Wundern

Es gibt solche Tage, da läuft man durch die Stadt und wundert sich. Wundert sich die Menschen, auf die man trifft. Da erzählt einem die McDonalds-Mitarbeiterin, dass sowohl oben als auch unten Nichtraucher-Zone ist. Fein, denke ich mir, und frage mich, ob der Rauchgeruch schlimmer gewesen wäre als der milde Schweißgeruch, der vom Nebentisch in meine Nase schwappt.
An der Ampel wartet man pflichtgemäß auf das grüne Licht, weil nebenan ein Wunderweib eine Mutter mit Kind im Trolley steht. Vorbild sein, denke ich gerade noch, als diese plötzlich losläuft – das kleine Männchen in Sichthöhe animierte hingegen noch lange nicht zum Laufen. Dann eben nicht.
Hinter mir unterhalten sich zwei Typen, die das 20. Lebensjahr noch nicht erreicht haben, darüber, dass letztens ein Mann in ein Geschäft ging, umherschaute und dann mit einem seufzenden „Jaja…“ dieses wieder verließ. Kommt häufiger vor und bisher dachte ich, dass sich solche Geschichten nur Frauen erzählen.
Einige schräge Momente später ein kleiner Mann, Ende 50 mit blauem Schal. So blau, dass ich mich frage, ob er sich diesen wohl selbst ausgesucht hat, die Enkel ihm diesen zu Weihnachten geschenkt haben oder ob sonst irgendetwas in seinem Leben schief gelaufen ist. Fragen will ich ihn auch nicht, er fühlt sich wahrscheinlich nur belästigt. Belästigt von einer Frau, Mitte 20, die einen knall orangenen Schal um den Hals trägt. Wir hätten eigentlich ein gutes Paar abgegeben, wir zwei.

Gurkenzeit

Als ich am Samstag den Titel der großen deutschen Tageszeitung am Kiosk sah, mit der Story, dass der Wussow von seiner Angetrauten geschlagen und misshandelt wurde, da erschrak ich. Denn mein Gesicht verzog sich zu einem fetten Grinsen. Wusste nicht, ob ich mich für diese Regung schämen sollte, weil es doch gemein ist, wenn anderen Menschen Gewalt angetan wird. Und dann auch noch vom eigenen Lebenspartner. Ja, die Geschichte traf die Witwe so sehr, dass ich am Montag dann lesen konnte, dass sie sich wegen dieser bösen Gerüchte umbringen wollte. Als Beweis: Das Foto, in dem sie ihre Arme präsentiert. Natürlich mit ernsten Mienen.
Nein, grinsen musste ich nicht, als ich heute in der U-Bahn lesen musste, dass der schräge Daniel verunglückt ist. Nein, geschmunzelt habe ich nicht. Das wäre ja gemein. Mit einem Auto in einen Gurkenlaster gerast.
Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass es mir doch nicht gelingt, diese beiden Geschichten miteinander zu verbinden. Auch wenn sie irgendetwas miteinander zu tun haben…
A propos Gurkenlaster, da fällt mir das Glas mit sauren Gurken in der Küche wieder ein. Widme ich mich doch lieber den angenehmen Dingen und esse noch eine, so vor dem Schlafengehen.

FILM: Pieces of April

Manchmal tut Kino einfach gut. Auf die Leinwand schauen, die Gedanken schweifen lassen, abschalten. Und sehen wollte ich den Film sowieso. Auch weil er hier gut abgeschnitten hat. Und weil Katie Holmes mitspielt. Die man ja aus der beliebten Samstagnachmittag-Serie kennt.

Thanksgiving – die Möglichkeit für April ihre Familie einzuladen. Zum gemeinsamen Truthahnessen. Das Verhältnis scheint zerrüttet, daher keine schlechte Idee. Wenn da nicht die schlechten Kochkünste wären und der kaputte Ofen.

Und so können wir Katie Holmes dabei betrachten, wie sie beim Stampfen der Kartoffeln scheitert, von einem Nachbarn zum nächsten eilt, um den Vogel zu garen und dabei eine recht gute Figur macht. Natürlich gelingt es am Ende. Das Essen ist perfekt, sie hat ihre Nachbarn kennen gelernt, und versöhnt sich natürlich am Ende auch mit den Lieben. Der altklugen Schwester, dem fotografierenden Bruder, liebenden Vater, der senilen Oma und der kranken Mutter.

Auch wenn der Film sehr vorhersehbar ist, hat er Witz. Er spielt mit jeder Menge Klischees, was aber auch nicht schlimm ist. Auch Katie Holmes ist erstaunlich gut, besonders weil sie ihren treudoofen Hundeblick nur in kurzen Momenten herauskramt, die so kurz sind, dass es nicht nervt.

Schauen kann man den Film. Aber herausragend oder besonders gut – das ist er wirklich nicht. Und daher kann ich auch verstehen, dass bestimmte Männer bei dem Wort „Komödie“ eine leise Vorahnung hatten, und einen gemeinsamen Besuch lieber ablehnten.

FILM: Bill McKay – der Kandidat

Ja, bisher war mir nicht klar, warum Robert Redford so ein Sexsymbol ist bzw. war. Ja, er sieht ja für sein Alter immer noch recht frisch aus, seine Gesichtszüge werden durch seine Falten betont – alles schon ganz schön. Aber ich muss schon sagen. Damals in den Siebzigern, da sah er wirklich gut aus.

Lustig jedoch, dass wirklich alles wiederkommt. Denn deshalb sieht man auf den Berliner Straßen viele junge Robert Redfords, zumindest dem Haarschnitt her zu urteilen. Aber vielleicht sollte ich nun endlich mal was zum Film sagen.

Es geht um den Sohn eines ehemals erfolgreichen Demokraten, der bei den kalifornischen Senatswahlen antreten soll. Obwohl die Chancen auf einen Wahlsieg so gut wie aussichtslos sind. Bill McKay tritt an und führt zunächst einen ehrlichen Wahlkampf, mit dem er nur wenig Erfolg hat. Erst als er seine Sprache, seine Auftritte professionalisiert, sprich sich von seinen Idealen trennt und das macht, was die Wähler hören wollen, klettern die Umfrageergebnisse in die Höhe.

Ich will den Film nicht einordnen, in die Zeit. Ich will nicht schreiben, dass der Drehbuchautor dafür einen Oskar bekommen hat. Und wie realistisch der Film war. Und, und, und. Das kann man an anderer Stelle nachlesen.

Nur eine Bemerkung über die Filmmusik sei mir erlaubt – sie hat genervt.

Ein interessanter Film. Hätte auch Herrn Wichmann nicht geschadet, wenn er da mal reingeschaut hätte.

Zweifel

Jetzt isses soweit. Soll ich oder soll ich nicht? Rational sein. Weggehen. Mich in das Neue stürzen. Neue Stadt, neue Herausforderung.
Oder nicht. Zweifeln. Weil es so einfach wäre, einfach hier zu bleiben. Einfach alles so lassen, wie es ist. Die gewohnte Umgebung. Nicht so viel aufgeben. Und trotzdem vorankommen. Zumindest ein bisschen. Wenn auch mit einem großen Unsicherheitsfaktor. Langfristig gesehen.
Ich weiß nicht, was ich machen soll. Aber eine Entscheidung muss her. Und das schnell.

Mit Männern shoppen?

Ich will nicht sagen, dass ich dabei schlechte Erfahrungen gesammelt hätte. Nein. Eher hab ich’s bisher vermieden. Sicherlich eine ganze Weile auch aus Mangel an Alternativen.
Aber auch wenn sich die Gelegenheit ergab, nutzte ich sie nicht. Keine Ahnung warum. Vielleicht liegt’s an der Sozialisation. Wenn meine Eltern einkaufen gehen, dann endet es meist so, dass er vor dem Geschäft stehen bleibt, während sie durch die Geschäfte tigert. Er – raucht und wartet. Sie – sucht und findet. Warum sie das machen – keine Ahnung – denn eine große Hilfestellung ist er nur beim Tüten tragen.
Aber sicher. Probieren kann man das ja mal. Vielleicht geht es ja gut. Und wenn nicht: Dann weiß ich, warum ich’s in Zukunft auch lieber lasse.

Gespräche

„Hey du“ – „Hey du“. Schweigen. Und dann fast gleichzeitig: „Wie geht es dir?“
Sind wir so vorhersehbar? Haben wir mittlerweile unsere Sprachcodes so sehr aneinander angepasst? Ich muss mir unbedingt dieses „Verstehst du?“ abgewöhnen.

Abschied?

Sicher, irgendwie schimpft man immer darüber, dass die eine oder andere Zeitung schlechter wird.

„Der Spiegel ist auch nicht mehr das, was er mal war.“ – Nach dem Tod des Herausgebers vermutete man, dass der Chefredakteur erst einmal all die Themen auf den Titel hob, die der Chef bisher verhindert hatte. Vielleicht nur böse Unterstellungen. Aber wirklich gut ist er wirklich nur, wenn er Hintergrundberichte zu aktuellen Themen bringt. Wenn er rekonstruiert: So könnte es gewesen sein. Legendär: Der Artikel über die Regierung und deren Zeit, damals in den Achtzigern. Dann kann er brillieren.

Aber ich wollte ja eigentlich über die Sonntags-FAZ „Sie ist auch nicht mehr das, was sie mal war“ – Auch in diesem Fall. Ich hab sie immer gern gelesen. Wirklich. Doch wie immer: Seit einigen Monaten ließ sie nach. Und jetzt denke ich, dass die Zeit gekommen ist, einen Schlussstrich zu ziehen. Grund: Nicht einmal die Medienseite kann mich jetzt noch glücklich machen. Denn seit einigen Wochen ist er weg, der verantwortliche Redakteur. Ersetzt durch einen anderen. Finde die Auswahl der Themen nicht mehr spannend – die Spritzigkeit fehlt.

Was da noch hilft? Abschied. Und Trennung. Was soll’s. War ja schließlich schon ein Abschied auf Raten.

Momentaufnahme

Da sitzen sie. Fünf Männer, zwei Frauen. In einer Runde. Nicht der Ort ihres Zusammentreffens verrät, wer sie sind. Und wie sie sind. Sie starren auf ihre Plastikbecher, mit Kaffee oder magenfreundlicher, Tee gefüllt. Der Schmächtige mit seiner großen Brille drängt dem erfolgreichen Mädchen gegenüber ein Gespräch auf. Sie reagiert: verhalten freundlich. Die andere, verheiratet, Mutter eines Kindes, wirft ein paar Anmerkungen ein. Die anderen sind anderweitig beschäftigt: Sie starren auf ihre Plastikbecher.
Der Witz, den der Mann im Sweatshirt gegenüber macht, kommt mäßig an. Zu sehr sind sie mit ihren Gedanken in ihren Büchern.
Dann endlich: Die Zeit ist um. Erleichtertes Stühlerücken. Schnell werden die Jacken übergezogen. Zurück ins Büro.

Valentinstag?

Ein Tag wie jeder andere. Auch wenn da unten anscheinend ein anderer Eindruck entstanden ist. Viel mehr Sorgen mache ich mir über meine Hand, die ich, wie sollte es anders sein, am Freitag, den 13. verletzte. Es ist zwar heute schon besser geworden, so dass ich in der Lage war, den Frühstückslöffel zu halten. Zumindest für kurze Zeit. Doch an die Reintegration der Hand in meinen Alltag ist noch lange nicht zu denken.
Lacht ihr nur, aber denkt mal drüber nach, wie schwierig es ist, als Rechthänder mit der linken Käse zu schneiden, aufs Klo zu gehen, Zähne zu putzen, …
Der wahre Horror steht mir heute noch bevor, wollte ich doch eigentlich einen Kasten Wasser kaufen. Nur wie? Mit einer Hand tragen? (Hab ich noch nie geschafft) Und so wird es wohl darauf hinauslaufen, nur ein paar Flaschen für die Wochenendversorgung in den Rucksack zu packen.
Sicher, der geneigte Leser wird jetzt gespannt sein: Wie hat sie das denn hinbekommen? Ein Sportunfall? Ein sexuelles Unglück würde die Geschichte unheimlich dramatisieren und ich hätte vielleicht sogar die Chance, einmal in der großen Zeitung mit den großen Buchstaben zu stehen, aber nein. Es ist viel langweiliger, viel schlimmer.
Die Zeitung würde höchstens mit „Junge Frau fällt Treppe hinunter!“ Im eigenen Hausflur. Weil ihr Handy klingelte. Und das ist wahrlich keine Geschichte wert. Es sei denn, ich wäre ein so genannter Promi. Und daran arbeite ich ja noch…
Und für alle, die meinen, dass ich jetzt abergläubisch geworden bin – der Eindruck trügt. Aber wenn ihr demnächst eine blonde Frau vor der schwarzen Katze davon rennen seht, dann wisst ihr: Das bin ich.