sie sollen noch einmal miteinander ins Bett gehen, denn vögeln ist anders. Und sie sollen merken, dass ihre Zeit abgelaufen ist. Er, nur noch Wasser trinkend, sie, mit kurzen Haaren, Brille und Kind. Gesettelt. Ein guter Film mit einem langweiligen Ende.

Immer wieder wundern. Welche Beiträge zum Kommentieren anregen. Und welche nicht. Und von wem. Usw.

Spieleabende

Samstag Abende. Ich wusste nicht mehr, dass man auch solche miteinander verbringen kann. Zu lange hatte ich mich vor ähnlichen Versammlungen gedrückt. „Nee, lass mal“ – „Hab schon was vor…“ – oder die ehrliche Variante: „Steh ich nicht so drauf…“ dienten immer wieder als Ausreden.

Die Zutaten: Ein herrliches Essen. Mit Suppe, Hauptgang und Nachtisch. Ein Trivial Pursuit-Spiel, Globetrotter-Ausgabe, in englischer Sprache versteht sich. Wahlweise Wein, Bier, Saft oder Wasser. Drei Pärchen.

Und was macht man dann den lieben langen Abend? Spielen. Während des Essens, nach dem Essen. Bloß keine wirkliche Unterhaltung beginnen. Und so erfährt der geneigte Mitspieler nicht, was die Menschen um ihn herum gerade treiben, wer sich mit wem versteht, welche neuen Herausforderungen anstehen, welche Perspektiven sich durch eine Kündigung auftun könnten. Warum auch? Unterhalten kann man sich ja auch wann anders.

Auch als zu späterer Stunde dann noch Tabu herausgekramt wird, wird’s nicht viel besser. Weder der Spielewechsel noch die bisher zugeführten Alkoholmengen sorgen dafür, dass die Stimmung aufkocht. Schade. Und wohl der letzte Spieleabende für die nächste Zeit.

Berlin.

Wenn der Zug in Spandau einfährt. Rechts die Springer-Druckerei. Irgendwann der S-Bahnhof Messe-Süd. Beim Bahnhof Charlottenburg heißt es Sachen packen. Aufstehen, Jacke überziehen. Der Zug wird langsamer. Immer langsamer, wenn er die letzte Kurve zum Bahnhof Zoo nimmt. Dann fährt er ein. Ein komisches Gefühl. So werde ich Berlin bald wieder öfters empfangen.
Ich hasse Kisten packen. Auf ins Schlafzimmer. Entrümpeln und soweit räumen, damit wir das Bett abbauen können. Und den Schrank.

Kisten

Ein komisches Gefühl. Hier sitzen, zwischen halb gepackten Kisten. Mit dem Drang flüchten zu wollen. Vorm Weiterpacken. Und dem Rest.

Ausdrucken. Aufhängen. Erinnern.

Das Gute an Umzügen ist ja, dass man endlich mal wieder die Chance hat, sein bisheriges Leben Revue passieren zu lassen. Wann ist nochmal dieses Foto entstanden? Wer hat mir denn noch dieses scheußliche Ding geschenkt? (Die Rede ist von einer tönernden Glocke, bemalt mit ein paar Baummotiven…).
Was kann ich endlich mal wegschmeißen? Brauche ich die schon recht klein gespitzten Buntstifte noch? Sollte ich wirklich die Kontoauszüge von 1999 bis 2001 auch noch die nächsten Jahre archivieren? Und was ist mit den vielen leeren CD-Hüllen, die beim – Achtung, Kalauer! – „Verbrennen“ von CDs übrig geblieben sind?
Andererseits findet man Dinge, von denen man glaubte, dass sie längst verschollen auf einer Müllhalde am Rande der Stadt liegen. Die mittlerweile stark angestaubten Jonglierbälle finden sich wieder, der immer noch wunderbar funktionierende Walkman taucht aus den dunkelsten Ecken wieder auf und man fragt sich, ob man wirklich jemals noch einmal die alten Kassetten, die man in der Schulzeit in stundenlanger Kleinstarbeit mit viel Liebe aufgenommen hatte, hören wird.
Doch die größte Herausforderung im Leben einer jungen Frau, ja noch würde ich mich als eine solche bezeichnen, ist die Räumung des Kleiderschranks. Ein Graus. Jedes ausleihernde T-Shirt wird zu einem Sport-Shirt, so dass ich eigentlich stündlich das Shirt wechseln kann, alte Slips werden nicht etwa gleich in den Müll geworfen – nein, die sind doch noch gut für die besonderen Tage…
Nein. Ich werde stark sein. Und eine liebe Freundin wird mir helfen! Aufpassen, dass ich ja nicht zu viel behalte, sondern alles schön in die große Tüte wandert. Und unter Aufsicht wird diese dann entsorgt. Jawohl. Und gleich werde ich mir auch diesen Artikel ausdrucken. Wie trenne ich mich von meinem Lieblingshemd. Empfohlene Dosis für alle Betroffenen: Dreimal täglich lesen. Immer und immer wieder. Bis es endlich klappt. Mit der Trennung.

Sätze, die die Welt bedeuten (4)

„Da habe ich mittlerweile immer nen sauberen Slip und Socken in meiner Tasche, aber ein Lippenpflegestift ist nicht zu finden…!“

Unternehmen im Test, Teil 2

Furchtbar schlau wollte ich heute sein. Nachdem der Versuch ja gescheitert war, meinen Umzug weitestgehend über das Internet zu planen und weil ich eh dort vorbei musste, ging ich dann in die Post. Amazon-Paket abholen und auch gleich den Nachsendeauftrag einrichten. Ein Abwasch halt. Die freundliche Dame am Schalter, nein, nicht die mit der gefönten 80er-Jahre-Frisur, war auch sehr hilfsbereit und bot mir an, auch gleich noch den Stromanbieter zu wechseln und mein Telefon umzumelden.
Telefon ummelden? Musste ich ja eh, also warum nicht auch gleich noch ausprobieren, wie gut denn Deutsche Post und Deutsche Telekom zusammen arbeiten. Gesagt getan, alles fein ausgefüllt, wobei die gute Frau den Antrag gleich zweimal ausfüllte: „Da drückste einmal ne falsche Taste, da ist das alles gleich wieder weg…!“ Während sie mir dann die Bestätigung für den Auftrag in die Hände drückte, artikulierte ich meine Verwunderung, dass sie so ganz ohne meine jetzige Telefonnummer zu wissen, meinen Anschluss abgemeldet zu haben schien, woraufhin mich große blaue Augen anstarrten (ja, der Satz ist jetzt arg lang geworden…): „…äh, na, da müssen sie jetzt nur noch diese Nummer anrufen, damit die auch Bescheid wissen…!“ Fein gemacht, dachte ich nur, und schwor mir nur noch direkten Kontakt zu den Telekomisten zu halten. Wenn schon, denn schon…
Ach ja, und für alle die es wissen wollen: Wer über die Post den Stromanbieter wechselt, muss man sich für Ökostrom entscheiden. Dreimal dürft ihr raten, ob ich da auch noch mitgemacht habe…

Post an Wagner

… schreibt dieser feine Freund und Beobachter.