Tagebuch einer Volontärin (8)

Lokalzeitung ist ja so, dass auch viele Leser anrufen und reden wollen. Manche allerdings nutzen den Anruf bei der Zeitung dazu, um ihre politische Meinung loszuwerden. Und irgendwann erkennt man schon an der Stimme, dass da wieder einmal nichts ordentliches rüberkommen kann.

Mit der heutigen Leserin hatte ich schon mehrfach gesprochen. Beim letzten Mal regte sie sich über eine missverständliche Formulierung auf: Der Dom ein romanisches Gebäude, das wisse doch mittlerweile jedes Kind, dass das ein gotischer Dom sei.

Heute dann also wieder die alte Dame, die sich beim Reden immer derart in Rage redet, dass man Angst bekommt, die gute Frau könnte das Zeitliche segnen. Vorsorglich schreibe ich immer schon die Telefonnummer vom Display ab, falls etwas passiert. Thema heute: Eigentlich die Urlaubstage-Diskussion. Diese nahm die gute Frau aber zum Anlass, ein bisschen über die SPD zu schimpfen. “So lange die SPD regiert, geht es Deutschland schlecht.“ – „Die haben das Land doch so runtergewirtschaft!“ Krönung des Monologs: “Es hätte die NSD** nicht gegeben, wenn die SPD nicht gewesen wäre.“

Noch Fragen?

Eine Runde Mitleid hätt ich gern

Ich habe meine Digitalkamera kaputt gemacht. Mit einer Flasche Wasser, die nicht korrekt verschlossen war. Ein neues Display würde 130 Euro kosten. Bei 199 Euro Anschaffungskosten. Dass ich sie nicht reparieren lasse, ist wohl klar. Ich könnte heulen.

Unfassbar.

Gestern lief also bei Sat.1 „Nackt“. Ein Film aus 2002. Und was macht BILD? Hebt das Thema auf Seite 1, Co-Aufmacher! Zeigt uns auf Bildern, wie nackt „Nackt“ war und druckt ein paar Interview-Schnipsel von Alexandra Maria Lara von 2002. Scheint wirklich nicht viel passiert zu sein, gestern.

Und als besonderen Service gibt’s bei Bild.de dann auch noch den Link „Mehr zum Thema: Erotik im Pay-TV“. Wusste gar nicht, dass Sat.1 jetzt schon ein Pay-TV-Kanal ist.

Franziskript on tour.

Ja, es war ein guter Abend. Mit Tomte, Richard Ashcroft und Coldplay. Mit viel Sonne und jeder Menge Spaß. Und einer Überraschung des Abends: Richard Ashcroft, den ich schon einmal in der Columbiahalle in Berlin gesehen hatte und der mir sehr farblos in Erinnerung geblieben war. Hier stand er nach den grandiosen Tomte zunächst völlig allein auf der Bühne, später dann nur durch einen Keyboarder begleitet. Reichte völlig. Denn dieser Mann hatte eine Präsenz, die wirklich unfassbar war. Ganz besonders mochte ich die beiden elektronischeren Songs und natürlich die Verve-Klassiker, die bei mir immer noch funktionieren. Über Richard Ashcrofts Auftritt hatte sich aber ganz besonders Thees Ullmann von Tomte gefreut, der mit seinen Bandkollegen nicht von der Bühne wich und fleißig wippte und knipste.

Coldplay starteten den Abend dann mit „Square One“, dem ersten Titel der neuen Platte. Darauf folgten hymnische Neuheiten und viele Klassiker. Mein persönlicher Höhepunkt des Auftritts waren allerdings die Zugaben. „What if“, „In my place“, was live einfach so tausendfach besser ist als aus dem Studio. Chris Martin gewohnt agil und jeden Cent wert.

What’s next?

(Fotos folgen.)

Berlin (2)

(Achtung, dieser Text beginnt mit einem fürchterlichen Satz. Schreckliche Floskel, aber ich konnte einfach nicht anders.)
Hier Ankommen ist auch nicht mehr was es mal war. (Und überstanden?) Plötzlich angewidert am Bahnhof Zoo stehen. So viele schlimme Menschen, überall ausgetretene Zigarettenreste, ungewohnte Dreckigkeit. War das wirklich schon immer so?
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Einfahrt in den U-Bahnhof. Den von früher. Nach rechts über die Straße. Man muss schnell laufen, sonst reicht die Ampelphase nicht. Der alte Imbiss von Christine sieht so ungewohnt aus. Hat er es also doch noch aus den 80ern geschafft. Weiter an der Tankstelle vorbei, die seltsame Disko. Links der Schuster, er lehnt auf seiner Theke, so wie er immer dort stand. Das Haar trägt er kürzer. Weiter zum Einkaufsding. Der Kaffeeladen, der mittlerweile auch von den Alten angenommen wird. Das Fitness-Studio, in dem Harald Glöökler und meine Friseurin sporteln. Die Blumen blühen, das Wasser des Springbrunnen glitzert in der Sonne. Schön war es hier. Damals.

The best way to start a saturday

Sie hatte schon die ganze Zeit so komisch geschaut. Ja, glasige Augen, aber es war ja auch noch früh. Grau melierte Haare, fein zurecht gelegt, leicht geschminkte Augen, Rouge auf den Wangen, gut schaute sie aus. Ihre schwarze Handtasche groß genug für Portemonnaie, einen Einkaufsbeutel, Parfüm und ein paar Fotos der Lieben. Deshalb überraschte es mich wirklich, als sie wenig später einen in eine Plastikmülltüte gehüllten Flachmann aus der Tasche zog. Zweimal ansetzen, wegpacken, aussteigen. So beginnt ein guter Tag.

Berlin

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Ende Dezember die Diagnose. Seit gestern Morphium.

Zeitschriften im Test: Park Avenue

Und da muss ich ja noch auf ein neues Heft aus der vergangenen Woche eingehen. Park Avenue ist nämlich seitdem am Zeitschriftenkiosk erhältlich und ist mit viel Tamtam in den Medien und den Fensterauslagen gestartet. Letzteres zumindest hier in Magdeburg am Bahnhof. Ob das wirklich die zukünftigen Käuferschichten sind? Ich zweifle. Aber der Reihe nach.

„Park Avenue“ ist das Hochglanzprojekt von Gruner+Jahr, kostet schlappe 6 Euro und soll ganz viele hochklassige Anzeigenkunden bringen und richtet sich auch an eine ebenso erstklassige Leserschaft. Cheffe ist Alexander von Schönburg, der erst kürzlich ein seltsames Sachbuch über stilvolles Verarmen auf den Markt gebracht hat. Aber das konntet ihr ja eh alles in den kürzlich erschienenen Presseartikeln lesen. Muss man ja nicht wiederholen.

Kommen wir aus diesem Grund also zum Testobjekt. Da ich bei meinen Tests gerne das Inhaltsverzeichnis lese, habe ich mich auch bei „Park Avenue“ auf die Suche danach gemacht. Das war gar nicht so leicht, musste ich mich doch durch sechseinhalb Doppelseiten Anzeigen und fünf so genannten Pflichttermine durchkämpfen. In der Bunten sind diese Seiten immer am Ende, dort kann man dann meist die tollen Kleider der Promis und solcher, die es werden wollen, begutachten. Der einzige Unterschied ist, dass es bei den Bildern in „Park Avenue“ nicht so gestellt aussieht.

Im Inhaltsverzeichnis angekommen fällt als erstes Folgendes auf: Nicht, dass die Artikel etwa chronologisch geordnet sind, nein, die aufgeführten Geschichten sind in die Ressorts „Titelgeschichte“, „Politik+Wirtschaft“, „Gesellschaft“, „Kultur+Stil“, „Literatur“ und „Standards“ (genau in dieser Reihenfolge) aufgeteilt. Und dort springen die Geschichten locker von Seite 100 auf 210 oder 110 und 176. Eine richtige Aufteilung scheint dieses Heft also nicht zu haben. Aber vielleicht mag das ja der Leser mit einem Jahreseinkommen von 500.000 Euro aufwärts.

Aber ich bin ja ein flexibles Mädchen, deshalb lasse ich mich davon nicht beirren und blättere einfach mal weiter. Nach einer kleinen Autorenrundschau und vielen bunten Anzeigen befinde ich mich plötzlich in „State of the art“, einem so genannten „Standard“, aus dem ich lediglich folgende wissenswerten Fakten mitnehme: Tom Cruise lacht so „HE HA HA HA HA“ (der Autor sagt, dass der so lacht, wie man’s schreibt) und steigt mit beiden Beinen gleichzeitig in die Hose. Im folgenden Essay hat es Willi Winkler im zweiten Absatz zu folgender Glanzleistung gebracht: „Die Zeit, man weiß es zwar und staunt doch immer wieder neu, sie vergeht im Sauseschritt.“ Hochwertiger Journalismus mit 1A-80er-Jahre-Floskeln? Naja. „Menschen des Monats“ küren dann gleich mehrere Autoren und dann sind wir auch schon bei der Titelgeschichte angelangt: Endlich! Endlich haben wir wieder Charakterdarsteller. Und: Endlich haben wir einen Zeitschrift, die, weil noch eine halbe Seite Text übrig ist, nicht etwa einfach auf der nächsten Seite weitermacht oder den Text einkürzt, nein. Bei „Park Avenue“ wird der Übersatz der Geschichten fein säuberlich gesammelt und am Ende des Heftes gebündelt gedruckt. Tja, und so kann ich auf Seite 237 auch gleich noch das Ende von „Stunde null in Palästina“ lesen. Was für ein Service.

Und dann geht es immer weiter. Viele Fotos, viele wirklich schön, ein paar Reportagen und wieder Werbung, Fotos, Bilder. Einige Geschichten sind wirklich ganz gut geschrieben. Doch irgendwie lässt mich „Park Avenue“ erstaunlich kalt. Ja, vielleicht muss das so sein, in der Welt der Schönen und Reichen. Aber es gibt nicht eine einzige Geschichte, bei der ich sagen konnte „Wow, das ist doch mal ein schönes Thema“. Investigativ sind diese Magazine ja auch nie, vielleicht wäre das ja mal eine revolutionäre Idee für ein neues Gesellschaftsmagazin.

Und so kann ich einfach nur verstehen, dass der Chefredakteur die ehemalige Vogue-Chefin Angelica Blechschmidt vergöttert. Park Avenue will Stil vermitteln. Musik, Mode, Kunst, Marken. Das meiste davon hat Vogue, so viel ich weiß. Mich langweilt das Heft leider nur.

Neues von der Google-Front