Ein Fernsehmärchen

Es war einmal eine Moderatorin beim Kuschelsender. Jeden Tag moderierte sie ihre kleine Sendung. Live – wie es hieß. Dafür musste sie nicht viel tun. Die Moderationen konnte man glücklicherweise ablesen und gut Aussehen bekam sie dank Make up und Fitnessstudio auch ganz gut hin. Ok, wenn mal ein Anrufer in die Sendung geschaltet wurde, gab es das eine oder andere Problem, besonders wenn sie sich dann auch noch eine mehrstellige Zahl merken musste. Aber irgendwie meisterte sie dann doch jede Situation. Kleine Fehler sind ja auch menschlich. Und menscheln, ja, das war eines der Prinzipien der Show.

Irgendwann sanken die Quoten dann. Trotz ihrer Moderation. Immer weniger wollten die kleine Sendung sehen. Und dann hieß es plötzlich, dass sie zum Ende des Jahres aufhören werde.

Die Fernsehnation schrie nicht auf, man nahm es hin. Vielleicht weil man ahnte, dass sie sich bald neuen Aufgaben stellen werde. Und es dauerte keinen Monat, da war sie schon wieder da.

Zwar nun nicht mehr beim Kuschelsender, aber bei einem anderen privaten. Und ihr Berliner Studio hatte sie auch eingetauscht, gegen den Dschungel.
Und dort haust sie nun. Mit acht anderen großen Köpfen des deutschen Fernsehen. Und um dem lieben Publikum mal so richtig was zu bieten, lästert die gute Frau über ihre Mitstreiter. Will nicht mit jedem („Ich möchte mich nicht von ihm begleiten lassen“), mag seine Stimme nicht („Weißt du, ich sing selber“), findet die Kleidung einer anderen völlig unpassend („Eigentlich ist die ein Öko“). Bemängelt Intellekt („Da fühlt man sich dann einsam“), lästert über künstliche Titten, „gemachte“ Gesichter und vergleicht ihren wunderbaren Körper mit dem einer anderen. Obwohl sie doch älter ist.

Die Krönung: „Der ist doch auch auf dem absteigenden Ast“. Ja, ist er wohl, obwohl er sich ganz gut schlägt. Aber vergiss nicht, meine Liebe – du bist es auch.

Lieb oder zu lieb – die große Frage, an der schon Beziehungen gescheitert sind.
Ist es in Ordnung, jeden Tag anzurufen? Egal, zu welcher Uhrzeit, einfach nur so?
Ist es in Ordnung, das Frühstück zu machen, wenn der andere mit Arbeit beschäftigt ist? Oder sollte man darauf bestehen, gemeinsam zu werkeln? Ist es in Ordnung, am Abend der Abreise dabei zu sein, wenn der andere packt? Und eigentlich ganz andere Dinge im Kopf hat?
Ist es in Ordnung, den anderen vom Bahnhof abzuholen? Auch zu ungünstigsten Zeiten?
Werden solche Gesten schnell falsch verstanden, oder sind sie einfach nur lieb gemeint.
Einfach mal keine Gedanken machen. So handeln, wie man es in diesem Moment gerade möchte.
Oder?

Kennen lernen

Mann trifft Frau. Oder Frau trifft Mann. Sie lernen sich kennen. Verlieben sich. Und sind irgendwann ein Paar. Und dann die Fragen der Freunde. Sie kommen, wenn auch nicht in dieser Reihenfolge: Was macht er? Woher kommt er? Und: Wo habt ihr euch kennen gelernt?
Tja, kennen gelernt. Wo.

Vielleicht auf der Straße. Angequatscht. Mitten auf der Straße, weil er den Weg nicht wusste. Gespräche über die Länge der Unterhosen bei dieser klirrenden Kälte. Telefonnummerntausch.
Oder im Flugzeug. Er saß neben mir. Wir kamen ins Gespräch. Dann haben wir den Rest des Urlaubs miteinander verbracht. Es war Liebe auf den ersten Blick.
Vielleicht auch im Café. An einem Sonntag. Nervös an einem Kaffee nippend, trafen sich unsere Blicke immer wieder. Ein verlegendes Lächeln, dann setzte er sich zu mir. Viel später machte das Café zu. Die Zeit war einfach so schnell vergangen.
Oder im Kino. Er überschüttete mich mit seiner Cola. Und dem Popcorn.
In der Disko? Zu heißen Rhythmen tanzten wir. Und nach einigen Drinks landeten wir in der Kiste.
Oder so: Fahrschein vergessen. Er war’s, der mich erwischte.
Vielleicht ja auch bei der der Arbeit. Erst als ich kündigte, verabredete ich mich mit ihm.
Oder war es im Internet? Nach einem langen Chat, telefonieren wir mehrmals und trafen uns dann einfach mal.
Eins davon muss es doch gewesen sein.

Ist es wirklich so wichtig? Oder ist es die verzweifelte Frage nach den Orten, an denen man endlich selbst den Traummann treffen könnte. Oder die Traumfrau.

Entdeckt

Don wurde also von der Verwandtschaft entdeckt.

Auch ich wurde entdeckt. Damals. Und der Tag, an dem er mich entdeckt, rückt näher. Habe beiläufig erwähnt, dass ich schreibe. Im Internet. Und die neugierigen Fragen verfolgen mich immer wieder. In diesen Momenten ereilt mich das ein unwohles Gefühl. Der Drang, so schnell wie möglich noch einmal alle alten Beiträge zu lesen. Zu sehen, ob irgendwelche banalen Äußerungen zum jetzigen Zeitpunkt womöglich falsch verstanden werden könnten. Denn vieles ist vergangen. Weil die meisten Einträge das widerspiegeln, was ich im Moment des Schreibens gedacht, gefühlt und eben festhalten wollte.
Und ich stehe dazu, dass ich hier schreibe. Es macht mir Spaß. Über das zu schreiben, was ich erlebe. Was mich bewegt. Was mich zum Nachdenken anregt.
Andererseits bemerke ich: Ich werde vorsichtiger. Was mich auch ärgert. Denn so werde ich nicht alles los. Dass was mich auch noch beschäftigt.
Dennoch: Ich freue mich über jeden Kommentar. Über jeden Besucher, seien die Google-Referrer noch so abstrus.
Nur in wenigen Momenten fühle ich mich unwohl. Wenn ich sehe, welche Suchanfragen auf meine Seite führen. Wenn ich höre, wie andere beschimpft werden. Und eben dann, wenn ich nicht weiß, wie es ankommen mag. Das Geschriebene.

WG-Leben

Vielleicht bin ich nicht WG-tauglich. Das kann sein. Vielleicht hat es auch einfach nicht gepasst. Damals. Fakt ist jedoch, dass ich froh bin, alleine zu wohnen. Nur für mich. Mich nicht darüber ärgern, dass der Mitbewohner mal wieder nicht abgewaschen hat. Oder das Badezimmer so was von dreckig ist. Oder der Müll nun schon seit Tagen überquillt. Die Küche könnte auch mal wieder gewischt werden. Und ob es möglich wäre, auch mal vor zwölf zu kochen, so wie es normale Menschen tun, wenn sie am nächsten Tag um acht aufstehen müssen. So schlimm wäre das ja nicht, wenn danach nicht immer in vollen Zügen der Geschlechtsakt vollzogen werden würde. Mit angemessener Geräuschkulisse, versteht sich. Denn der Nachbar soll ja auch was davon haben.
Eigentlich kenne ich keine WG, in der es keine Probleme gibt. Auch wenn Haushaltssklaven wie eine funktionierende Geschirrspülmaschine den Bewohnern unter die Arme greifen. Oder polnische Gastarbeiterinnen einmal die Woche vorbei schauen, zum Reinemachen.
Sicher. So ein WG-Leben hat auch seine guten Seiten. Immer jemand da, der einem zuhört. Jemand, mit dem man gemeinsam einsame Abende verbringen kann. Zum Quatschen, weinen, lachen. Diesen Lebenspartner hat man alleine nicht.
Aber zum Glück gibt es ja Telefon. Die Worte „Mir ist so langweilig“ genügen meist, und schon ist man unterwegs. Und köpft gemeinsam eine gute Flasche Rotwein. Plaudert, lacht und freut sich über die Gesellschaft. Ist sie dann leer und alle wichtigen Gespräche geführt, locken schon wieder die eigenen Wände. Erst ruft sie ganz leise, dann werden die Schreie immer lauter. Denn nichts ist schöner als die Ruhe nach einem Abend in Geselligkeit. Ohne beischlafende Nachbarn. Ohne das Rödeln der Waschmaschine zu später Stunde. Nur ich allein.

Spaziergänge

An Sonntagen. Bei blauem Himmel. Klirrender Kälte. Und dicken Handschuhen. Noch schöner, wenn man nicht alleine ist. Zu zweit. Im Gleichschritt. Und schweigen. Weil es Momente gibt, in denen keine Worte notwendig sind.

FILM: Wolfzeit

Das ist er also gewesen. Der erste Film in diesem Jahr. Wolfzeit. Das neue Werk von Michael Haneke.

Wirklich viel passiert in dem Film nicht. Eine Familie aus der Stadt fährt aufs Land in ihr Ferienhaus. Dort angekommen nimmt die Tragödie seinen Lauf. Der Familienvater wird von der sich dort befindenden Kleinfamilie per Schuss getötet. Zurück bleibt die Mutter, gespielt von Isabelle Huppert, mit ihren Kindern Ben und Eva.

Von nun an sind sie unterwegs. Mit einem Fahrrad und einigen Tüten machen sie sich auf die Suche nach einer Bleibe. Und etwas Essbarem. Was sie dabei erleben, wird erdrückend langsam erzählt. Die Suche nach Ben, der nach der Beerdigung des Wellensittichs aus der Scheune verschwindet, die Bekanntschaft mit dem streunenden Jungen, der von einem wilden Hund gebissen wurde. Das Eintreffen auf einem alten Industriegelände mit Bahnanschluss. Das Warten auf den Zug. Der die Rettung bringen soll. Das Leben in einer kleineren Gemeinschaft, in der Strukturen entstehen, welche dann, beim Eintreffen eines größeren Rudels Menschen, obsolet werden. Immer wieder lange Einstellungen. Auf das Dunkel der Nacht, verzweifelte Gesichter.

Immer dann, wenn man beginnt, sich mit einer Figur zu identifizieren, versucht, zu verstehen, warum diese so handelt, entgleitet sie wieder. Die Mutter, belastet mit dem Tod ihres Mannes und ihren zwei Kindern, wirkt kalt. Fast so, als ob sie all die Ereignisse um sie herum nicht mitbekommen hat. Eva, ihre Tochter, versucht dem streunenden Jungen näher zu kommen. Dies gelingt ihr nicht. Später versucht sie ihre Erlebnisse zu Papier zu bringen. Als die Mutter das Geschriebene in die Finger bekommt und Gefühlsregungen folgen müssten, wird man allein gelassen. Der kleine Ben, der bis zum Ende des Films keinen Ton sagt, nur durch sein Verschwinden, seine Trauer und als Last agiert. Zum Schluss will er durch den Gang ins Feuer seinem Elend ein Ende setzen will – auch dies scheitert, weil die nächtliche Wache ihn davor bewahrt.

Im Kino selbst war ich fürchterlich enttäuscht, wollte am liebsten gehen, weil ich die Langsamkeit nicht ertragen konnte. Nach dem Kino empfand ich den Film als unheimlich konsequent. Konsequent, weil er keine Empfindungen aufkommen lassen wollte. Weil er zeigt, wie Menschen in apokalyptischen Situationen handeln. Allein, in einer kleineren Gruppe, in der Masse. Im Radio wurde dies als nahezu pädagogisches Abarbeiten von menschlichen Notsituationen bezeichnet. Als ich in dem Film saß, empfand ich das ähnlich. Als ich das Kino verlassen hatte und noch mal nachdachte, störte es mich nicht mehr. Haneke war einfach unheimlich konsequent. Und das hat doch was.

Das Jahr der neuen Spießigkeit

Und nun habe ich doch gute Vorsätze gefasst: Einfach das machen, worauf ich wirklich Lust habe. Und ganz besonders all die Dinge, gegen die ich mich bisher so geweigert habe. Weil sie langweilig sind. Nur die anderen machen sowas. Ich doch nicht. Wo kommen wir denn da hin?

Dieses Jahr wird über Silvester und Neujahr an die Ostsee gefahren. Was haben wir die vielen Leute belächelt, die immer von ihren Plänen sprechen, zwischen den Jahren nach Dänemark zu fahren. Wie langweilig. Nix da! Nichts ist schöner als in der Nacht die kühle Seeluft zu schnuppern. Und der Blick aufs Meer.

Dieses Jahr wird die Weihnachtszugfahrt vorher geplant. Und zwar soweit, dass ich noch einen Sitzplatz reservieren kann. Ohne Probleme.

Dieses Jahr wird kein Small talk gemacht, wenn ich nicht will. Einfach mal nichts sagen. Man muss nicht mit jedem reden. Und wenn dann nur, wenn wirkliches Interesse besteht. Und es was zu reden gibt.

Dieses Jahr benutze ich Pronto, wenn ich mal wieder mein Sofa vom Staub der letzten Wochen befreien möchte. Ist praktisch, einfach zu bedienen. Und macht die geliebte Mutter schließlich auch so.

Dieses Jahr könnte man den Sommer-Urlaub ja auch mal vorher planen. So, dass man dann nicht kurz entschlossen, das erste Last-Minute-Angebot bucht. Irgendwohin. Hauptsache weg.

Und wenn Gäste zum Essen kommen, gibt’s auch Servietten.

Bier wird aber trotzdem aus der Flasche getrunken. So wie sich das gehört. Und auch von der Regel „im Sommer Weißwein und im Winter Rotwein“ rücke ich noch nicht ab. Vielleicht ja im nächsten Jahr.

Danke!

Bitte lass uns nicht zu lange allein. Mit den Kerners, Beckmanns, Geissens, Christiansens, all diesen Betroffenheits-Heinis.
Nie wieder würde ich schlecht über Manuel Andrack reden. Abschalten, wenn wieder einer dieser B-Promis auf deinem Stuhl sitzt. Oder wenn mich das Playmobil-Gespiele zu sehr nervt. Ich würde nie wieder während deiner Sendung telefonieren. Bitte gib mir einfach die Möglichkeit, noch kurz bei dir vorbeizuschauen. Vor dem Schlafen gehen. Komm zurück. Egal wie. Und lass mich nicht so lange warten.

Freunde

Zuneigung, Gedanken, Nähe. In der Nacht losfahren, um den anderen zu trösten. Vor ihren Augen tränen zu vergießen und sich nicht zu schämen. Nach einer verkorksten Nacht anrufen dürfen und Duschasyl bekommen. Egal, wie früh es ist. Gemeinsames Lachen. Über eigene Fehler, Macken und Schwächen. Und die des anderen. Weil man weiß, dass es in dieser Zweisamkeit erlaubt ist. Sich freuen. Über gemeinsame Peinlichkeiten. Grandiose Momente. Schwach sein. Wenn man selbst nicht weiter weiß. Meist genügt ein Anruf. Manchmal muss es mehr sein. Aber es geht vorbei. Weil man weiß, dass man nicht allein ist.