Über die (Nicht-)Arbeit

Arbeitslos sein. Ich kenne viele, die das ertragen müssen. Einer von ihnen hat den Kampf gewonnen, Ende vergangener Woche. Die anderen suchen noch. Sie sind alle gut, keine Frage. Trotzdem sind sie einer der knapp fünf Millionen Menschen, die keinen Job haben. Sie fühlen sich unwohl, zweifeln an sich, obwohl vielleicht gar kein Grund besteht und die seltsamen Personalverantwortlichen einfach nur ihre Haarfarbe nicht mochten, oder ihren Namen oder einfach einer ihrer Kumpel den Job kriegen sollte. So funktioniert das oft, das hört man immer wieder und die anderen, vielleicht viel besser Qualifizierten bleiben zurück. No job ist immer noch ein bisschen wie aus der Gesellschaft herausgefallen zu sein. Leider. Wir alle müssen einen haben, nicht nur, um die Existenz zu sichern sondern auch, weil es das Selbstvertrauen hebt. Weil man in der Lage ist, für sich selbst zu sorgen, etwas zu erreichen. Und sei es auch nur die Tatsache, am Ende eines Tages, die Kollegin zum Lachen oder dem Chef ein „Guten Morgen“ entlockt zu haben.
Heute gehen sie wieder in die Gespräche, das Hemd ist gebügelt, der Rock wird kurz vorher noch einmal zurechtgezogen, die Haare müssen sitzen. Sie kramen das freundlichste Lächeln hervor, antworten begierig und warten auf die alles entscheidenden Worte. That’s how it works. Immer und immer wieder. Zermürbende Routinen.
Also, Kinder, Daumen drücken.

Heidelberg

Diese wahnsinnig überschätzte Stadt. Klar, steht in jedem deutschen Reiseführer, deshalb kommen die ganzen Japaner und Amerikaner ja alle hierher und das ist sicherlich ein Grund, warum ich diese Stadt so hasse. Ja, ich hasse sie. Am liebsten würde ich nie wieder hierher fahren. Das geht leider nicht. Aber der Reihe nach.
Nehmen wir einen ganz normalen Sonntag im Dezember. Es regnet, eigentlich ein ideales Wetter, um sich in ein kleines Café in der Innenstadt zu setzen. Wer allerdings glaubt, dass man an einem Sonntag einigermaßen entspannt durch die Heidelberger Innenstadt laufen kann, irrt. Gewaltig. Um zu einem solchen kleinen Café zu gelangen, muss man sich nämlich an unzähligen Menschen vorbeischieben. Diese sind mit Kinderwagen bewaffnet. Oder mit kleinen unförmigen Hunden. Oder Regenschirmen. Oder am besten mit allem auf einmal. Dass was diese Leute machen, nennt man wohl spazieren gehen. Doch eigentlich ist es hre Aufgabe, so im Weg rumzustehen, dass andere kaum an ihnen vorbei kommen. Hinzu kommt, dass diese Menschen allesamt aus dem Umland kommen. Das führt dazu, dass sie eine Sprache sprechen, die wohl vom Deutschen abstammt, allerdings so bescheuert klingt, dass man all diese Menschen für unzurechnungsfähig, provinziell oder einfach dumm hält.
Diese Menschen schieben sich also durch die Innenstadt, vorbei an den Geschäften, die es in jeder deutschen Stadt gibt. Und da es neben dieser Innenstadt kaum andere Attraktionen gibt, gestaltet sich die Suche nach einem Café als sehr sehr schwierig. Während das eine von Studenten mit Notebooks besiedelt ist (Kostenloses W-Lan), ist der Eingang des anderen durch Kinderwagen verstellt, so dass nicht einmal ein Eintreten möglich ist. So landet man dann doch wieder im Café Journal. Und auch dieses Café ist so typisch für diese Stadt. Die Bedienung ist grundsätzlich unfreundlich. Bis man seine Bestellung aufgeben kann, vergehen Stunden. Bestellt man dann einen Kaffee mit und einen ohne Vanille-Aroma und fragt bei Lieferung, welcher nun mit dem Zusatz und welcher ohne ist, erhält man immer eine Antwort. Nur nie die richtige. Das führt dazu, dass eines der Getränke nicht mehr genießbar ist, weil man – auf das Gute im Menschen vertrauend – eine ordentliche Ladung Zucker in den Kaffee gießt. In den falschen, nämlich den mit Aroma.
Aber nicht nur die Bedienung in diesem Laden ist ein Graus. Denn obwohl dieses Café „Journal“ heißt, sieht man es sehr ungern, wenn Menschen dorthin kommen, um die Zeitung zu lesen. Das führt dazu, dass bei einbrechender Dunkelheit, also so gegen vier, das erste Mal das Licht per Dimmer heruntergedreht wird. In 15-minütigen Abständen wird es immer dunkler, so daß man ab 17 Uhr jede Lesetätigkeit einstellen muss. „Gemütlich“ nennt die Bedienung das auf Nachfrage. Ich nenne es schlicht „eine Frechheit“.
Genervt verlässt man daraufhin das Lokal, um sich dann wieder durch die Innenstadt zu schieben. Mittlerweile haben auch die alten Damen und Herren ihren Kaffee ausgetrunken und „spazieren“ durch die Straße. Der Regenschirm darf nicht fehlen. Kommt man dann irgendwann doch noch am Auto an, ist die Stimmung im Keller, der Hass auf die Menschheit groß – sprich der Sonntag ist gelaufen.
Doch Heidelberg ist nicht nur an einem Sonntag ungenießbar. Die Stadt hat zwar einen Fluss, aber auch dieser eignet sich nicht, ihn zu mögen. Wer an seinem Ufer entlang laufen will, muss sich ebenfalls an Menschenmassen vorbeidrücken. Wer im Sommer auf der nahegelegenden Neckarwiese ein wenig verweilen möchte, kann dies lediglich mit unzähligen Studenten, Bierflaschen oder Grillgesellschaften tun. Sowieso der Sommer. In dieser Jahreszeit kann man Heidelberg ebenfalls vergessen: Wegen der Berge steht die Luft, es ist drückend heiß.
Ich könnte noch mehr Gründe gegen Heidelberg benennen. Zum Beispiel den völlig beschissenen öffentlichen Nahverkehr. Die irrationale Straßenführung. Die überhöhten Mieten. Die teuren indischen Restaurants. Aber es hilft nichts. Solange der Mann meines Herzens in dieser Stadt lebt, werde ich immer wieder zurückkommen müssen. Einziger Ausweg ist, ihn hier wegzulocken. Doch wie stelle ich das bloß an?

(Dieser Text erscheint parallel auch im Motzblog.)

Jörg Böckem: Lass mich die Nacht überleben

Ich weiß gar nicht, wie lange dieses Buch auf meiner Wunschliste stand, eine Ewigkeit muss es gewesen sein. Vor zwei Wochen entdeckte ich es dann als Taschenbuch im Buchladen und griff zu. Ein sehr einfühlsamer Bericht über die Drogensucht des Journalisten, die ihn 20 Jahre lang begleitete. Sehr fesselnd, sehr traurig, sehr verzweifelt.

Hach, Harald.
(Wenn ihr wüsstet, wie doppeldeutig eine wie ich diesen Satz interpretieren kann.)

FILM: L’Auberge Espagnole – Wiedersehen in St. Petersburg

Man kann durchaus behaupten, dass ich das Schreiben dieses Textes vor mir her geschoben habe. Am Mittwoch war ich im Kino, heute ist Samstag, klar, ich habe gearbeitet, aber es gab schon Filme, da hatte ich wirklich Lust, etwas zu ihnen zu sagen.
Schon den ersten Teil wollte ich eigentlich nicht sehen und tat es dann doch, weil er im genialen Freiluftkino in Duisburg lief. Damals verbrachte der 25-jährige Wirtschaftsstudent sein Austauschsemester in Barcelona und lernte viele tolle Menschen kennen. So wie es wohl jeder Student in einem seiner Auslandssemester tut. Deshalb war der Film womöglich auch ein Erfolg. Und weil ja alle älter werden, dachte man sich, dass auch die Geschichte von Xavier die ehemaligen Studenten interessieren könnte.
Xavier, mittlerweile 29 Jahre alt, der sich im ersten Teil damit verabschiedete, nun in die schreibende Zunft zu wechseln, schlägt sich mit allerlei Auftragsarbeiten herum. Hier eine Liebesgeschichte für die Tageszeitung, dort eine kleine Lokalgeschichte oder ein Drehbuch für eine Weihnachtsschmonzette. Privat hangelt er sich von einer Liebschaft zur nächsten, immer auf der Suche nach der noch größeren, tolleren Liebe. Klar, da ist er wie viele 30-Jährige von heute.
Spannender wird sein Leben, als er den Auftrag erhält, ein Drehbuch in englischer Sprache zu verfassen. So trifft er nämlich Wendy wieder, die hinreißende Engländerin, mit der er in Barcelona die WG geteilt hat. Als sich die gesamte Bande (haha, welch Scheißwort, aber Clique ist noch doofer) dann in St. Petersburg bei der Hochzeit von Wendys Bruder wiedertrifft, kapiert Xavier endlich was er wirklich will.
Der Film ist nett. Und das meine ich genau so wie Frauen Männer bezeichnen, mit denen man zwar wunderbare Gespräche führen kann, die aber ansonsten langweilig sind.

Über das Trinken

Gibt es eigentlich noch Menschen, die den Samstagabend mit Trinkspielen begehen? Runden, die es sich zum Ziel gesetzt haben, den Abend in keinem Fall nüchtern zu begehen. Dieses Kräftemessen, wer am meisten Alkohol verträgt. Dieses Gebuhle um die starke Schulter, an der man sich zu später Stunde anlehnen kann. Dann, wenn der Vorgarten bereits für die erste Entleerung erhalten musste.
Es gibt viele Spielarten des gemeinsamen Betrinkens. Das Kartenpusten ist eine Variante. Man lege einen Stapel Karten auf eine Flasche und puste reihum. Wer die letzte Karte herunterpustet, muss trinken. Klarer Fall. Oder Mäxchen. Oder Bierdeckelwerfen. Oder, oder oder.
Von einer weiteren Variante erfuhr ich kürzlich. Unter dem Motto „Die große Merkelei“ werden sich am heutigen Abend in Frankfurt einige Menschen zusammenfinden und die Regierungserklärung der neuen Kanzlerin ansehen. Jeder der Anwesenden wird Wörter zugeteilt bekommen. Werden diese von Frau Merkel gebraucht, heißt es „Prost“. Politisches Saufen sozusagen. Mit ethymologischem Anspruch. Oder auch: Saufen auf hohem Niveau.

Wieder was gelernt

Hach ja, Real Life hatte gestern abend auch ein neues Wort für mich parat. „Lutschstück“ ist das auserwählte, an dem ich mich stundenlang ergötzte. Die wunderbare Französin hat’s erfunden, mit der ich gestern Glühwein trinken durfte. Und nein, sie meinte nicht mich oder sich, sondern so etwas wie einen Lolli. Lollis sind nur was für Kinder. Für die Alten sollten es Lutschstücke sein.

Hihi

Vorweihnachtliches Gedöns

Gestern, als ich mich dann doch irgendwann auf den Weg nach Hause machte, traf ich in der S-Bahn zwei Mädchen. Sie waren 16, vielleicht 17 und setzten sich auf die beiden Plätze vor mir. Sie gackerten vor sich hin, so wie 16-Jährige es nun einmal tun, kennen wir ja alle, sprachen ein wenig über dies und das, bis ja bis plötzlich ein Typ hinter ihnen stand. Die eine von beiden begann nun sich – im Gespräch mit der anderen – ständig umzusehen. Erst da bemerkte ich, dass dieser Typ ebenfalls sehr begierig auf das Mädchen starrte. Sie hingegen blickte immer wieder fort, leicht schüchtern, aber mit fester Absicht. Was fühlte ich mich verklemmt? Nie war ich bisher in der Lage gewesen, so offensiv zu flirten. So offensiv klar zu machen, dass dieser Typ da in der U-Bahn mir gefiel und ich mehr von ihm wollte. In diesem Moment beneidete ich das Mädchen sehr.
Dann musste ich aussteigen. Ich bekam noch mit, wie sich der Typ auf meinen angewärmten Platz setzte. Ihr genau gegenüber. Was dann passierte: Keine Ahnung. Ich hoffe, sie hat ihre Reize auch weiterhin so gekonnt ausgespielt.

Tagebuch einer Volontärin (16)

Donnerstagnachmittag-Blues. Ich hasse ja diese Stunden zwischen halb drei und halb fünf. Der Körper schreit förmlich nach einem Mittagsschläfchen, der Kopf raucht, weil man stundenlang am Telefon gefachsimpelt hat. Man quält sich, ein paar Zeilen in das leere Fenster zu schreiben. Zwischendurch die Kollegen, die erzählen, dass sie gar keine Lust haben, mit dem Schreiben zu beginnen. Oder davon plaudern, was sie gerade herausgefunden haben. Was fehlt? Der elterliche Arschtritt! Ein großes Schild, auf dem der Abgabetermin zu lesen ist! Vielleicht aber auch einfach ein Kaffee. Ich werd’s mal damit versuchen.