„Ich freue mich schon auf deinen Fragebogen, sagte J. in unserem letzten Call in diesem Jahr und erinnerte mich an diese Tradition, die ich nun schon seit 20 Jahren pflege. Wahnsinn. Und los.
2023 war wieder einmal intensiv. Ich befürchte, dass es mit dem Alter der Kinder und möglicherweise dem eigenen zu tun hat: viele Bedürfnisse und Interessen, dazu die Pflichten. Aber ich will nicht jammern, war aber kurz vor Weihnachten wirklich durch. Mehr dazu in diesem Fragebogen. Dieser wurde vor rund 20 Jahren entwickelt und bisher habe ich ihn jedes Jahr ausgefüllt, manchmal leicht verändert. Früher (siehe unten) wurde dieser Fragebogen von ziemlich vielen Bloggerinnen und Bloggern ausgefüllt. Einige machen das immer noch.)
Zugenommen oder abgenommen Körpergefühl?
Ich habe in diesem Jahr sehr viel über Ernährung gelernt und vieles an meiner Nahrungsaufnahme verändert. Das lag zum einen an „Das weibliche Gehirn“, das ich im Sommer gelesen habe. Aber einen noch größeren Einfluss hatte Susanne Liedtke mit ihrem Newsletter und Kurs, an dem ich teilnahm. Seitdem mache ich einiges anders und wenn ich doch mal wieder in alte Traditionen zurückkehre, weiß ich, zu welchem Preis.
Mehr bewegt oder weniger? Vermutlich gleich geblieben. In den ersten neun Monaten fast täglich Yoga, das tat unheimlich gut und auch wieder ab und zu laufen gewesen. Dann durch die Handverletzung außer Gefecht gesetzt, was mir nicht so guttat. Aber Bewegung geht ja auch ohne Joggen und Yoga, wobei es zum Jahresende hin hätte mehr sein können.
Haare länger oder kürzer?
Keine großen Veränderungen frisurtechnisch dank der tollen Madeleine, die ich in regelmäßigen Abständen besuche.
Kurzsichtiger oder weitsichtiger?
Habe in der Distanz keine große Veränderung feststellen können, höchstens in der Nähe.
Mehr ausgegeben oder weniger?
Der Urlaub am Gardasee und die Woche in London mit den Jungs – bisschen mehr würde ich schätzen.
Der hirnrissigste Plan?
In der Rückschau betrachtet könnte ich entscheidungsfreudiger sein, denn ich habe über Monate hinweg eine Entscheidung aufgeschoben (was auch eine Entscheidung ist, ich weiß). Aber manchmal sollte ich beherzigen, dass der Spruch „Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende“ durchaus Wahres enthält.
Manche würden behaupten, dass die Organisation der Goldenen Blogger jedes Jahr auch durchaus Züge von Hirnrissigkeit enthält.
Die gefährlichste Unternehmung?
Vermutlich der Ausflug zum Fußballplatz, bei dem mich ein Zweijähriger auf dem Fahrrad umgenietet hat. Hand zum Glück nicht gebrochen, Genesung hat dennoch lange gedauert.
Die teuerste Anschaffung?
Die Einrichtung des Coachingraums zu Beginn des Jahres und das neue Smartphone.
Das leckerste Essen?
Ich hatte sehr guten Fisch am Gardasee und an der Nordseeküste. Meine noch frische Beziehung zu Roter Bete wurde in diesem Jahr intensiviert und ich habe meine Liebe zum englischen Frühstück mit gebackenen Bohnen und Ei wiederentdeckt.
Das beeindruckendste Buch?
Mich haben in diesem Jahr einige Bücher beeindruckt. Der Mut von James Baldwin, in den 50er Jahren ein Buch wie „Giovannis Zimmer“ zu veröffentlichen. David Safiers Familiengeschichte. Sophie Passmanns Ehrlichkeit und Offenheit.
Der berührendste Film?
Keine Filme, dafür Serien. Am berührendsten: Ted Lasso.
Das beste Lied?
Wenig Musik gehört, aber ich mochte Olli Schulz‘ „Einfach so“.
Das schönste Konzert?
Das Singpausenkonzert in der Tonhalle mit den Grundschüler*innen – da liefen Tränen der Rührung. Insgesamt viel zu wenige Konzerte in diesem Jahr. Am Jahresende dann noch Noel Gallagher in der Philipps-, äh, Mitsubishi-Electric-Halle.
Die meiste Zeit verbracht mit?
Arbeit und Familie.
Die schönste Zeit verbracht mit?
Den Jungs. Und mit mir.
Vorherrschendes Gefühl 2023?
Unruhig.
2023 zum ersten Mal getan?
Einen 60., 70. und 90. Geburtstag gefeiert. Nicht gleichzeitig, aber alles in diesem Jahr.
Mit dem Sohn im Café ten Cate in Norden Tee getrunken.
Corona durchgestanden.
Einen Buchclub besucht.
In Pullach übernachtet und ein Seminar besucht.
In Nürnberg gewesen.
Auf der Buchmesse eine Veranstaltung moderiert.
2023 nach langer Zeit wieder getan?
Im Improvisationstheater gewesen und sehr viel gelacht.
Im Musical gewesen und es bereut.
In London gewesen und die englische Küche genossen.
In Magdeburg gewesen und an meine Volozeit zurückgedacht.
Im Harry-Potter-Rausch gewesen.
Drei Dinge, auf die ich gut hätte verzichten mögen?
Krieg. Streit. Langgezogene Abschiede.
Drei Dinge, auf die ich nicht hätte verzichten wollen?
Bücher.
Die Küchenmaschine.
Kopfhörer.
(Sollen ja Dinge sein, oder?)
Die wichtigste Sache, von der ich jemanden überzeugen wollte?
2023 war aus meiner Sicht ein sehr gutes Lesejahr. Das lag nicht unbedingt daran, dass ich sage und schreibe 50 Bücher gelesen und gehört habe und damit mein selbst gestecktes Ziel von 30 weit übertroffen habe. Es waren eher die schönen Lesemomente, die mir dieses Jahr geschenkt hat. Die Momente, in denen ich ganz alleine mit den Geschichten war. In denen ich mich ein bisschen aus der Realität rausbeamen konnte in andere Welten. Das war sehr schön.
Schön war auch, dass ich mich im Sommer einem Buchclub angeschlossen habe und seitdem zumindest einmal im Monat auch über ein Buch gesprochen habe. Das war inspirierend und es kam nicht nur einmal vor, dass ich mit einer klaren Haltung zu einem der Bücher zum Buchclub gegangen und mit einer anderen nach Hause gegangen bin.
Und es war ein zweites Jahr, in dem ich in den Genuss eines Buchabos gekommen bin und so viele der Bücher, die ich in diesem Jahr gelesen habe, nicht selbst ausgesucht habe. Da ich aber parallel auch angefangen habe, viele Bücherpodcasts zu hören, werde ich daran 2024 wieder etwas ändern und mehr Bücher lesen, die ich selbst auswähle. Die Liste der Bücher, die ich nämlich gerne mal lesen wollte, ist in diesem Jahr dadurch ziemlich voll geworden.
Aber nun zu meinem Lesejahr. Ich hab mich mal bei der Kaltmamsell und Anke Gröner inspirieren lassen: Die Bücher mit Sternchen dahinter empfehle ich. Und zu manchen Büchern habe ich schon mal was geschrieben – das verlinke ich. Und wenn ich die Bücher gehört habe, sind die Titel kursiv gestellt.
Hab Matt Haig eine zweite Chance gegeben und was soll ich sagen: Wenn man sich drauf einlassen kann, dass ein Außerirdischer die Menschen lieben lernt, geht‘s!
Eugen Roth – Der Wunderdoktor*
Lisa Mosconi – Das weibliche Gehirn*
Bisschen was über den eigenen Körper lernen. Am meisten hat mich schockiert, wie krass das weibliche Gehirn über Hormone gesteuert wird und wie entscheidend der richtige Lebenswandel für die Gehirngesundheit, nein, die gesamte Gesundheit ist.
Paul Bokowski – Schlesenburg*
Ein aus Polen stammender Junge wohnt mit seinen Eltern in der Schlesenburg, einer Frankfurter Siedlung, in der viele Aussiedler leben, Menschen, die die Freiheit gewählt haben und etwas erhalten haben, was sie nicht unbedingt erwartet haben. Die ein Zuhause haben, und eine Heimat, die erst einmal in weite Ferne gerückt ist. Die sich aus dem Nichts etwas aufbauen und nirgends dazu gehören. Und auch wenn sie nicht mit ihren Kindern darüber sprechen, spüren diese die Wehmut, die Einsamkeit, das Ausgrenztseins, die leisen Zweifel. Paul Bokowski hat ein berührendes Buch geschrieben über Integration, Rassismus und die Suche nach einer neuen Heimat.
Caroline Wahl –22 Bahnen*
Das perfekte Urlaubsbuch habe ich natürlich im Urlaub gelesen! Tildas Leben ist durchgetaktet: Lernen, sich um die Schwester kümmern, weil die eigene Mutter nicht dazu in der Lage ist. An der Supermarktkasse arbeiten, und schwimmen gehen. 22 Bahnen. Und dann ist da der Wunsch nach Mehr, die Option auf die Promotion in Berlin, die Gelegenheit, mit einem Teil der eigenen Vergangenheit abzuschließen. Es ist ein Buch zum Hindurchrauschen.
Katrin Burseg – Adas Fest*
Echte Urlaubslektüre.. Die Handlung: Ein Sommer am Meer. Der letzte von Ada, die in diesem Strandhaus an der französischen Atlantikküste viele erlebt hat. Wo sie ihre große Liebe kennengelernt, Kinder gezeugt und Familienurlaube verbracht hat. Und dort kommt sie ein letztes Mal zurück, weil sie Abschied nehmen muss. Denn der ansteigende Meeresspiegel und die Herbststürme werden zu einer Gefahr für das Haus aber auch den anliegenden Ort. Und so kehren nicht nur sie, sondern auch ihre Kinder an diesen Ort zurück und nach und nach kommt heraus, was lange verschwiegen wurde.
Tomasz Jedrowski – Im Wasser sind wir schwerelos*
Es geht um einen jungen Mann, der seine Homosexualität entdeckt und diese im Polen der 80er Jahre auszuleben, ist gefährlich. Das Buch beschreibt seine Geschichte. Die Versuche, diese zu leben, die Notwendigkeit im Sozialismus, gute Beziehungen zu haben, die Diskrepanz zwischen denen, die diese haben und den anderen. Es ist ein Buch über eine unmögliche Liebe, das Leben von Werten mit all seinen Konsequenzen. „(…) dass Menschen uns nicht immer geben können, was wir von ihnen möchten; dass man nicht von ihnen verlangen kann, uns so zu lieben, wie wir es wollen. Man kann das niemandem zum Vorwurf machen.“
Ernest van der Kwast – Fünf Viertelstunden bis zum Meer*
Dieses Buch hat gerade mal 96 Seiten (2Std. 9 Min bei Spotify) und erzählt eine wunderbare Geschichte über eine Liebe, die nicht alt wird. 1945. Ezio trifft an einem Strand in Apulien seiner großen Liebe. Doch Giovanna liebt ihre Freiheit, will nicht heiraten, und so zieht Ezio am Ende des Sommers in den Norden Italiens, ohne Giovanna jemals zu vergessen. Sechzig Jahre später bekommt er einen Brief. Hab es sehr gern gehört.
Grégoire Delacourt – Die vier Jahreszeiten des Sommers*
Perfekte Sommerlektüre und ebenfalls eine Empfehlung von Christine Westermann in „Zwei Seiten“.
Volker Ulrich – Deutschland 1923: Das Jahr am Abgrund*
„Wenn man eine Hürde zu nehmen hat, muss man zuerst sein Herz hinüberwerfen.“ Dieses Zitat von Bismarck habe ich aus diesem Buch mitgenommen genauso die Tatsache, dass Alfred Kerr früher eine Zeitschrift namens „Plauderbrief“ herausgegeben hat. Aber dieses Buch war nicht nur deshalb höchst bereichernd, sondern vor allem, weil es mir die Wucht der unterschiedlichen Krisen vor Augen geführt hat, mit dem die damals noch junge Weimarer Republik zu kämpfen hatte. Die ständigen Intrigen der ehemaligen Eliten, der Druck der Alliierten, die Last auf der Bevölkerung in Form der davon galoppierenden Währung, der Angst, seine Lieben nicht versorgen zu können und Unsicherheiten. Schon vergessen hatte ich, dass sich auch der Putschversuch Hitlers im Jahr 1923 ereignete.
Louise Erdrich – Jahr der Wunder
Während in der Stadt Proteste gegen rassistische Gewalt und Corona wütet, geschehen in einer kleinen Buchhandlung wundersame Dinge: Die treue Kundin Flora stirbt und ihr Geist bleibt aber als Gast im Laden. Darunter leidet Tookie, die dort nach einer Gefängnisstrafe arbeitet. Beiden Frauen verbindet nicht nur die Liebe zur Literatur. Autorin Louise Erdrich führt ein in die Welt indigener Kultur, lässt uns teilhaben an den Ängsten, die Pandemie, Klassenkampf und Gewalt mit sich bringen und nebenbei gibt es noch jede Menge Buchempfehlungen aus einer Welt, die mir zumindest bisher völlig unbekannt gewesen ist.
Alena Schröder – Bei euch ist es immer so unheimlich still*
Das Buch erzählt die Geschichte von zwei Frauen, die auf dem ersten Blick unterschiedlicher nicht sein könnten, auf den zweiten aber doch ähnlicher sind. Tochter Sylvia hat ein Kind bekommen und sucht Zuflucht bei ihrer Mutter, die sie 17 Jahre nicht gesehen hat. Mutter Evelyn hat sich immer fremd gefühlt, in dem Ort, in dem sie lebt, als Frau, Ärztin im Krankenhaus und in ihrer Rolle als Mutter. Ein Buch zum Abtauchen.
Jonathan Lee – Der große Fehler*
Es ist kein großer Fehler, dieses Buch zu lesen. Zumal es auf einer wahren Begebenheit beruht. Denn Andrew Green gab es wirklich. Er ist der Mann, der dafür sorgte, dass es in New York den Central Park gibt und noch vieles mehr. Und Andrew Green wird mit 83 Jahren vor seinem Haus erschossen. Jonathan Lee erzählt, wie es dazu kommen konnte. Erzählt, welche Menschen Green begleiteten, was er durchlebte. Das ist stellenweise wunderschön. Gleichzeitig ist es ein Buch, das darüber nachdenken lässt, warum wir leben. Was wir erreichen wollen. Und worauf wir zurückblicken könnten, wenn wir selbst eines Tages aus dem Leben scheiden.
Minna Rytisalo – Lempi, das heißt Liebe*
Der junge Bauernsohn Viljami hat sich in Lempi, die Tochter des Ladenbesitzers aus einer kleinen Stadt verliebt. Sie heiraten und das Stadtmädchen zieht aufs Land und wird von ihrer Schwester getrennt, zu der sie eine besondere Beziehung hat. Das erfahren wir alles im Laufe des Buchs, das aus verschiedenen Kapiteln besteht. Denn Lempi gibt es nicht mehr. Ganz langsam fügen sich Puzzleteil um Puzzleteil zusammen. Empfehlung von Christine Westermann in „Zwei Seiten“ und eine gute Anregung, sich über die deutsch-finnische Geschichte im Zweiten Weltkrieg zu informieren.
Taylor Jenkins Reis – Die sieben Ehemänner von Evelyn HugoMehr dazu hier
Sophie Passmann – Pick Me Girls*
Ich muss zugeben, dass ich das Buch erst nicht lesen wollte: wieder so ein Begriff, in den man sich einsortieren oder von dem ich mich abgrenzen muss. Und dann erzählt sie mir ihr Leben, wie sie zu der Frau geworden ist, die sie jetzt ist. Welche Kämpfe sie gekämpft hat: in ihrer Kindheit, Jugend und den Zwanzigern. Sie erzählt gut, berührt mich immer wieder sehr, bringt mich zum reflektieren und ich bin das ein oder andere Mal froh, in einer Zeit ohne Social Media groß geworden zu sein.
Wenn Benjamin von Stuckrad-Barre mit seinen Büchern derjenige war, der uns die Popkultur der 90er und 2000er erklärt hat, dann ist Sophie Passmann diejenige, die die Folgejahre wunderbar erklären kann. Auf eben ihre Weise: verletzlicher, ehrlicher, schonungsloser.
Sophie hätte dieses Buch, dass die selbst gern als 14-Jährige gelesen hätte, auch anders schreiben können, doch sie hat es auf sehr persönliche Weise getan. Sie nimmt die Leserin mit in ihre Ängste, Komplexe, inneren Kämpfe. Und weil sie es getan hat, ist das Buch so hörens- oder lesenswert.
Und eigentlich will ich sie einfach nur in den Arm nehmen.
Benedict Wells – Spinner
Jesper Lier ist 20, nach Berlin gezogen, mit schriftstellerischen Ambitionen und einem ziemlich verkorksten Leben. Wie verkorkst, erfährt die Leserin auf den Seiten dieses Buches. Schnell ist die Erkenntnis da, dass sich was ändern muss. Und dann zieht sich das ganz schön, der Protagonist sinkt immer tiefer in sein Loch, und wir leiden mit. Das ist bisweilen ganz schön anstrengend. Aber irgendwie gehört das zu Coming-of-Age-Büchern ja auch dazu.
Mathijs Deen – Der Holländer
Schön erzählter Krimi von der Nordseeküste. Leider war für mich recht schnell klar, wer hinter dem Mord im Wattenmeer steckte. Aber schön erzählt isses und ich würde auf jeden Fall auch noch ein Buch des Autors lesen. Zumal dieser Teil nach einer Fortsetzung schreit: Was ist das für ein Typ, dieser Liewe Cupido. Wie kommt es, dass er den Hund aufnimmt? Und wieso darf der eigentlich machen, was er will?
Laetitia Colombani – Der Zopf
Ich mochte, dass jedes Kapitel die Geschichte einer anderen Frau erzählte und wie sie am Ende zusammenfinden. Das Buch hat mich aber vor allem darüber nachdenken lassen, ob es die Marotte unserer Zeit oder Zufall ist, so ausschweifend mit Cliffhangern am Ende von Kapiteln zu arbeiten, so als ob man nicht sicher sein kann, dass die Lesenden nicht doch aussteigen. Ich war mehrfach geneigt, der Autorin zuzurufen, dass mir die Geschichten der einzelnen Frauen und wie sie sich ihre Freiheit auf ihre ganz eigene Weise erkämpfen, genügen.
James Baldwin – Giovannis Zimmer*
Es kommt nicht so häufig vor, dass Bücher mich dazu bringen, andere Bücher zu lesen. Hier traf das zu, denn auf „Giovannis Zimmer“ wäre ich ohne Tomas Jedrowksis „Im Wasser sind wir schwerelos“ wohl gar nicht gestoßen. Der Autor James Baldwin hat dieses Buch gegen alle Widerstände 1956 herausgebracht. Es handelt von einem jungen Amerikaner, der sich seine Homosexualität nicht eingestehen will, sie regelrecht leugnet, was in einer Tragödie endet. Es ist ein Buch über das, was gesellschaftliche Konventionen mit uns machen können. Und auch wenn das Buch in den 50er Jahren spielt, ist es in vielen Regionen auch heute noch nicht möglich, so zu leben, wie man möchte
Benjamin Myers – Offene See*
Robert, tritt, bevor sein Leben als Bergarbeitersohn in den vorbestimmten Wegen weitergeht, eine Reise an. Eine Reise durch das Nachkriegsengland, zu Fuß, sich selbst verpflegend. Er trifft auf Dulcie, eine Frau, die an der Küste Englands ein selbstbestimmtes, einsames Leben lebt. Gemeinsam sind sie ein bisschen weniger allein, Robert öffnen sich Lebenswelten und Dulcie gelingt es nach und nach, den Schmerz zuzulassen und zu verarbeiten, den der Verlust eines ihr lieben Menschen hinterlassen hatte. Ein schönes Buch, das auch zeigt, welche Wirkung Literatur und Lyrik haben können.
Sven Pfizenmaier – Draußen feiern die Leute
Ein Dorfroman. Und das Leben in der Stadt, das, nach dem man sich als Jugendlicher sehnt, spielt in Hannover. Diese Jugendlichen haben alle ihr Päckchen zu tragen: die Herkunft, Ticks, Ängste, das ganz normale Leben. Und manche von ihnen verschwinden einfach. Ein paar von ihnen wollen wissen, wohin. Die einen mögen diese offenen Enden, andere eher nicht. Ich bin noch immer hin- und hergerissen, tendiere aber dazu, dass es gut so ist.
David Walliams – Propeller-Opa*
In diesem Buch geht es um den 2. Weltkrieg. Da war der Opa von Jack nämlich als Pilot im Einsatz. Und durch seine Demenz lebt dieser nun wieder in der damaligen Zeit. Jack hat einen wunderbaren Weg gefunden, damit umzugehen. Doch der Opa bückst immer häufiger aus und kommt ins Seniorenheim. Mehr verrate ich mal nicht, nur, dass es Walliams wieder gelingt, auch Neunjährige über Wochen hinweg zum Lesen zu motivieren.
Jon Fosse – Das ist Alise
Literaturnobelpreisträger! Das Buch ist es der Blick in die Gedankenwelt einer älteren Frau, deren Mann irgendwann das Haus verlies und niemals wieder kam. Auch wenn die Perspektiven wechseln, bleibt eines gleich: die Sprache. Monoton, wiederholend, in einfachen Sätzen geht es in die Vergangenheit des Mannes, in dessen Elternhaus die ältere Frau immer noch lebt. Erinnerungen kommen hoch.
Für die einen mag das hohe Literatur sein und ein besonderer Umgang mit Sprache. Für mich war es anstrengend, der Handlung zu folgen.
Marie Benedict –Die einzige Frau im Raum Hätte die Geschichte einen anderen Verlauf nehmen können, wenn man auf eine Frau gehört hätte? Das ist das Thema dieses Buchs. Und es wird an Hedy Lamarr erzählt, die eigentlich Hedwig Maria Kiesler heißt und jüdischer Abstammung ist. Als junge Schauspielerin heiratet sie einen österreichischen Waffenhändler, der allerdings vor allem an ihrem Aussehen interessiert ist und sich dadurch bessere Geschäfte erhofft. Durch ihn erhält sie Zugriff auf das Wissen, das sie später nutzt. 1937 verlässt sie ihren gewalttätigen Ehemann und flieht nach Hollywood. Dort wurde sie zu einem weltberühmten Filmstar, der nebenbei daran arbeitet, die Waffen der Alliierten zu verbessern.
Marie Benedict erzählt die Geschichte packend, sodass es nicht schwerfällt, dranzubleiben. Und das Buch hat mich dazu gebracht, herauszufinden, wie viel Wahres hier verarbeitet wurde. Mein Schluss: alles auch immer eine Frage der Interpretation. Das hat bei mir ein wenig Enttäuschung ausgelöst.
Carsten Henn – Der Buchspazierer
Das lag bei meiner Schwiegermutter herum und weil ich an dem einen Morgen nicht mehr schlafen konnte, habe ich es mir geschnappt.
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