Harry Potter

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Wenn ich jemanden nach langer Zeit wieder treffe, weiß ich wieder, was mir gefehlt hat.

So oder so ähnlich geht einer dieser Eso-Sprüche, die derzeit ja auch gerne mal bei Facebook und Co. rumgereicht werden, um Reichweite zu generieren. Aber das Schlimme ist ja, dass da was dran ist. Triffste eine Freundin nach langer Zeit wieder und letztendlich kommt es auf die ersten Minuten an: Ein paar liebe Worte und die große Frage, klappt das noch? Geht man inspiriert, beseelt auseinander, weil die Vertrautheit sofort wieder da ist, man nicht um den heißen Brei herumredet, sondern die Dinge beim Namen benennt, weiß, dass auch ein bisschen Lästern sofort wieder geht. Oder endet es steif nach ein bisschen Höflichkeitstalk und einem „Wir sehen uns“, was sich hinziehen wird, bis man sich noch einmal traut, einen Neuanfang zu starten oder man sich aus den Augen verliert.

Und mit Harry Potter ist es ein bisschen so. Ich habe die Bücher verschlungen, bin abgetaucht in die Welt von Hogwarts, habe gebangt, Nächte durchgemacht, weil ich unbedingt wissen wollte, wie es weiter-/ ausgeht. Habe auf den nächsten Band gewartet und alle in englischer Sprache gelesen, weil bis zur Übersetzung warten? Pfft. Dauert zu lange.

Und dann gibt es plötzlich mit „Harry Potter and the cursed Child“ ein Buch, was so ganz plötzlich erschien, ich hatte die Ankündigungen irgendwie übersehen und sah das Buch plötzlich in meiner Snapchat-Timeline oder vielleicht war es auch Twitter. Buchcover gesehen und dann war es geschehen, ich musste es haben. Interessanterweise ausgedruckt, auch wenn ich in letzter Zeit auch sehr viele Bücher in der E-Book-Variante auf dem Smartphone gelesen hatte, Harry Potter musste ich ausgedruckt haben. Und dann machte ich etwas, was ich auch schon lange nicht mehr getan habe: Ich ging in eine Buchhandlung und bestellte das Buch dort vor, weil bei Amazon als nächstmöglicher Liefertermin der 22. August angegeben wurde. Dienstag bestellt, Donnerstag zum Abholen bereit und am Freitagabend hatte ich es komplett durchgelesen.

Durchgelesen und glücklich, weil dieses vertraute Gefühl sofort wieder da war, obwohl ich keinen Wälzer gelesen hatte, sondern ein Theaterstück, schön mit verteilten Dialogen, aber so wunderbar weiterentwickelten Personen. Das Trio ist erwachsen geworden und kämpft nicht nur für das Gute sondern auch mit ihren Kindern. Harry und Ginny haben drei Kinder in die Welt gesetzt und man kann sich so richtig vorstellen, wie schwierig es sein muss, einen so prominenten Vater zu haben. Meine Lieblingsfigur Hermione Granger hat zwei Kinder und ist Minister of Magic, was sonst.

Aber ich will gar nicht so viel verraten und hoffe, dass meine Zeilen hier zumindest dafür sorgen, dass auch ihr dieses Buch lest oder euch nach all den Jahren einfach doch noch dazu entscheidet, der Potter-Reihe noch eine Chance zu geben. Es sind einfach ganz wundervolle Bücher.

Next step: Theaterkarten in London besorgen.

72 Zeichen bei Twitter


Dieser Tweet ist in vielerlei Hinsicht ein besonderer. 72 Zeichen, hingerotzt, nachdem ich gelesen hatte, dass Innenminister Thomas de Maizière nur wenige Stunden nach München eine neue Killerspieledebatte forderte, obwohl man zu dem Zeitpunkt noch viel zu wenig über die Hintergründe des Täters wusste.

Es ist mein erster Tweet, der mehr als 500 Mal geretweetet und mehr als 900 Mal mit einem Herzchen gekennzeichnet wurde oder sagen wir es anders: Es ist mein erster Tweet, der meine eigene Twitterblase verlassen hat.

Seit Tagen denke ich nun darüber nach, ob man irgendwas daraus lernen kann, ob man irgendwas ableiten kann. Irgendwelche fünf Punkte, um daraus ein kleines Listicle zu machen oder ihn demnächst in Socialmedia-Vorträge einzubauen. Ich komme allerdings nur auf drei Dinge, die ich aus diesem Tweet ableiten würde.

Erstens: Hätte ich länger über diesen Tweet nachgedacht, wäre er vermutlich viel zu verkopft gewesen, um so weit verbreitet zu werden.

Zweitens: Die Killerspieledebatte ist ein heißes Thema bei Twitter.

Drittens: Timing. Der Tweet wurde kurz nach oder vielleicht sogar noch während der Pressekonferenz des Innenministers verfasst und veröffentlicht.

Könnte sonst natürlich auch alles ein großer Zufall gewesen sein.

Ein Sommer in Österreich

Ich bin ja nicht nur ein Stadtkind, sondern auch sehr norddeutsch und somit ein Anhänger des flachen Landes. Den Sommer meiner Kindheit habe ich mit der Ostsee in Erinnerung, bei Wasser, Sandstrand und weite Sicht kann ich entspannen. So meine bisherige Theorie. Die Überschrift lässt erahnen, dass ich somit in diesem Jahr ein für meine Verhältnisse größtmögliches Experiment gewagt habe und Urlaub in den Bergen gemacht habe. 

Das erste Learning: Weite Sicht geht auch in den Bergen, ich muss nur weit genug oben sein. 

Und man kann in den Bergen wirklich einen sehr wunderbaren Sommerurlaub verbringen. Vor allem mit Kindern. Ich habe bisher noch keine Gegend erlebt, in der es mehr Restaurants und Biergärten mit angedocktem Spielplatz, Minibauernhof, ja meist sogar kleiner Kettcarrennstrecke gibt. Und zwar auch noch so, dass Eltern nebenbei sitzend in Ruhe Getränke und Mahlzeiten zu sich nehmen konnten. 

Es gibt jede Menge zu lernen, erleben. Vor allem in der Natur. Ob Schluchten, Bergtouren, Burgen  oder nem ganz normalen Spaziergang in den nahegelegenden Wald – immer gibt es etwas zu entdecken: Ameisenhügel, Mäuselöcher, Wasserfälle, reißende Bäche. 

Und wenn mal wieder ein bisschen mehr Action gewünscht ist, geht es halt hoch auf einen Berg. 

Kaiserschmarrn, Backhendlsalat, Gulasch. 

Salzburg. 


Wolkenformationen. 

Und immer wieder Berge. Ich seh mich schon den ersten Skiurlaub meines Lebens buchen. Oder zumindest die Skihalle auszuprobieren. Und selbst Outdoorurlaub kann ich mir wieder vorstellen. Irre, dieses Österreich. 


Was ich allerdings gar nicht empfehlen kann: rausfahren, also aus Österreich. Ganz schlimmes Prozedere mit langen Wartezeiten. Horst Seehofer sei dank.

Über das große Ganze.

Ich habe gerade das Buch von Thomas Lindemann gelesen, in dem er beschreibt, warum er mit Frau und drei Kindern nach Neukölln gezogen ist. Ok, das ist jetzt nicht buchfüllend, es geht auch darum, wie Neukölln war und ist und zu dem geworden ist, was es heute ist. Er beschreibt auch, was schief läuft bei uns, und zwar nicht unbedingt in Neukölln, sondern zum Beispiel am Prenzelberg.
Kurz und viel zu verkürzt zusammengefasst: Wir fordern zwar in allen Bereichen Diversität, aber leben alles andere als divers. Diverse Teams, also nicht nur Männer und Frauen zusammen sondern auch unterschiedliche Kulturen, Hautfarben und Altersstufen sind gut in Unternehmen, Führungspositionen etc. Wer sich nur einmal die Vorstandschefs der Dax30-Unternehmen anschaut, weiß, was ich nicht meine.

In der Kita wird unter Müttern gerne die Nase gerümpft, wenn das eine Kind immer als letztes abgeholt wird. Das können doch keine guten Eltern sein, hört man immer wieder. Lässt man die Kinder zum Geburtstag der älteren Kindergartenfreundin gehen, auch wenn diese dunkle Haut hat? Oder wenn die Eltern bisher nur durch ihr gebrochenes Englisch mit stark russischem Akzentaufgefallen sind? Und warum ist es nicht ok, wenn die Mutter die Tochter lieber noch eine Stunde in der Kita bleibt, um noch im Fitnessstudio zu trainieren?

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Wir leben nicht divers, sondern umgeben uns immer mehr mit den gleichen Meinungen. Das fängt bei den Twitterblasen jedes Einzelnen an, bei den Facebookblasen. Andersdenkende werden (zu recht und zu unrecht) ausgeschlossen. Dies soll kein Plädoyer dafür sein, sich auf all die Hasskommentare da draußen einzulassen. Aber sich abzuwenden und auf gar keine Diskussion einzulassen? Diskussionen – auch moderiert – nicht mehr zuzulassen? Natürlich kann ich nachvollziehen, dass dabei auch monetäre Gründe eine Rolle spielen. Aber Fakt ist: Kommentarspalten werden geschlossen, „Andersdenkende“ werden bei vielen Nachrichtenseiten ausgeschlossen. Wichtige Diskussionen werden woanders geführt, in Räumen, auf die sich die meisten nicht einlassen. Aus den unterschiedlichsten Gründen, aber auch weil es mühsam ist und weh tun kann. Nicht nur in der Medienlandschaft verebbt der Diskurs.

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Es langweilt mich wahnsinnig, wenn der Innenminister bei dem ersten Hinweis auf ein Computerspiel reflexartig die Killerspieldebatte belebt. Oder Politiker zu Tatorten oder Orten von Naturkatastrophen reisen, um sich dort publikums- und medienwirksam ein „Bild der Lage“ machen. Oder wenn kurz vor Wahlen reflexartig Versprechungen gemacht werden, bei denen klar ist, dass sie nicht bezahlbar oder politisch nicht durchsetzbar sind. Es führt auch bei mir dazu, dass ich mich in der letzten Zeit immer weniger für das politische Geschehen interessiere. Ich ertrage das oft nicht mehr: diese Sprache, das Taktieren. Es nervt mich, Interviews mit hochrangigen Politikern zu lesen oder zu schauen, was sicherlich auch an den fragenden Journalisten liegen kann, aber ganz sicherlich eher dem Zusammenspiel beider Systeme – Politik und Medienbetrieb geschuldet ist. 

In mir keimt Verständnis für all diejenigen auf, die sich abwenden von diesem System, die nach Alternativen suchen. Ich kann nachvollziehen, wie den Brexit-Anhängern der Wahlsieg gelang, warum ein Mann wie Trump möglicherweise der nächste US-Präsident wird, wieso in Europa Kräfte erstarken, die sich gegen all diese politischen Rituale stellen und sich als Alternative präsentieren, auch wenn sie keine echte sind. Sie setzen auf Parolen und Populismus und haben damit Erfolg. 

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Sebastian Matthes schreibt an seinen Sohn Erik, dass dieser einmal im Geschichtsunterricht über das Jahr 2016 reden werde. Und das wir vermutlich kämpfen werden müssen für die Gesellschaft, in der wir groß geworden sind, weil die Ereignisse und Gewalttaten der letzten Wochen und Monate gezeigt haben, dass da gerade etwas kaputt geht. Kämpfen. Was für ein großes Wort, dass er sicherlich mit Bedacht gewählt hat, mit dem ich aber nun schon eine Weile hadere. 

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Nicht nur die Ereignisse der vergangenen Wochen und Monate haben etwas verändert. Dieser schleichende Prozess bricht nur gerade auf und macht Brüche sichtbar. Und wenn wir all das aufhalten wollen, müssen wir bei uns anfangen. Also ich bei mir, du bei dir und wir bei uns. 

Einfach mal mit all denen sprechen, mit denen man nie ein Wort gewechselt hat, dem älteren grimmig dreinschauenden Mann in der Straßenbahn ein paar nette Worte schenken, um ihn zum Lächeln zu bringen. Der aus Syrien zugezogenen Nachbarin mit den drei Kindern einfach mal die Einkaufstasche nach Hause tragen. Sich auf eine nervige Diskussion einlassen, in der Hoffnung überzeugen zu können. Wählen gehen. Politik neu denken und machen. Für neue Werte im Arbeitsleben kämpfen. Diversität leben. Sich trauen. Ich hoffe, es ist nicht zu spät

#brexit oder das Ende einer längst gescheiterten Ehe

Ich glaube es war Lionel Barber, der am Mittwoch im „Handelsblatt House“ das Bild bediente: Großbritannien und die Europäische Union, das ist sowas wie eine loveless marriage, eine Ehe, der die Liebe verloren gegangen ist. Die Partner sind noch zusammen, vielleicht aus Mangel an einer Alternative, Gewohnheit, wegen der Kinder. 
Wenn man das weiterspinnt, dann ist Großbritannien am Donnerstag quasi ausgezogen. Das Trennungsjahr hat begonnen. Es ist noch nicht richtig fix, man weiß nicht, wie es weiter geht. Es ist ein Versuch, erst einmal alleine klarzukommen.
Und dann sind da die Kinder, Wales, Schottland, Nordirland, alle sind betroffen und jeder von ihnen muss die Konsequenzen für seine Zukunft treffen. 

Natürlich ist das Umfeld geschockt, denn schließlich können sich alle nicht mehr an die Zeit erinnern, wie es war, als man noch getrennte Wege ging. Also ein bisschen schon, die Älteren sicher, aber die Jüngeren, die kennen die Welt nicht wie sie früher war. 

Die einen wenden sich ab, sortieren sich und eruieren, wie sie ihr Verhältnis nun sortieren sollen. Sich auf eine Seite schlagen?
Und die Ehepartner selber? Während die EU jetzt schnell machen will, um Unsicherheiten zu vermeiden oder einfach diese unschöne Nummer hinter sich zu bringen, um weiterzuleben, wird sich Großbritannien wohl gerade bewusst, was es an Europa dann auch mal hatte. 
Und ich persönlich? Ich bin durch und durch europäisch geprägt. Zwischen der siebten und achte Klasse war ich das erste Mal in England, drei Wochen Sprachkurs in Cornwall. Ich habe nach der Schule ein Jahr in Birmingham gelebt und mit dem Gedanken gespielt, zu bleiben. Auch wenn ich mich am Ende doch für Berlin entschieden habe. Aber ich liebe diese Insel mit ihren Bewohnern, die Eigenheiten und schon damals spürte ich die Skepsis gegenüber Europa. 

Ich habe diese Skepsis immer abgetan als das übliche Gegrummel gegenüber Strukturen, Institutionen, Machtverschiebungen. Ich kann mir den Weg wieder raus aus dieser zusammenwachsenden globalisierten, digitalisieren Welt nicht mehr vorstellen. Auch wenn ich mich über dieses bürokratisierte Europa mit all seinen Ecken und Kanten durchaus das eine oder andere Mal aufgeregt habe. Ich bin also einer der Beteiligten, eine, die jetzt denkt, dass die sich mal trennen könnten, hätte ich nicht für möglich gehalten. Auch wenn ich mich durchaus immer mal wieder gefragt habe: what if we could change it? Aber bisher sah es nicht so aus, als ob das wirklich möglich war. 

Aber let’s face it: Zwei Tage danach verschwindet zumindest meine eigene Verkatertheit und Trauer und ich schaue nach vorn. Denn eigentlich hat sich die Möglichkeit, etwas zu verändern, jetzt aufgetan. Wir müssen etwas verändern, wenn wir wieder lieben wollen. Denn den Status einer loveless marriage – wer will den ernsthaft zurückhaben?

Wir wollen doch nicht nur vernünftig sein. Wir wollen lieben, lachen und höchstens ab und zu mal leiden. Wir sollten für die echte große Liebe kämpfen, und wenn es diese nicht mehr gibt, dann sind wir glücklicher allein. 

Die rpTEN und ich

Das Programm ist durchsucht, die ersten Verabredungen getroffen, auch wenn ich diese vermutlich sofort am Montag wieder verwerfen werde, weil ich denjenigen, den ich erst Mittwoch sehen wollte, gleich zu Beginn erwische. Vermutlich werde ich auch nicht in die Sessions gehen, die ich mir jetzt angesternchend habe, sondern die komplett anderen, aber das macht nichts, weil auch das gehört zur re:publica komplett dazu.
Zehn Jahre ist sie her, die allererste re:publica, damals stark davon geprägt, was in der noch junge Subkultur Blogs so geschah. Doch über dieses Stadium ist die re:publica längst hinweg, spätestens seit dem Umzug in die Station ist die eine der wichtigsten Digitale-Gesellschaftskonferenzen Deutschlands geworden, weil sie eben auch so breit Themen abbildet wie keine andere. 
Die re:publica ist eine der wenigen Konferenzen, die ich wirklich schon häufig (und nur babybedingt mal nicht) besucht habe. So viele Menschen, die irgendwie vertraut sind, weil sie zu meiner Filterblase gehören oder was damit zu tun haben. Und dann treffe ich Menschen wieder, die ich auch mal ein paar Jahre nicht gesehen aber immer bewusst oder unbewusst verfolgt habe, was sie so treiben. Und jedes Mal gibt es wieder den Moment, in dem ich jemanden ein „Ach du bist das“ zurufe. 
Ich freue mich schon auf euch, auf die Gespräche, ne Club Mate (trinkt man das noch?), auf den Input und die ruhigen Momente auf dem Affenfelsen. 
Wer zuschauen will, wie ich auf der Bühne versuche, eine Person durch geschickte Fragen zu erkennen und dann noch ein spontanes Interview zu führen versuche, komme am Dienstag um 20 Uhr auf Stage 2 vorbei. 
Das Digitale #Quartett live on stage #rpTEN

Giving a f*ck

Von allen Musikern, die 2016 nun schon gestorben bin, hat mich David Bowie am meisten berührt. Weil es eine Zeit gab, in der ich unendlich viel Bowie gehört habe. Es gab keine Zeit, in der ich wirklich viel Prince oder Roger Cicero gehört habe, aber dass es für die beiden so früh zuende ging, hat mich bewegt. Wegen der Häufung mache ich mir nun sehr große Sorgen um Morrissey (Gerüchte um eine Krankheit gibt es seit langem), Lindenberg (70!) und all die anderen, die mir viel bedeuten, aber vielleicht aufgrund des nicht ganz so ausufernden Lebensstils nicht allzu gefährdet sind. Ach fuck, sterben ist immer scheiße und es müssen ja nicht immer das Alter und Drogen schuld sein. 

Dieses Internet mit all seinen seltsamen Strukturen bereichert, bringt einem Dinge nahe, die einem vielleicht gar nicht begegnet wären. Und da ich mich seit mehr als 13 Jahren auch in dieser Filterblase der Weblogs herumtobe, habe ich Menschen kennengelernt, die mir durch ihre Internetseiten ans Herz gewachsen sind, obwohl wir uns noch nie getroffen haben. Und dann sterben Kinder dieser Menschen und es haut mich um. In diesem Jahr schon zweimal passiert. 

Jessica hat mich dazu gebracht, mit dem Häkeln anzufangen. Monatelang habe ich auf Basis eines Babydeckenmusters eine Decke gehäkelt, die jetzt viel zu schwer und schade für den Regelgebrauch ist, die ich aber sehe liebe, auch weil sie mir immer wieder vor Augen führt, dass ich jetzt Häkeln kann. Gestern haben Angehörige in ihrem Blog die Nachricht veröffentlicht, dass Jessica den Kampf gegen den Krebs verloren hat. Noch eine. Und sie war ungefähr mein Alter. 

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Nicht ebensowenig berührt es mich, wenn geschätzte Kollegen nicht mehr im Unternehmen sind, doch angesichts der oben genannten Schicksale wirken solche Ereignisse dann doch wie Lapalien. Ja, jeder ist ersetzbar, irgendwie, aber nicht als Mensch. Immer wieder sind Kollegen gekommen und gegangen, ich selbst ja auch, und ich habe es selbst in der Hand Kontakte zu halten oder eben nicht. Wenn ein Mensch stirbt, gibt es diese Option nicht. 

Ich will keine Phrasen dreschen, nur Selbstverständlichkeiten wiederholen, damit wir, damit ich mir wieder einmal bewusst mache, worauf es ankommt. Giving a fuck about the things that really matter, Familie, Freunde, ein erfüllendes Leben führen und nicht am Ende zu bereuen, es nicht getan zu haben. Und wann das Ende kommt, haben wir alle nicht in der Hand. Dank Christiane lese ich jetzt „The life-changing magic of not giving a f*ck„. Ich glaube es könnte mir helfen.

Buch: Der Pfau

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Ich hatte die Frau in der Buchhandlung nur gefragt, in welchem Regal ich wohl „Der Pfau“ von Isabel Bogdan finden würde. Sie führte mich nicht nur direkt dorthin, sondern wies mich auch auf ihre Kurzkritik hin. „Charmant erzählt und echt witzig“, hatte sie dort geschrieben und weil sie so freundlich war, erzählte ich ihr kurz, dass ich die Autorin schon seit Jahren im Internet lese. (Und auch mal auf einer Party von ihr war, aber das erzählte ich ihr nicht.) „Grüßen Sie sie von mir“, sagte die freundliche Mitarbeiterin und ich machte mich auf den Weg zur Kasse.

Es sind meistens nicht die schlechtesten Bücher, die in Buchhandlungen mit Kurzkritiken geadelt werden. Und es gibt nicht viele Bücher, die ich lese, weil ich die Autorin „kenne“. Weil ich eigentlich kaum Autoren wirklich kenne, es sei denn sie sind Musiker und ich war auf diversen Konzerten von ihnen und schreiben dann plötzlich ein Buch. Und eigentlich haben es solche Bücher natürlich viel schwerer, weil ich eine bestimmte Erwartung habe und diese Bücher irgendwie auch wirklich gerne haben will.

Was ich aber eigentlich sagen will: „Der Pfau“ ist toll, anders als erwartet, aber flott geschrieben, man kommt unglaublich schnell in das Setting rein und es ist aufregend, wie sich die gesamte Handlung um diesen verrückt gewordenen Pfau entspannt. Bei dem Satz „Alle freuten sich, dass sie mit dem Teambuilding so gut vorangekommen waren.“ musste ich sogar kichern. Und am Ende: legte ich das Buch zufrieden beiseite. Schon allein wegen des Schlusses hat sich die Lektüre gelohnt.

Nächstes Buch auf dem Stapel: Sarah Kuttners „180 Grad Meer“. (siehe oben)

Panikherz, Stuckimann, Udo und ich

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Heute wurde ich gefragt, ob ich „Panikherz“, das neue Buch von Benjamin von Stuckrad-Barre empfehlen würde. Und zwar weil die Person gerade auf der Suche nach etwas Inspirierendem sei. Ich muss ganz ausdrücklich sagen, für diese Kategorie eignet sich dieses Buch wirklich nicht. Zu viel Vollrausch, zu düster, zu depri. Denn ja: Mich hat „Panikherz“ berührt und wirklich mitgenommen.

Ich gehöre zu einer Generation, die eigentlich mit allen Protagonisten des Buches sehr viel anfangen kann. Benjamin von Stuckrad-Barre ist so ungefähr meine Generation, er ist Teil dieser Medienblase, und er hat, wie ich irgendwann lernte, sehr viel Musik gehört, die ich auch gehört habe. Ich habe so ungefähr fast alle seiner Bücher gelesen und irgendwie gehört er zu den wenigen deutschen Schreibern, die ich über all die Jahre hinweg gelesen habe, ja, nach denen ich sogar gegoogelt habe, weil ich mal wieder was Neues von dieser Person lesen wollte. Fangirl wäre der falsche Begriff, obwohl man schon sagen kann, dass ich seine Art zu reportieren, seine klare Sprache, seine Distanzlosigkeit, seine abschätzende Haltung gegenüber so ziemlich allem immer geschätzt und gemocht habe. Umso mehr war ich eigentlich überrascht, als ich irgendwann hörte, dass ausgerechnet dieser Mann einen Udo-Crush hat. (Sekundärliteratur: „Die Wiederauferstehung des Udo Lindenberg„).

Und ich gehöre auch zu dem Personenkreis, der schon früh mit dem Liedgut von Udo Lindenberg in Berührung gekommen bin. In meiner Erinnerung ist eine der prägendsten Lindenberg-Lieder „Wozu sind Kriege da?“. Gehört auf Kassette in Berlin-Marzahn auf dem Kassettenrecorder meiner Eltern. Mich hat damals extrem berührt, dass ein Kind singt, dass ein Kind diesen Text singt. Ich weiß nicht mehr, ob ich damals schon wusste, was Atomraketen sind.

Sie laden die Gewehre und bringen sich gegenseitig um
sie stehn sich gegenüber und könnten Freunde sein
doch bevor sie sich kennenlernen, schießen sie sich tot

Dass mein erstes Konzert ein Udo-Lindenberg-Konzert war, ist nicht nur der Tatsache geschuldet, dass meine Mutter schon immer Fan war. Ich weiß noch, dass wir einige der wenigen Kinder waren, die da auf diesem Lindenberg-Konzert in der Bremerhavener Stadthalle mit durften, nachdem wir einige Monate vorher gemeinsam die innerdeutsche Grenze überschritten hatten. Gemeinsam. Es war also auch ein symbolischer Akt. Und auch der Besuch meines zweiten Lindenberg-Konzerts 2008 oder so war besonders, weil wir da zu dritt hingegangen sind, die übrigen drei, meine Mutter, mein Bruder und ich. Und wie mir bei „Horizont“ die Tränen liefen, ja, klingt total nach Klischee, aber Udo ist Klischee und Udo ist aber auch ein Teil meiner Familie und die war 2008 eben nicht mehr vollständig und da heule ich eben.

Und dann sind wir auch schon mitten im Buch „Panikherz“, mitten im rastlosen Leben von Stuckrad-Barre, der in seinem Dauerkokainrausch immer wieder bei Udo Lindenberg einen Ruhepol findet. Ausgerechnet irgendwie, obwohl es alles so logisch klingt.

Es ist erstaunlich, wie konsequent Stuckrad-Barre bei seinem Stil bleibt. Mit der gleichen Skrupellosigkeit wie er über eine Begegnung mit Angela Merkel, Guido Westerwelle oder anderen Größen des gesellschaftlichen Lebens schreibt, schreibt er auch über sich. Über sein Leben, seinen Rausch, seine Essstörung, seine vielen Schwächen. Es ist genau dieser Ton, der mich so mitgenommen hat, diese Distanzlosigkeit gegenüber sich selbst.

„Panikherz“ ist aber auch eine Reise durch das musikalische Werk von Udo Lindenberg, fast alle wichtigen Songs werden erwähnt, zitiert und am Ende auf zwei dicht beschriebenen Seiten erwähnt. Ich habe eine unvollständige Spotify-Playlist erstellt.

Was soll ich sagen: Lest den Stuckimann. Und nach diesem Buch bin ich mir sicher, dass jeder Deutsche eine kleine Udo-Lindenberg-Geschichte erlebt hat.

Zehn Jahre Twitter und ich

Ich bin seit knapp neun Jahren bei Twitter, das ist recht viel, wenn man bedenkt, dass Twitter in diesen Tagen gerade mal zehn Jahre alt wird. Und was war ich begeistert! Ich folgte Menschen, die ich aus dem Internet kannte und sie folgten mir. Wir erzählten uns von unserem Leben, empfahlen uns Texte, schauten gemeinsam Trash-TV und Tatort und überboten uns mit schlechten Witzen. Ich baute mir einen eigenen Nachrichtenstream und musste nicht mehr in die Agenturen gucken, wusste aber trotzdem über die großen Ereignisse Bescheid. So brachten wir damals Michael Jackson redaktionell unter die Erde, weil ich es bei Twitter gesehen hatte. 

Nachrichten wurden plötzlich ganz anders erzählt! Erinnert ihr euch noch an die Notlandung des Flugzeuges im Hudson River? Also natürlich an das Foto? Oder das legendäre Foto der Obamas nach dem Wahlsieg? Kampagnen gingen plötzlich so wie #aufschrei? 

All das ist Twitter und noch immer schätze ich den Dienst. Wegen seiner Begrenztheit auf 140 Zeichen. Wegen der immer noch anhaltenden Nützlichkeit in Bezug auf die Nachrichtenverfolgung, ok, das klingt jetzt sehr sperrig. 

Aber Twitter ist nicht mehr alleine da. Facebook kann vieles ein bisschen besser und ist verbreiteter, Whatsapp und der  Messenger ersetzen die direct messages. Fotos gehen auf Instagram besser und seitdem ich Snapchat nutze, schaue ich noch weniger in Twitter rein, sondern immer öfter in Nuzzel, weil es mir die wichtigen Geschichten aus meinem Netzwerk so übersichtlich anbietet, ohne dass ich viel scrollen muss. 

Danke Twitter für die Zeit, mal sehen, ob und wie es mit uns weitergeht.