Mai #28, San Francisco
Kalifornien. Je länger ich hier bin, desto mehr wird mir bewusst, wie sehr mich diese Gegend in meinem bisherigen Leben schon begleitet hat. Unzählige Western habe ich früher gesehen, von denen viele hier gedreht worden sind, Bonanza wurde zwar in Nevada gedreht, aber liegt ja zumindest hier um die Ecke und hat was mit dem ganzen Gold-Wahn zu tun. Jetzt also San Francisco, Gründungsort von Levi’s (irgendwann in den 90ern war die 501 die hippste Jeans, erinnert sich da noch jemand dran?), Hippie-Bewegung, Namensgeber für diesen Scott-McKenzie-Song, den ich jetzt nicht zitiere, weil ihr sonst alle mit einem Ohrwurm endet, Cable Cars und aus neuerer Zeit der Heimatort für hippe Start-ups wie Twitter oder Internet-Größen wie Apple und Facebook.
Ich entscheide mich, mich am ersten Tag erst einmal ein bisschen durch die Stadt treiben zu lassen. Startpunkt ist der Union Square, die Shopping-Gegend. Macy’s, Bloomingdales, Urban Outfitters, Banana Republic, Gap, Abercrombie & Fitch – alle haben hier ihre Filialen. Ich bin nicht wirklich in Shoppinglaune, weshalb ich mich entschließe, erst einmal zu schauen, was auf der anderen Seite des Hügels liegt. Und obwohl ich vorgewarnt wurde: Ich mache mich zu Fuß auf den Weg, habe ja schließlich am Tag zuvor einen Berg bestiegen, da wird mir das Erklimmen dieses Hügelchens mit links gelingen.
Natürlich ist der Weg anstrengender als gedacht. Mich überholen die Cable Cars, die ich zur Strafe ausgiebig fotografiere, ich durchquere Chinatown, wo ich mir lebendige Fische, Riesen-Äpfel und exotisches Gemüse anschaue und komme irgendwann an den Washington Square, der umgeben von netten Cafés liegt – italienischer Flair. Der erste Eindruck: schöne Stadt. Wenn auch ein bisschen unpraktisch gelegen.
Pier 39 ist die Hölle. Doch weil wir uns am Abend dort noch einmal zum Mittagessen treffen wollen, versuche ich meine Vorurteile klein zu halten und gebe Fishermans Wharf auch noch eine Chance, die eigentlich nicht verdient ist. Unzählige Shops, in denen man billige Fleecejacken, Outdoorjacken, Pullover oder T-Shirts mit der Aufschrift „San Francisco“ kaufen kann. Oder Sonnenbrillen, Süßigkeiten, Postkarten oder sonstige Mitbringsel. Obwohl es in jedem Laden das gleiche Angebot gibt, ist der Fußgängerweg überfüllt. Mich am Nachmittag am Wasser aufhalten zu wollen, war keine gute Idee.
Und die Idee, mit dem Cable Car wieder auf die andere Seite des Hügels zu fahren, war auch eher mittel. Vor der Haltestelle ist eine riesige Schlange und am Fahrkartenschalter steht ein Schild: 45 Minuten Wartezeit. Ok, dann nicht. Der 30er Bus fährt um die Ecke ab und nimmt mich mit.
In der Union-Square-Gegend schaue ich mich dann halt noch ein bisschen um. Ich entdecke den Apple-Store und spiele mal kurz auf einem iPad herum, entdecke Schuhläden (Camper!) und genieße ein bisschen die wärmende Sonne. Gab es ja ne Weile nicht.
Um zum Dinner zu gelangen, setze ich diesmal nicht auf meine Füße, die müssen ja noch ein paar Tage durchhalten, sondern auf ein Cable Car. Ein bisschen schockt mich die Besessenheit der Touristen, möglichst stehend das entgegenkommende Cable Car zu fotografieren – mit vollem Körpereinsatz und höchster Nähe zu dem entgegenkommenden Gefährt. Ich fotografiere stattdessen sitzend.
Nach dem Essen höre ich den Gesängen der Robben am Pier 39 zu (ja, ich weiß, das war jetzt sehr romantisiert, ich könnte auch schreiben dem Geschrei der stinkenden Robben) und werfe einen Blick auf die Golden Gate Bridge. Sonnenuntergang inklusive.