„Ich freue mich schon auf deinen Fragebogen, sagte J. in unserem letzten Call in diesem Jahr und erinnerte mich an diese Tradition, die ich nun schon seit 20 Jahren pflege. Wahnsinn. Und los.
2023 war wieder einmal intensiv. Ich befürchte, dass es mit dem Alter der Kinder und möglicherweise dem eigenen zu tun hat: viele Bedürfnisse und Interessen, dazu die Pflichten. Aber ich will nicht jammern, war aber kurz vor Weihnachten wirklich durch. Mehr dazu in diesem Fragebogen. Dieser wurde vor rund 20 Jahren entwickelt und bisher habe ich ihn jedes Jahr ausgefüllt, manchmal leicht verändert. Früher (siehe unten) wurde dieser Fragebogen von ziemlich vielen Bloggerinnen und Bloggern ausgefüllt. Einige machen das immer noch.)
Zugenommen oder abgenommen Körpergefühl?
Ich habe in diesem Jahr sehr viel über Ernährung gelernt und vieles an meiner Nahrungsaufnahme verändert. Das lag zum einen an „Das weibliche Gehirn“, das ich im Sommer gelesen habe. Aber einen noch größeren Einfluss hatte Susanne Liedtke mit ihrem Newsletter und Kurs, an dem ich teilnahm. Seitdem mache ich einiges anders und wenn ich doch mal wieder in alte Traditionen zurückkehre, weiß ich, zu welchem Preis.
Mehr bewegt oder weniger? Vermutlich gleich geblieben. In den ersten neun Monaten fast täglich Yoga, das tat unheimlich gut und auch wieder ab und zu laufen gewesen. Dann durch die Handverletzung außer Gefecht gesetzt, was mir nicht so guttat. Aber Bewegung geht ja auch ohne Joggen und Yoga, wobei es zum Jahresende hin hätte mehr sein können.
Haare länger oder kürzer?
Keine großen Veränderungen frisurtechnisch dank der tollen Madeleine, die ich in regelmäßigen Abständen besuche.
Kurzsichtiger oder weitsichtiger?
Habe in der Distanz keine große Veränderung feststellen können, höchstens in der Nähe.
Mehr ausgegeben oder weniger?
Der Urlaub am Gardasee und die Woche in London mit den Jungs – bisschen mehr würde ich schätzen.
Der hirnrissigste Plan?
In der Rückschau betrachtet könnte ich entscheidungsfreudiger sein, denn ich habe über Monate hinweg eine Entscheidung aufgeschoben (was auch eine Entscheidung ist, ich weiß). Aber manchmal sollte ich beherzigen, dass der Spruch „Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende“ durchaus Wahres enthält.
Manche würden behaupten, dass die Organisation der Goldenen Blogger jedes Jahr auch durchaus Züge von Hirnrissigkeit enthält.
Die gefährlichste Unternehmung?
Vermutlich der Ausflug zum Fußballplatz, bei dem mich ein Zweijähriger auf dem Fahrrad umgenietet hat. Hand zum Glück nicht gebrochen, Genesung hat dennoch lange gedauert.
Die teuerste Anschaffung?
Die Einrichtung des Coachingraums zu Beginn des Jahres und das neue Smartphone.
Das leckerste Essen?
Ich hatte sehr guten Fisch am Gardasee und an der Nordseeküste. Meine noch frische Beziehung zu Roter Bete wurde in diesem Jahr intensiviert und ich habe meine Liebe zum englischen Frühstück mit gebackenen Bohnen und Ei wiederentdeckt.
Das beeindruckendste Buch?
Mich haben in diesem Jahr einige Bücher beeindruckt. Der Mut von James Baldwin, in den 50er Jahren ein Buch wie „Giovannis Zimmer“ zu veröffentlichen. David Safiers Familiengeschichte. Sophie Passmanns Ehrlichkeit und Offenheit.
Der berührendste Film?
Keine Filme, dafür Serien. Am berührendsten: Ted Lasso.
Das beste Lied?
Wenig Musik gehört, aber ich mochte Olli Schulz‘ „Einfach so“.
Das schönste Konzert?
Das Singpausenkonzert in der Tonhalle mit den Grundschüler*innen – da liefen Tränen der Rührung. Insgesamt viel zu wenige Konzerte in diesem Jahr. Am Jahresende dann noch Noel Gallagher in der Philipps-, äh, Mitsubishi-Electric-Halle.
Die meiste Zeit verbracht mit?
Arbeit und Familie.
Die schönste Zeit verbracht mit?
Den Jungs. Und mit mir.
Vorherrschendes Gefühl 2023?
Unruhig.
2023 zum ersten Mal getan?
Einen 60., 70. und 90. Geburtstag gefeiert. Nicht gleichzeitig, aber alles in diesem Jahr.
Mit dem Sohn im Café ten Cate in Norden Tee getrunken.
Corona durchgestanden.
Einen Buchclub besucht.
In Pullach übernachtet und ein Seminar besucht.
In Nürnberg gewesen.
Auf der Buchmesse eine Veranstaltung moderiert.
2023 nach langer Zeit wieder getan?
Im Improvisationstheater gewesen und sehr viel gelacht.
Im Musical gewesen und es bereut.
In London gewesen und die englische Küche genossen.
In Magdeburg gewesen und an meine Volozeit zurückgedacht.
Im Harry-Potter-Rausch gewesen.
Drei Dinge, auf die ich gut hätte verzichten mögen?
Krieg. Streit. Langgezogene Abschiede.
Drei Dinge, auf die ich nicht hätte verzichten wollen?
Bücher.
Die Küchenmaschine.
Kopfhörer.
(Sollen ja Dinge sein, oder?)
Die wichtigste Sache, von der ich jemanden überzeugen wollte?
2023 war aus meiner Sicht ein sehr gutes Lesejahr. Das lag nicht unbedingt daran, dass ich sage und schreibe 50 Bücher gelesen und gehört habe und damit mein selbst gestecktes Ziel von 30 weit übertroffen habe. Es waren eher die schönen Lesemomente, die mir dieses Jahr geschenkt hat. Die Momente, in denen ich ganz alleine mit den Geschichten war. In denen ich mich ein bisschen aus der Realität rausbeamen konnte in andere Welten. Das war sehr schön.
Schön war auch, dass ich mich im Sommer einem Buchclub angeschlossen habe und seitdem zumindest einmal im Monat auch über ein Buch gesprochen habe. Das war inspirierend und es kam nicht nur einmal vor, dass ich mit einer klaren Haltung zu einem der Bücher zum Buchclub gegangen und mit einer anderen nach Hause gegangen bin.
Und es war ein zweites Jahr, in dem ich in den Genuss eines Buchabos gekommen bin und so viele der Bücher, die ich in diesem Jahr gelesen habe, nicht selbst ausgesucht habe. Da ich aber parallel auch angefangen habe, viele Bücherpodcasts zu hören, werde ich daran 2024 wieder etwas ändern und mehr Bücher lesen, die ich selbst auswähle. Die Liste der Bücher, die ich nämlich gerne mal lesen wollte, ist in diesem Jahr dadurch ziemlich voll geworden.
Aber nun zu meinem Lesejahr. Ich hab mich mal bei der Kaltmamsell und Anke Gröner inspirieren lassen: Die Bücher mit Sternchen dahinter empfehle ich. Und zu manchen Büchern habe ich schon mal was geschrieben – das verlinke ich. Und wenn ich die Bücher gehört habe, sind die Titel kursiv gestellt.
Hab Matt Haig eine zweite Chance gegeben und was soll ich sagen: Wenn man sich drauf einlassen kann, dass ein Außerirdischer die Menschen lieben lernt, geht‘s!
Eugen Roth – Der Wunderdoktor*
Lisa Mosconi – Das weibliche Gehirn*
Bisschen was über den eigenen Körper lernen. Am meisten hat mich schockiert, wie krass das weibliche Gehirn über Hormone gesteuert wird und wie entscheidend der richtige Lebenswandel für die Gehirngesundheit, nein, die gesamte Gesundheit ist.
Paul Bokowski – Schlesenburg*
Ein aus Polen stammender Junge wohnt mit seinen Eltern in der Schlesenburg, einer Frankfurter Siedlung, in der viele Aussiedler leben, Menschen, die die Freiheit gewählt haben und etwas erhalten haben, was sie nicht unbedingt erwartet haben. Die ein Zuhause haben, und eine Heimat, die erst einmal in weite Ferne gerückt ist. Die sich aus dem Nichts etwas aufbauen und nirgends dazu gehören. Und auch wenn sie nicht mit ihren Kindern darüber sprechen, spüren diese die Wehmut, die Einsamkeit, das Ausgrenztseins, die leisen Zweifel. Paul Bokowski hat ein berührendes Buch geschrieben über Integration, Rassismus und die Suche nach einer neuen Heimat.
Caroline Wahl –22 Bahnen*
Das perfekte Urlaubsbuch habe ich natürlich im Urlaub gelesen! Tildas Leben ist durchgetaktet: Lernen, sich um die Schwester kümmern, weil die eigene Mutter nicht dazu in der Lage ist. An der Supermarktkasse arbeiten, und schwimmen gehen. 22 Bahnen. Und dann ist da der Wunsch nach Mehr, die Option auf die Promotion in Berlin, die Gelegenheit, mit einem Teil der eigenen Vergangenheit abzuschließen. Es ist ein Buch zum Hindurchrauschen.
Katrin Burseg – Adas Fest*
Echte Urlaubslektüre.. Die Handlung: Ein Sommer am Meer. Der letzte von Ada, die in diesem Strandhaus an der französischen Atlantikküste viele erlebt hat. Wo sie ihre große Liebe kennengelernt, Kinder gezeugt und Familienurlaube verbracht hat. Und dort kommt sie ein letztes Mal zurück, weil sie Abschied nehmen muss. Denn der ansteigende Meeresspiegel und die Herbststürme werden zu einer Gefahr für das Haus aber auch den anliegenden Ort. Und so kehren nicht nur sie, sondern auch ihre Kinder an diesen Ort zurück und nach und nach kommt heraus, was lange verschwiegen wurde.
Tomasz Jedrowski – Im Wasser sind wir schwerelos*
Es geht um einen jungen Mann, der seine Homosexualität entdeckt und diese im Polen der 80er Jahre auszuleben, ist gefährlich. Das Buch beschreibt seine Geschichte. Die Versuche, diese zu leben, die Notwendigkeit im Sozialismus, gute Beziehungen zu haben, die Diskrepanz zwischen denen, die diese haben und den anderen. Es ist ein Buch über eine unmögliche Liebe, das Leben von Werten mit all seinen Konsequenzen. „(…) dass Menschen uns nicht immer geben können, was wir von ihnen möchten; dass man nicht von ihnen verlangen kann, uns so zu lieben, wie wir es wollen. Man kann das niemandem zum Vorwurf machen.“
Ernest van der Kwast – Fünf Viertelstunden bis zum Meer*
Dieses Buch hat gerade mal 96 Seiten (2Std. 9 Min bei Spotify) und erzählt eine wunderbare Geschichte über eine Liebe, die nicht alt wird. 1945. Ezio trifft an einem Strand in Apulien seiner großen Liebe. Doch Giovanna liebt ihre Freiheit, will nicht heiraten, und so zieht Ezio am Ende des Sommers in den Norden Italiens, ohne Giovanna jemals zu vergessen. Sechzig Jahre später bekommt er einen Brief. Hab es sehr gern gehört.
Grégoire Delacourt – Die vier Jahreszeiten des Sommers*
Perfekte Sommerlektüre und ebenfalls eine Empfehlung von Christine Westermann in „Zwei Seiten“.
Volker Ulrich – Deutschland 1923: Das Jahr am Abgrund*
„Wenn man eine Hürde zu nehmen hat, muss man zuerst sein Herz hinüberwerfen.“ Dieses Zitat von Bismarck habe ich aus diesem Buch mitgenommen genauso die Tatsache, dass Alfred Kerr früher eine Zeitschrift namens „Plauderbrief“ herausgegeben hat. Aber dieses Buch war nicht nur deshalb höchst bereichernd, sondern vor allem, weil es mir die Wucht der unterschiedlichen Krisen vor Augen geführt hat, mit dem die damals noch junge Weimarer Republik zu kämpfen hatte. Die ständigen Intrigen der ehemaligen Eliten, der Druck der Alliierten, die Last auf der Bevölkerung in Form der davon galoppierenden Währung, der Angst, seine Lieben nicht versorgen zu können und Unsicherheiten. Schon vergessen hatte ich, dass sich auch der Putschversuch Hitlers im Jahr 1923 ereignete.
Louise Erdrich – Jahr der Wunder
Während in der Stadt Proteste gegen rassistische Gewalt und Corona wütet, geschehen in einer kleinen Buchhandlung wundersame Dinge: Die treue Kundin Flora stirbt und ihr Geist bleibt aber als Gast im Laden. Darunter leidet Tookie, die dort nach einer Gefängnisstrafe arbeitet. Beiden Frauen verbindet nicht nur die Liebe zur Literatur. Autorin Louise Erdrich führt ein in die Welt indigener Kultur, lässt uns teilhaben an den Ängsten, die Pandemie, Klassenkampf und Gewalt mit sich bringen und nebenbei gibt es noch jede Menge Buchempfehlungen aus einer Welt, die mir zumindest bisher völlig unbekannt gewesen ist.
Alena Schröder – Bei euch ist es immer so unheimlich still*
Das Buch erzählt die Geschichte von zwei Frauen, die auf dem ersten Blick unterschiedlicher nicht sein könnten, auf den zweiten aber doch ähnlicher sind. Tochter Sylvia hat ein Kind bekommen und sucht Zuflucht bei ihrer Mutter, die sie 17 Jahre nicht gesehen hat. Mutter Evelyn hat sich immer fremd gefühlt, in dem Ort, in dem sie lebt, als Frau, Ärztin im Krankenhaus und in ihrer Rolle als Mutter. Ein Buch zum Abtauchen.
Jonathan Lee – Der große Fehler*
Es ist kein großer Fehler, dieses Buch zu lesen. Zumal es auf einer wahren Begebenheit beruht. Denn Andrew Green gab es wirklich. Er ist der Mann, der dafür sorgte, dass es in New York den Central Park gibt und noch vieles mehr. Und Andrew Green wird mit 83 Jahren vor seinem Haus erschossen. Jonathan Lee erzählt, wie es dazu kommen konnte. Erzählt, welche Menschen Green begleiteten, was er durchlebte. Das ist stellenweise wunderschön. Gleichzeitig ist es ein Buch, das darüber nachdenken lässt, warum wir leben. Was wir erreichen wollen. Und worauf wir zurückblicken könnten, wenn wir selbst eines Tages aus dem Leben scheiden.
Minna Rytisalo – Lempi, das heißt Liebe*
Der junge Bauernsohn Viljami hat sich in Lempi, die Tochter des Ladenbesitzers aus einer kleinen Stadt verliebt. Sie heiraten und das Stadtmädchen zieht aufs Land und wird von ihrer Schwester getrennt, zu der sie eine besondere Beziehung hat. Das erfahren wir alles im Laufe des Buchs, das aus verschiedenen Kapiteln besteht. Denn Lempi gibt es nicht mehr. Ganz langsam fügen sich Puzzleteil um Puzzleteil zusammen. Empfehlung von Christine Westermann in „Zwei Seiten“ und eine gute Anregung, sich über die deutsch-finnische Geschichte im Zweiten Weltkrieg zu informieren.
Taylor Jenkins Reis – Die sieben Ehemänner von Evelyn HugoMehr dazu hier
Sophie Passmann – Pick Me Girls*
Ich muss zugeben, dass ich das Buch erst nicht lesen wollte: wieder so ein Begriff, in den man sich einsortieren oder von dem ich mich abgrenzen muss. Und dann erzählt sie mir ihr Leben, wie sie zu der Frau geworden ist, die sie jetzt ist. Welche Kämpfe sie gekämpft hat: in ihrer Kindheit, Jugend und den Zwanzigern. Sie erzählt gut, berührt mich immer wieder sehr, bringt mich zum reflektieren und ich bin das ein oder andere Mal froh, in einer Zeit ohne Social Media groß geworden zu sein.
Wenn Benjamin von Stuckrad-Barre mit seinen Büchern derjenige war, der uns die Popkultur der 90er und 2000er erklärt hat, dann ist Sophie Passmann diejenige, die die Folgejahre wunderbar erklären kann. Auf eben ihre Weise: verletzlicher, ehrlicher, schonungsloser.
Sophie hätte dieses Buch, dass die selbst gern als 14-Jährige gelesen hätte, auch anders schreiben können, doch sie hat es auf sehr persönliche Weise getan. Sie nimmt die Leserin mit in ihre Ängste, Komplexe, inneren Kämpfe. Und weil sie es getan hat, ist das Buch so hörens- oder lesenswert.
Und eigentlich will ich sie einfach nur in den Arm nehmen.
Benedict Wells – Spinner
Jesper Lier ist 20, nach Berlin gezogen, mit schriftstellerischen Ambitionen und einem ziemlich verkorksten Leben. Wie verkorkst, erfährt die Leserin auf den Seiten dieses Buches. Schnell ist die Erkenntnis da, dass sich was ändern muss. Und dann zieht sich das ganz schön, der Protagonist sinkt immer tiefer in sein Loch, und wir leiden mit. Das ist bisweilen ganz schön anstrengend. Aber irgendwie gehört das zu Coming-of-Age-Büchern ja auch dazu.
Mathijs Deen – Der Holländer
Schön erzählter Krimi von der Nordseeküste. Leider war für mich recht schnell klar, wer hinter dem Mord im Wattenmeer steckte. Aber schön erzählt isses und ich würde auf jeden Fall auch noch ein Buch des Autors lesen. Zumal dieser Teil nach einer Fortsetzung schreit: Was ist das für ein Typ, dieser Liewe Cupido. Wie kommt es, dass er den Hund aufnimmt? Und wieso darf der eigentlich machen, was er will?
Laetitia Colombani – Der Zopf
Ich mochte, dass jedes Kapitel die Geschichte einer anderen Frau erzählte und wie sie am Ende zusammenfinden. Das Buch hat mich aber vor allem darüber nachdenken lassen, ob es die Marotte unserer Zeit oder Zufall ist, so ausschweifend mit Cliffhangern am Ende von Kapiteln zu arbeiten, so als ob man nicht sicher sein kann, dass die Lesenden nicht doch aussteigen. Ich war mehrfach geneigt, der Autorin zuzurufen, dass mir die Geschichten der einzelnen Frauen und wie sie sich ihre Freiheit auf ihre ganz eigene Weise erkämpfen, genügen.
James Baldwin – Giovannis Zimmer*
Es kommt nicht so häufig vor, dass Bücher mich dazu bringen, andere Bücher zu lesen. Hier traf das zu, denn auf „Giovannis Zimmer“ wäre ich ohne Tomas Jedrowksis „Im Wasser sind wir schwerelos“ wohl gar nicht gestoßen. Der Autor James Baldwin hat dieses Buch gegen alle Widerstände 1956 herausgebracht. Es handelt von einem jungen Amerikaner, der sich seine Homosexualität nicht eingestehen will, sie regelrecht leugnet, was in einer Tragödie endet. Es ist ein Buch über das, was gesellschaftliche Konventionen mit uns machen können. Und auch wenn das Buch in den 50er Jahren spielt, ist es in vielen Regionen auch heute noch nicht möglich, so zu leben, wie man möchte
Benjamin Myers – Offene See*
Robert, tritt, bevor sein Leben als Bergarbeitersohn in den vorbestimmten Wegen weitergeht, eine Reise an. Eine Reise durch das Nachkriegsengland, zu Fuß, sich selbst verpflegend. Er trifft auf Dulcie, eine Frau, die an der Küste Englands ein selbstbestimmtes, einsames Leben lebt. Gemeinsam sind sie ein bisschen weniger allein, Robert öffnen sich Lebenswelten und Dulcie gelingt es nach und nach, den Schmerz zuzulassen und zu verarbeiten, den der Verlust eines ihr lieben Menschen hinterlassen hatte. Ein schönes Buch, das auch zeigt, welche Wirkung Literatur und Lyrik haben können.
Sven Pfizenmaier – Draußen feiern die Leute
Ein Dorfroman. Und das Leben in der Stadt, das, nach dem man sich als Jugendlicher sehnt, spielt in Hannover. Diese Jugendlichen haben alle ihr Päckchen zu tragen: die Herkunft, Ticks, Ängste, das ganz normale Leben. Und manche von ihnen verschwinden einfach. Ein paar von ihnen wollen wissen, wohin. Die einen mögen diese offenen Enden, andere eher nicht. Ich bin noch immer hin- und hergerissen, tendiere aber dazu, dass es gut so ist.
David Walliams – Propeller-Opa*
In diesem Buch geht es um den 2. Weltkrieg. Da war der Opa von Jack nämlich als Pilot im Einsatz. Und durch seine Demenz lebt dieser nun wieder in der damaligen Zeit. Jack hat einen wunderbaren Weg gefunden, damit umzugehen. Doch der Opa bückst immer häufiger aus und kommt ins Seniorenheim. Mehr verrate ich mal nicht, nur, dass es Walliams wieder gelingt, auch Neunjährige über Wochen hinweg zum Lesen zu motivieren.
Jon Fosse – Das ist Alise
Literaturnobelpreisträger! Das Buch ist es der Blick in die Gedankenwelt einer älteren Frau, deren Mann irgendwann das Haus verlies und niemals wieder kam. Auch wenn die Perspektiven wechseln, bleibt eines gleich: die Sprache. Monoton, wiederholend, in einfachen Sätzen geht es in die Vergangenheit des Mannes, in dessen Elternhaus die ältere Frau immer noch lebt. Erinnerungen kommen hoch.
Für die einen mag das hohe Literatur sein und ein besonderer Umgang mit Sprache. Für mich war es anstrengend, der Handlung zu folgen.
Marie Benedict –Die einzige Frau im Raum Hätte die Geschichte einen anderen Verlauf nehmen können, wenn man auf eine Frau gehört hätte? Das ist das Thema dieses Buchs. Und es wird an Hedy Lamarr erzählt, die eigentlich Hedwig Maria Kiesler heißt und jüdischer Abstammung ist. Als junge Schauspielerin heiratet sie einen österreichischen Waffenhändler, der allerdings vor allem an ihrem Aussehen interessiert ist und sich dadurch bessere Geschäfte erhofft. Durch ihn erhält sie Zugriff auf das Wissen, das sie später nutzt. 1937 verlässt sie ihren gewalttätigen Ehemann und flieht nach Hollywood. Dort wurde sie zu einem weltberühmten Filmstar, der nebenbei daran arbeitet, die Waffen der Alliierten zu verbessern.
Marie Benedict erzählt die Geschichte packend, sodass es nicht schwerfällt, dranzubleiben. Und das Buch hat mich dazu gebracht, herauszufinden, wie viel Wahres hier verarbeitet wurde. Mein Schluss: alles auch immer eine Frage der Interpretation. Das hat bei mir ein wenig Enttäuschung ausgelöst.
Carsten Henn – Der Buchspazierer
Das lag bei meiner Schwiegermutter herum und weil ich an dem einen Morgen nicht mehr schlafen konnte, habe ich es mir geschnappt.
Einmal im Monat auf das zurückblicken, was mich in den vergangenen Wochen beschäftigt hat, was ich gehört, geschaut oder gelesen habe, und manchmal vielleicht auch darüber, woran ich gerade arbeite. Verspätet, aber besser als gar nicht: die Juni-Edition.
Bemerkenswert Der Juni war der Monat in diesem Jahr, in dem ich wirklich mal wieder viel unterwegs war – also auch beruflich. Während in den vergangenen Monaten doch immer noch viele Dinge digital passierten, ging es nach Berlin, Hamburg, Köln, Koblenz. Daraus entstanden jede Menge Begegnungen und ich habe gemerkt, wie gut mir das tut. Privat führte mich zusätzlich eine Familienfeier nach Thüringen.
Das Highlight: die re:publica mit all den Begegnungen und Gesprächen. Über eine Sache habe ich noch lange nachgedacht. Auf der großen Wand in der Mitte der Halle hat das rp23-Team die großen Fragen gestellt und um Antworten gebeten: Was war deine überflüssigste Anschaffung? Und auch: Was ist dein teuerster Besitz? Viele Menschen haben geantwortet: meine Kinder. Wie kommen Menschen darauf, zu sagen, dass sie ihre Kinder besitzen? Kann man Menschen besitzen, so wie man Autos besitzt?
Der Juni war auch der Monat meiner ersten Teilnahme am Buchclub des Localbookshops von Anja Urbschat hier in Düsseldorf. Einmal im Monat treffen sich dort Interessierte, um über ein Buch zu sprechen. Was ich wirklich toll fand: Meine Begeisterung für das Monatsbuch hielt sich nach der Lektüre in Grenzen (siehe unten). Aber nachdem jede in der Runde ihre Meinung kundgetan hatte, war ich doch sehr inspiriert und so offen, de Autoren noch eine Chance zu geben.
Gelesen
Matt Haig – Die Mitternachtsbibliothek Die Therapiesitzung als Buch. Der Plot: Frau ist ohnehin schon in einer labilen Verfassung und dann geht an einem Tag auch noch alles schief, sodass sie beschließt, eine Überdosis Tabletten zu nehmen. Doch anstatt zu sterben, gelangt sie in eine Bibliothek, die Mitternachtsbibliothek. Und erhält die Möglichkeit, all ihre ungelebten Leben einmal durchzutesten. Was wäre gewesen, wenn sie ein Rockstar geworden wäre. Oder Wissenschaftlerin. Oder eine erfolgreiche Schwimmerin. Die Jugendliebe geheiratet hätte. Oder, oder, oder. Mich hat das Buch unendlich gelangweilt. Aber man sagte mir: Halte durch. Ich tat’s und es wurde ein bisschen besser, zumindest so viel, dass ich es dann doch zu Ende gelesen habe. Ich glaube, für den Strand ist es gut geeignet. Und wer es lieber hören will, Annette Frier liest’s bei Spotify gerade vor.
Vorgelesen
David Walliams – Fing Ich habe einen neuen Lieblingskinderbuchautor und sein Name lautet David Walliams. Ich hoffe sehr, dass mein Sohn noch klein genug bleibt, sodass wir alle übrigen Bücher gemeinsam lesen können. Auch wenn mich Fing nicht so umgehauen hat wie die anderen. Denn der Plot ist diesmal ein bisschen na ja: Bibliothekspaar bekommt Tochter und setzt keine Grenzen, sondern sagt zu allem Ja. Das führt zu Problemen, als sich die Tochter ein Fing, ein Ding, wünscht. Ein ziemlich gefährliches Monster, das eigentlich den Untergang bedeutet, sollte dieses Fing in das Haus der Familie ziehen. Doch natürlich macht sich der Vater auf, so ein Fing zu besorgen und das Unheil nimmt seinen Lauf.
Einmal im Monat auf das zurückblicken, was mich in den vergangenen Wochen beschäftigt hat, was ich gehört, geschaut oder gelesen habe, und manchmal vielleicht auch darüber, woran ich gerade arbeite. Na, das hat ja super geklappt. Aber ich habe mir vorgenommen, die vergangenen Monate nachzuarbeiten und deshalb starte ich gleich mal los. So war mein Mai 2023.
Bemerkenswert Ich hab in diesem Jahr ganz schön lange gebraucht, um mich vom Goldene-Blogger-bedingten Trubel im April zu erholen. Zum einen, weil dann doch noch viel auch nach einer solchen Veranstaltung zu tun ist. Zum anderen weil auch in der Woche davor einiges liegen geblieben ist. Und dann gibt es dieses Loch. Was nun? Geht es weiter? Wie geht es weiter? Was steht eigentlich noch bis zur Sommerpause an?
Was mir dabei sehr geholfen hat, war meine kleine Mini-Auszeit, die ich mit einer Fortbildung verbunden habe. Drei Tage Ausbildung zum Thema „provokatives Coaching“. Das war sehr inspirierend – in vielerlei Hinsicht. Seitdem habe ich ein Livegoal: So fit im Kopf bleiben, wie es Noni Höfner immer noch ist.
Ansonsten war der Monat geprägt von Familienfeiern – u.a. 70 Jahre Mutter -, ich habe mich mal wieder an das Genre Musical herangewagt und mit meiner Mutter „Moulin Rouge“ geschaut, aber vor allem die Deko und wieder einmal die Leistung von Ballett-Tänzerinnen und -Tänzern gefeiert. Ist dann doch nochmal eine ganz andere Liga.
Gelesen
Benjamin von Stuckrad-Barre: Noch wach Ein typischer Stuckrad-Barre oder eben ein komplett untypischer. Das Beste an diesem Buch? Das Ende. Weil es abrupt ist. Weil es viel offen lässt und weil es eben für vieles keine finale Lösung gibt. Anders als bei anderen Büchern von ihm habe ich ein bisschen gebraucht, um in die Geschichte zu kommen, in die Sprache, in die Welt zwischen realem Geschehen und Fiktionalisierung. Zwischenzeitlich wollte ich das Buch nicht mögen: Braucht es wirklich einen Mann, der das alles mal darstellt? Kann sowas nur mit soviel Medienrummel veröffentlicht werden? Und will sich hier nur jemand rehabilitieren, obwohl er vermutlich selbst lange Zeit von einem solchen (oder eben diesen) Machtsystem profitiert hat.
Wie gesagt: Das Ende hat so manche Abneigung, die ich zwischenzeitlich verspürte, wettgemacht. Gutes Buch. Wichtiges Buch. Freu mich aufs nächste.
David Safier: Solange wir leben Ich mag solche Familiengeschichten, die über mehrere Generationen erzählen, warum die Menschen so sind, wie sie sind. Was uns prägt, formt, wovor wir Angst haben. Was wir mögen. „Solange wir leben“ ist ein solches Buch. Und ich bin jedes Mal wieder verwundert, dass jüdische Menschen hier in Deutschland wieder einen Weg gefunden haben, hier zu leben.
„Wir leben, um zu leiden“, dieser Glaubenssatz prägte mindestens eine Generation und es hat mich sehr berührt, dass Waltraut am Ende ihres Lebens noch ein wenig leben konnte, ohne zu leiden.
Was für ein schönes, trauriges Buch. Und wie gut, dass es mich nicht abgeschreckt hat, es zu lesen, weil ich mit seinen anderen Büchern wirklich nichts anfangen kann.
Eugen Roth: Der Wunderdoktor Ich liebe Eugen Roth.
Gehört
Einer der schönsten Momente in jedem Grundschuljahr (Noch ein Jahr!) ist der Besuch der Singpause. Die Klassen haben dazu pro Woche eine Stunde in ihrem Stundenplan blockiert, in dem sie die Lieder, die dort vorgeführt werden, einstudieren. Gemeinsam mit anderen Grundschulen aus Düsseldorf gestalten sie dann ein knapp einstündiges Konzert in der Tonhalle. Und da es das erste Konzert dieser Art in der Tonhalle nach der Coronapause waren, haben die Kinder es dreifach genossen, endlich wieder gemeinsam zu singen. Das war unheimlich berührend und wunderschön.
Endlich April. Einmal im Monat blicke ich zurück auf das, was mich in den vergangenen Wochen beschäftigt hat, was ich gehört, geschaut oder gelesen habe, und manchmal vielleicht auch darüber, woran ich gerade arbeite. Bemerkenswert: Ich hätte nicht gedacht, dass wir das endlich schaffen, aber in diesen Osterferien ist es gelungen. Da der kleine Sohn ein Fan der „Nordseedetektive“ von Klaus-Peter Wolf ist, war das dort ansässige Teemuseum, das Café ten Cate, aber auch die Stadt Norden an sich, immer wieder Thema. Und immer wieder fragten wir uns, was wohl in einem Teemuseum ausgestellt wird. Und ob das Café wirklich so leckeren Kuchen hat. Unser Fazit nach dem Tagestrip dorthin: Schönes Museum, besonders faszinierend war die derzeitige Ausstellung zu Kunst aus Teebeuteln. Wieder ein gutes Beispiel, welche Kreativität Corona so freisetzt.
— Ein bisschen länger habe ich in den letzten Wochen über das „Digital Decluttering“ nachgedacht. Welche neuen Netzwerke in den vergangenen Jahren entstanden sind, in denen ich Profile angelegt habe, um diese auszuprobieren. Die unzähligen Apps auf dem Smartphone. Der Download-Ordner auf meinem Computer. Kommt auf jeden Fall auf die To-do-Liste.
Gelesen: Trotz allem erstaunlich viel gelesen. Ich brauche das gerade sehr, abzutauchen in andere Welten. Deshalb stand auch der April wieder einmal stark im Zeichen von Belletristik. Aber auch Unterhaltung.
Miriam Georg: Elbleuchten Ohne den Podcast „Eat Read Sleep“ wäre ich wohl nicht auf die Idee gekommen, dieses Buch zu lesen. Aber die Empfehlung von Daniel Kaiser und Katharina Mahrenholtz und deren Interview mit der Autorin waren so schön, dass ich letztes Jahr beim Bücherbummel am Rhein zugeschlagen habe, als ich das Buch da sah. Trotz der mehr als 600 Seiten. Und da ich nur ein paar Tage gebraucht habe, das Buch durchzulesen, kannst du dir vorstellen, dass mich die Geschichte von Lily, die aus einer Hamburger Reederfamilie stammt, doch schnell gepackt hat. Ich mochte es sehr, neben der Liebesgeschichte so viel über das alte Hamburg zu lernen. Und mich mochte die Sprache der Autorin.
Miriam Georg: Elbstürme Ja, auch Teil 2 der Saga habe ich durchgelesen. Die Geschichte ist eine andere und ich mag, dass die anderen Protagonist*innen mehr Raum bekommen. Vor allem aber mochte ich, dass Miriam Gold ein Ende gefunden hat, das nicht vor Happy End strotzt, sondern zu den Gegebenheiten der Zeit passt. Top-Zweiteiler.
Thierry Paquot: Die Kunst des Mittagsschlafs Fand den Titel gut und das Buch hat mich inspiriert, ein wenig über meine Mittagsschlafgewohnheiten nachzudenken. Konnte aber noch nichts an ihnen ändern.
Thorsten Pilz: Weite Sicht Auf das Debüt von Thorsten Pilz war ich richtig neugierig. Nicht nur, weil ich ihm schon eine ganze Weile hier auf Instagram folge, sondern auch, weil der Klappentext spannend klingt und das Buch mittlerweile auch von der ZEIT empfohlen wurde. Das Buch handelt von vier Frauen, die sich ein Leben lang kennen und deren Leben durch den Tod von Friedrich, Charlottes Ehemann durcheinander gewirbelt wird. Das Buch inspiriert, über das eigene Leben nachzudenken, welche Prioritäten wir setzen, welchen Dingen wir eine Bedeutung geben. Und welchen nicht. Was wir in Beziehungen voneinander wissen (wollen) und wo wir Grenzen ziehen. Und dass Liebe im Alter genauso zum Leben dazugehört.
Ich mochte das Buch, mochte den Erzählstil, die Figuren und deren Verbindungen. Und ich hätte so gerne noch mehr über die unterschiedlichen Charaktere erfahren. Das wäre auch mein einziger Kritikpunkt.
Joseph Roth: Das falsche Gewicht Sowohl Jochen Distelmeyer als auch Niels Frevert mögen Joseph Roth und da ich bisher noch nie etwas von ihm gelesen hatte, musste das ganz dringend geändert werden. „Das falsche Gewicht“ beginnt wie ein Märchen mit „Es war einmal“ und bleibt bei dieser Erzählform. Es wird die Geschichte des Eichmeisters Anselm Eibenschütz erzählt – seinem Aufstieg und Untergang. Ein wunderbares Buch, das das Scheitern eines Mannes erzählt – an den Strukturen und natürlich an sich selbst. Werde auf jeden Fall noch etwas von Joseph Roth lesen.
Geschaut: Am meisten hängen geblieben ist „Working Moms“ , die Serie von Catherine Reithman. Da ist im April die finale Staffel auf Netflix rausgekommen. Ein paar Frauen werden dabei begleitet, wie sie Kinder bekommen, Leben, Job und Liebe mit Babys, Kleinkindern und Teenagern meistern. Und es gab so viele Momente in dieser Serie, in denen ich mitfühlen konnte. Besonders ans Herz gewachsen sind mir die Psychotherapeutin Anne Carlsen und PR-Lady und Firmengründerin Kate Foster. Und hach, das Finale ist wunderbar und ich werde ganz sicher etwas vermissen.
Gehört: Ich höre derzeit auch viel. Und bin selbst überrascht, dass ich bisher keine einzige Folge von „Haken dran“ von Dennis Horn und Gavin Karlmeier verpasst habe. Obwohl mir Twitter zunehmend egaler wird, auch weil ich merke, dass diejenigen, die ich immer sehr auf Twitter geschätzt habe, ruhiger werden. Bin gespannt, wann für Dennis und Gavin der Zeitpunkt kommt, der Plattform und seinem Eigentümer weniger Aufmerksamkeit zu schenken.
Judith Holofernes: Die Träume anderer Leute Die Künstlerin Judith Holofernes erzählt, wie es war, als Mutter zweier Kinder Teil einer der erfolgreichsten Bands Deutschlands zu sein, Tourleben, bloß keine Routinen, immer unterwegs. Reißleine ziehen, Solokarriere aufbauen. Es ist eine wunderbare Geschichte einer Frau, die sich aufmacht, ein Leben zu führen, dass ihrer Familie, aber vor allem auch sich selbst gerecht wird. Dafür zieht sie Schlussstriche, enttäuscht andere und sich selbst, aber kommt am Ende in einem Lebensentwurf an, der für den Moment passt. Gleichzeitig bleibt offen, dass es auch wieder anders werden kann. Irgendwann. Ein tolles Buch, das verdeutlicht, wie sehr sich das Leben einer Frau ändert, wenn Kinder kommen. Die gesellschaftlichen Erwartungen, Erwartungen an sich selbst – das alles unter einen Hut zu bringen, ist eine Herausforderung, die es zu meistern gilt. Hab mich an die eine Situation der vergangenen Jahre erinnert. Judith Holofernes hat eine unverwechselbare Art, mit Worten umzugehen und ich glaube, dass die Entscheidung, das Hörbuch von Nora Tschirner einsprechen zu passen, perfekt war. Denn sie schafft es, dass ich zwischendurch wirklich der Meinung war, Judith Holofernes spräche zu mir.
Und zum Schluss: Kann ich jetzt endlich die Winter- gegen die Sommersachen tauschen?
Wenn ich gefragt werde, warum ich mir seit 16 Jahren dieses wahnsinnig zeitintensive, kräftezehrende und nerdige Hobby „Die Goldenen Blogger“ leiste, dann kenne ich die Antwort mittlerweile (Das war nicht immer so!): Weil ich Menschen, die mich an ihrer Kreativität, ihren irren Ideen, ihren persönlichen Geschichten, teilhaben lassen, eine Plattform geben möchte. Weil sie es verdienen, sichtbar zu sein. Weil sie im Kleinen das Internet zu einem besseren Ort machen und die Goldenen Blogger vielleicht einen Beitrag leisten können, damit sie es auch größer tun können.
Wenn ich mir die Sieger*innenliste in diesem Jahr anschaue, dann kann ich wieder einmal sagen: Was für ein hervorragender Jahrgang an großartigen Projekten, Webseiten und Menschen! Auch wenn ich es bei der einen oder anderen Kategorie auch anderen gegönnt hätte, aber das sind die Goldenen Blogger eben auch: unberechenbar. Selbst wir erfahren erst beim Öffnen des Umschlags, wer die jeweilige Kategorie gewonnen hat. Und dann kann es eben auch diesen fast unmöglichen Fall geben, dass zwei Projekte gleich viele Stimmen erhalten und dann eben beide gewinnen.
Foto: Constantin Ranke
Unberechenbar sind sie aber eben auch, weil wir nicht damit gerechnet haben, dass die Aufwände in der Organisation nochmal größer sein würden als im vergangenen Jahr. Im Frühsommer 2022 hatten wir die Idee, die Goldenen Blogger nach Düsseldorf zu holen. Im September wussten wir, dass das klappt. Und schnell wurde aus der Organisation einer Abendveranstaltung die Organisation eines ganzen Kurzurlaubs für die Nominierten: zwei Übernachtungen im großartigen me and all hotel Oberkassel plus Willkommensempfang am Sonntag. Der Montag mit Stadtführungen durch das japanische Viertel und zu Urban Art Spots, Lunch auf dem Carlsplatz, Sektempfang bei unserem wunderbaren Locationpartner sipgate plus die Organisation der Gala. Nicht zu vergessen der Locationwechsel vier Wochen vor dem Event, weil für die eigentliche Planung noch Genehmigungen fehlten. So landeten wir in den Rudas Studios – eine ziemlich gute Alternative, wie sich herausstellen würde.
Foto: Constantin Ranke
Am Ende – und das konnten wir am Montag sehen, hat vieles ziemlich gut funktioniert: Trotz des widrigen Wetters haben unsere Gäste die Stadttouren genossen. Das Essen auf dem Carlsplatz war famos, trotz Kälte. Der Empfang bei sipgate ebenso gut besucht wie die Gala am Abend. Noch nie waren so viele Nominierte vor Ort. Die Schalten zu denen, die dabei sein wollten, aber nicht konnten, klappten hervorragend. Selbst in die Ukraine. 440.000 Stimmen gingen im Onlinevoting ein, die Bude war voll mit 300 Gästen vor Ort. Die Stimmung war ausgelassen, herzlich. In vielen Gesprächen, die ich seit Montag geführt, fielen Worte wie „warmherzig“, „familiär“, „inspirierend“ oder „begeisternd“.
Meine persönlichen Highlights aus der vielleicht etwas zu lang geratenen Gala?
Foto: Constantin Ranke
Die Schalte zu Vassili Golod in die Ukraine. Und am liebsten hätte ich noch länger mit ihm gesprochen.
Die Auftritte von Grillmaster Flash. Endlich treffe ich mal jemanden, der auch eine Cola-Korn-Vergangenheit hat.
Foto: Constantin Ranke
Wie Stefan von DerneueStefan uns allen seine Medaille vom Hamburg-Marathon zeigt.
Foto: Constantin Ranke
Als mir beinahe die Tränen kommen, weil Konsti und Alu von Große Köpfe sich so sehr über ihren Preis freuen.
Foto: Constantin Ranke
Das Selbstverständnis, mit dem Robert Marc Lehmann tut, was er tut. Und dass er schon als kleiner Junge wusste, was er werden will und das mit einer Konsequenz betrieben hat und betreibt, die große Anerkennung verdient.
Foto: Constantin Ranke
Wie Stevan Paul erst sehr, sehr spät bemerkt, dass er nicht nur zum Lobhudeln der Nominierten in der Kategorie „Food“ nach Düsseldorf gekommen war, sondern selbst den Preis für sein Lebenswerk überreicht bekommt.
Foto: Constantin Ranke
Als Anne-Kathrin Gerstlauer bemerkt, dass sie mit dem Gewinn des Goldenen Bloggers auch ein kleines Aufgabenpaket an uns verschenkt.
Foto: Constantin Ranke
Wie TV-Legende Jörg Draeger vor Aufregung gar nicht mehr aufhört zu reden und nach seinem Sieg in der Kategorie „Celebrity“ auf der Bühne „Ich bin ein Blogger“ ruft. (Und sich vorher in den Herzen aller Anwesenden verewigt hatte).
Foto: Constantin Ranke
Meine zitternden Beine, weil die Traurigkeit über den Tod von journelle wieder hochkommt und mir wieder einmal bewusst wird, wie sehr sie fehlt.
Foto: Constantin Ranke
Der Moment, in dem Tara-Louise Wittwer den Preis lieber an Aria Addams übergibt und ich insgeheim jubele, dass es keine Franzikratie, sondern einfach nur ein großes Herz braucht. Und Thomas und ich uns sofort einig sind: Die haben beide verdient, den Titel „Bloggerinnen des Jahres“ zu tragen.
Foto: Constantin Ranke
Richtig gerührt war ich auch schon vorher: Als ich jeden Abend nachschaute, wer denn alles so kommen möchte, und ich auf der Teilnehmendenliste Namen sah, die in den vergangenen Jahren ebenfalls die Statue in den Händen hielten. Thomas Laschyk vom Volksverpetzer, der 2019 Blogger des Jahres wurde, Gregor Schmalzried, der 2022 in der Kategorie „Newsletter“ abräumte, Thorsten Firlus, Sportblogger von 2014, Vorjahres-Sieger Bob Blume rief sogar an, um sich zu vergewissern, ob für ihn noch ein Plätzchen frei sei.
Doch die Goldenen Blogger wären nicht so inspirierend, kreativ und beschwingend, wenn wir nicht jedes Jahr großartige Unterstützer*innen hätten. Felicitas Hackmann, die in den letzten Wochen die Fäden zusammenhielt und Unmögliches möglich machte. Unser Foto- und Social-Team, aber vor allem unser Locationpartner sipgate, der uns den Abend in den Rudas Studios ermöglichte nebst Speis und Trank, sowie die anderen Sponsoren, von denen der eine oder andere auch schon länger an unserer Seite weilt. Hier nochmal alle im Überblick.
sipgate
Deutsche Post DHL
GLS Bank
LMC Caravan
me and all Hotels
r+v Versicherung
Visit Düsseldorf
Wirtschaftsförderung Düsseldorf
Und so konnte in diesem Jahr auch zum ersten Mal ein solches Foto entstehen:
Foto: Constantin Ranke
Quo vadis, Goldene Blogger?
Bleibt noch eine Frage, die im Raum steht, auch weil wir irgendwo auch schon nach dem Termin für die Verleihung 2024 gefragt worden sind. Denn auch wir stellen uns jedes Jahr aufs Neue nach der Verleihung die Frage, ob es weiter geht und wenn ja wie. Ganz ehrlich: Momentan wissen wir das noch nicht.
(Hier war mal der Livestream eingebunden. Nun nicht mehr, weil vorbei.)
Viel Zeit ist nun nicht mehr. Seit gestern sind viele der Nominierten schon in Düsseldorf – im me and all hotel in Oberkassel konnten wir uns gestern bereits bei einem kleinen Umtrunk kennenlernen. Heute morgen waren die meisten dann schon in Düsseldorf unterwegs – leider bei Regen – bei Touren durch Little Tokyo und auf den Spuren von Düsseldorfs Urban Art. Auf dem Carlsplatz kamen wir dann zusammen und haben sehr gut gegessen.
Am Nachmittag treffen wir uns nun bei unserem Locationpartner sipgate, um dann später in die Rudas Studios aufzubrechen, die sich extra schick gemacht haben für uns.
Und hier: Mein März im Rückblick, auf das, was mich in den vergangenen Wochen beschäftigt hat, was ich gehört, geschaut oder gelesen habe, und manchmal vielleicht auch darüber, woran ich gerade arbeite.
Bemerkenswert:
Nach drei Jahren Pandemie hat mich der Virus dann doch erwischt und auch gleich ordentlich. Ich habe im Bett gelegen und die Augen kaum aufbekommen, weil alles weh getan hat. Ich hatte diese krassen Halsschmerzen und den Husten bin ich leider immer noch nicht los – das war der eine Teil des Märzes.
Der andere bestand aus Arbeit, krankheitsbedingten Reisen zu Familienmitgliedern und den Goldenen Bloggern. Am 24. April ist es soweit. Die heiße Phase ist wie immer stressig, bauamtbedingt haben wir noch einen Locationwechsel mit eingebaut, aber hey: Wär ja langweilig, wenn alles glatt laufen würde. Wenn du auch kommen willst, hier kannst du dich anmelden.
Für ein Magazin schrieb ich einen Text über unsere Goldenen Blogger. Ich erinnerte mich an all das, was wir, Daniel, Thomas und ich, seit Start erlebt hatten. Ein Fazit war: Die Goldenen Blogger zeigen, dass es sich lohnt, Dinge einfach mal zu machen, zu starten, dranzubleiben und zu schauen, was dabei herauskommt. Auch Austin Kleon schrieb letztens über genau dieses Phänomen.
„This newsletter [has] kept me focused on the next step rather than a perceived destination in the distance. Showing up to write this for 505 weeks (I skipped a few in the early days, but not a single one since 2016) has allowed me to embrace imperfection. It’s provided both pressure and release. It’s helped me accept that I often say the wrong thing, I say too much, I don’t say enough. It’s reassured me that there’s always next week. To try again. To do it better.
In other words, it’s a practice.“
Gelesen: Ich mag diesen Satz sehr gern: „A blog post is a very long and complex search query to find fascinating people and make them route interesting stuff to your inbox.“ Passend zur Nostalgie, die in diesem Satz ja auch ein bisschen mitschwingt, habe ich über diesen Text von Kyle Chayka nachgedacht, denn die Zeiten, in denen man mit Content Curation coole Social-Media-Accounts aufbauen konnte, sind aus meiner Sicht eher vorbei als angebrochen.
Doch nicht nur das, ich habe auch jede Menge Bücher gelesen und wundere mich über mich selbst, dass ich mein selbst gestecktes Ziel, in diesem Jahr 30 Bücher zu schaffen, doch derzeit auf jeden Fall reißen werde.
Depentes: „Liebes Arschloch“ In dem Buch geht es um die Themen der heutigen Zeit: Pandemie, Sucht, Machtmissbrauch, #metoo, psychische Erkrankungen, Campaigning via Social Media und Auswirkungen. Kein Thema, das in diesem Briefroman ausgelassen wird. Bei all den Themen besteht die Gefahr, dass es eine platte Schwarz-Weiß-Betrachtung gibt, aber der Autorin gelingt es dann doch, auch die Grautöne zu zeigen. Dass Menschen sich verändern (können). Dass es immer mehrere Perspektiven auf ein Thema gibt. Buch, das wirklich nachhallt.
Robert Seethaler: „Das Feld“ Robert Seethaler zeichnet in ganz vielen unterschiedlichen Geschichten ein Porträt einer Stadt und den Menschen, die in ihr wohnen. Das Besondere: All diese Personen sind verstorben und erinnern sich an besondere Momente in ihrem Leben. Das führt dazu, dass einige Kapitel mehrere Seiten, ein anderes nur aus einem einzigen Wort besteht: „Idioten“. Mein Impuls war es also, noch besser zu verstehen und am besten ein Organigramm zu zeichnen, wer hier mit wem verwickelt war.
Die Geschichten zeichnen die gesamte Bandbreite menschlichen Zusammenseins auf, es gibt jede Menge Denkanstöße. Hanna Heim beispielsweise war Lehrerin und bezeichnet ihre Hand als „verkrüppelt“. Ihr Mann wiederum vergleicht diese mit den Ästen eines Baums: „Seine Äste sind nicht verkrüppelt, sondern einfach nur krumm, und zwar deshalb, weil sie der Sonne entgegenwachsen.“
Auch ein Journalist lebt in der kleinen Stadt und in dem Kapitel gibt es den wunderbaren Satz: „Wer aktuell sein möchte, sollte in den Spiegel schauen. Nachrichten erzählen immer nur von dem, was war.“
Und noch einen schönen Satz hab ich mir herausgeschrieben: „Erst war ich Mensch, dann bin ich Welt.“
„Das Feld“ liefert eine wunderbare und ungewöhnlich erzählte Geschichte, jede Menge Perspektiven, und die große Gewissheit, ganz viel noch nicht durchblickt zu haben.
Rónán Hession: „Leonhard und Paul“ Leonard und Paul sind beste Freunde. Leonard arbeitet als Ghostwriter für Kinderenzyklopädien, Paul ist Aushilfsbriefträger. Beide leben noch bei den Eltern. Das Leben der beiden verläuft in ruhigen Bahnen – bis jedem von ihnen etwas widerfährt, das ein paar Veränderungen in Gang setzt.
Auch wenn ich das Buch durchgelesen habe, gab es ein paar Stellen, an denen ich mich über das Buch geärgert habe. Seltsame, gestelzte Dialoge, seltsam oberflächlich bleibende Figuren, eigentlich schade, hat das Buch doch überall überschwängliche Kritiken erhalten. Aber vielleicht ist es genau das, was dieses Buch ausmachen soll – die Beschreibung der Gewöhnlichkeit, was ich vielleicht einfach nicht mehr in Büchern gewohnt bin.
Geschaut:
„Shrinking“ zu Ende geschaut. Freu mich auf die nächste Staffel.
Dritte Staffel „Ted Lasso“. Endlich. Die ersten Folgen waren nicht so stark, aber nach der dritten Folge war ich wieder komplett drin. Hach.
Gehört: Was ich bemerke: Ich bin eine sehr treue Podcasthörerin. Sprich: Ich habe meine Favoriten und die höre ich auch jede Woche. Nur ganz selten schafft es ein Podcast in meine Mediennutzung.
Ein Tipp, den ich von Kerstin Hoffmann erhalten habe: der Podcast „No such thing as a fish“. Großartig, weil er sich wunderbar zum Englisch lernen eignet. Noch großartiger, weil ich da Dinge erfahre, die ich sonst nie erfahren hätte. Zum Beispiel, dass Pringles nicht mehr vegan sind. Und, dass die Figur auf der Pringles Packung Julius Pringle heißt. Oder so.
Weil ich die Monatsnotizen von Nicola Wessinghage sehr mag (die sie allerdings von Christian Friedrich hat) bleibe ich auch ein zweites Mal bei meiner neuen Routine: Mein Februar im Rückblick, auf das, was mich in den vergangenen Wochen beschäftigt hat, was ich gehört, geschaut oder gelesen habe, und manchmal vielleicht auch darüber, woran ich gerade arbeite.
Bemerkenswert:
Wenn ich durch meine Februar-Notizen klicke, dann fällt mir auf, wie viel ich mich in diesem Monat wieder einmal mit Twitter beschäftigt habe. Nicht nur, dass ich wochentäglich zum Duschen „Haken dran“ von Dennis Horn und Gavin Karlmeier höre, die mich auf dem Laufenden halten, welche Rechnung bei Twitter nun schon wieder nicht bezahlt, welche Mitarbeitenden entlassen wurden oder welche Tweets Elon Musk losgelasse hat, nein, ich habe auch so drüber nachgedacht, dieses spannende Zitat gefunden:
“The information we consume matters just as much as the food we put in our body. It affects our thinking, our behavior, how we understand our place in the world. And how we understand others.”— Ev Williams, co-founder of Twitter
Interessanterweise haben die Querelen bei Twitter bei einigen Kunden auch Dinge in Gang gesetzt, die vorher nicht möglich gewesen wären.
Endlich habe ich mich auch dazu aufgerafft, mein Newsletter-Tool zu wechseln. Und weil das alte System nun weg ist, schätze ich es nochmal umso mehr. Vieles war bei Mailchimp intuitiver, einfacher zu bedienen. Aber es wird sich einruckeln.
Privat wurde in diesem Monat viel gefeiert: ein 90. Geburtstag, Karneval. Sowas.
Ansonsten war das ein Monat im Zeichen der Goldenen Blogger. Ganz viel mit Nominierten hin- und hergemailt. Festgestellt, dass unsere Mails wohl nicht immer angekommen waren, was teilweise an uns, teilweise aber auch daran lag, dass einige alte Adressen auf ihren Homepages angegeben hatten. Und so startet der März mit einem prall gefüllten Hotel hier in Düsseldorf. Und ich freue mich so sehr, dass so viele Nominierte vor Ort sein werden und dafür sorgen, dass die Bühne bei fast allen Kategorien schön voll wird. (Ja, es wird bald Tickets geben, wir sind schon dran.)
„Problem talk creates problems, solution talk creates solutions.“ Steve de Shazer.
Geschaut:
Berlin 1933 Was für intensive aufrüttelnde Stunden. Das liegt natürlich zum einen daran, dass das ein so historisch relevantes Jahr für die deutsche Geschichte war. Ich empfand aber auch die Erzählweise und -dichte ziemlich beeindruckend. Durch Tagebucheinträge von den unterschiedlichsten Personen. Eine Hausfrau, ein Arzt, eine jüdische Ärztin, ein Propaganda-Minister, die Frau von Carl von Ossietzky, die Briefe aus dem Gefängnis und später dem Konzentrationslager erhält. Innerhalb einer Woche war Deutschland ein anderes, die wichtigsten Positionen der Polizei ausgetauscht. Nur wenige Wochen später waren Konzentrationslager erbaut. So erschreckend das alles war, dennoch habe ich mich gefragt, ob das heutzutage überhaupt möglich wäre. Bürokratie als Absicherungsinstrument der Demokratie, quasi.
„Wir haben ja damals nichts mitbekommen“, die beiden Filme zeigen, wie wenig dieser Satz gelten darf.
„A very english scandal“ Und noch ein Tipp von Kerstin Hoffmann, den ich sehr gerne angenommen habe. Hugh Grant kann also auch ernsthaft. Ich habe diese Serie übrigens als Vorbereitung eines Workshops geschaut, den ich am nächsten Tag in englischer Sprache gehalten habe. Ging gut!
Shrinking – Jason Segel und Harrison Ford als Therapeuten. Jeden Freitag kommt derzeit eine neue Folge heraus und ich ärgere mich, dass ich sie schon so früh entdeckt habe, weil ich eigentlich immer direkt weiterschauen möchte. Tolle Serie, tolle Musik.
Gelesen: Constantin Seibt – Deadline: Wie man besser schreibt Es handelt sich um Kolumnen, die zwischen 2011 und 2013 entstanden sind und die fast alle immer noch gültig sind. Denn es geht um guten (Schreib-)Stil, um die selbstständige Arbeit, um gute Geschichten. Selbst die Texte zur Zukunft des Geschäftsmodells Journalismus haben nur wenig an Aktualität verloren.
Ich hab ein paar gute Zitate zum Thema „Schreiben“ mitgenommen, die ich gerne mit dir teilen will:
Schreiben ist Entscheiden. Und selbst ein radikaler Fehler liest sich interessanter als ein undurchdachter Kompromiss.
Schreiben ist nicht Leben. Es ist die überarbeitete, weniger langweilige, weniger verwirrende Variante davon.
„The most essential gift for a good writer is a built-in, shock-proof shit detector.“ Ernest Hemingway
Arno Geiger – Das glückliche Geheimnis: Ist Altpapiercontainern wirklich so ein besonderes heimliches Hobby, dass es für ein 240-Seiten-Buch taugt? Ich war nicht überzeugt. Doch dann hat mich das Buch doch irgendwie gepackt, weil es mich über meine Haltung zu Tagebüchern, das private Schreiben, mein Verhältnis zu Büchern und das Aufheben oder Wegwerfen nachdenken ließ. Nebenbei erfahre ich viel über Geigers Karriere und überlege nun, „Es geht uns gut“, mit dem ich damals nix anfangen kann, nun doch nochmal eine Chance zu geben.
Hellmuth Karassek: Soll das ein Witz sein? Ich glaube, ich bin über Matze Hielschers Newsletter auf dieses Buch gestoßen und weil es bei Amazon nur 1,88 Euro gekostet habe, habe ich es mir besorgt. Das Buch ist eine Reise durch unterschiedliche Witz-Genres. Ich hätte mir aber von Karassek mehr Einordnung und Hintergründe gewünscht. Allzuhäufig erklärt Karassek die Witze lediglich und was gibt es bitte schlimmeres, als wenn Witze erklärt werden.
David Walliams: Banditen-Papa: Es geht um einen Jungen, dessen Vater ein berühmter Rennfahrer war, der aber durch einen Unfall alles verliert. Um an Geld zu kommen, macht er windige Geschäfte, die ihn letztendlich ins Gefängnis bringen. Doch einer gibt seinen Vater nie auf: sein Sohn.
So, mag kitschig klingen, ist es vielleicht zum Teil auch, aber eben kindgerecht. Es ist lustig, traurig, tragisch und so wunderbar erzählt, dass ich am liebsten selbst alles von David Walliams lesen will. Zum Glück gibt es noch viele andere Bücher von ihm.
Das allerbeste an den Walliams-Büchern ist aber neben der wirklich kreativen Aufbereitung (Wenn‘s laut wird, werden die Buchstaben groß, wenn es Erschütterungen gibt, geraten die Buchstaben auch mal durcheinander) die Art, wie er erzählt. Selbst die lesemuffeligsten Kinder kommen am Ende eines Kapitels in Gewissenskonflikte, denn die enden eigentlich immer so cliffhangerig, dass man eigentlich nicht anders kann als weiterzulesen.
Ich mag die Monatsnotizen von Nicola Wessinghage sehr und deshalb führe ich das hier jetzt auch ein: Einmal im Monat gibt’s einen kleinen Rückblick, auf das, was mich in den vergangenen Wochen beschäftigt hat, was ich gehört, geschaut oder gelesen habe, und manchmal vielleicht auch darüber, woran ich gerade arbeite.
Bemerkenswert.
So richtig habe ich erst am Ende des Monats gemerkt, wie sehr mich das Auswerten der rund 3700 Vorschläge und das Erstellen der Shortlist für die Goldenen Blogger beschäftigt hat. Tiktok gucken, Instagram, Twitter oder in den Blogs stöbern, besonders zeitintensiv ist dann aber vor allem das Hören der unterschiedlichen Podcasts, denn auch ich bin ein Gewohnheitsmensch und habe meine Favoriten, die ich regelmäßig höre. Da ist selten Platz, mal was Neues auszuprobieren. Und das gerade dann, wenn ich nicht so viel unterwegs bin.
Unterwegs war ich zwar auch – zwei Tage in Essen mit dem Auto und in Nürnberg, aber das auch nur für eine Nacht und habe dabei ein sehr schnuckeliges tolles Hotel entdeckt. Ich hoffe, ich kann bald wieder einmal dort nächtigen, war nämlich wirklich schön und das Preis-Leistungsverhältnis auch sehr gut.
Einen sehr schönen japanischen Abend gehabt mit guten Gesprächen und einem Absacker in einer Bar, die die am besten getextete Getränkekarte ihr eigen nennen konnte. Da geh ich wieder hin.
Franziska im Düsseldorfer Schauspielhaus. Der bemerkenswerteste Moment war der, als der Mann auf der Bühne fragte, worum es hier eigentlich gehe und nicht wenige im Publikum lauthals lachten – und auch ich mich dabei ertappte, keine Ahnung davon zu haben, was da gerade vor sich ging. Hat sich aber dennoch gelohnt, mal wieder Theaterluft zu schnuppern.
Zu Beginn des Monats „Emily in Paris“ weggebingt und große Lust auf Paris bekommen. Und die erste Staffel von „White Lotus“ geschaut. Faszinierende Serie und ich liebe diese Melodie.
Gelesen
Teresa Bücker – Alle_Zeit: Eine Frage von Macht und Freiheit Kein Buch zum Bingereading, sondern eines, das ich immer wieder beiseitelegen musste. Und Zeit zum Nachdenken benötigte: Einige der Thesen regten in mir Widerspruch, andere Kopfnicken, wiederum andere triggerten mich so sehr, dass ich mir erst einmal bewusst machen musste, aus welchen Gründen das geschah. Ein kluges Buch, das zur Debatte einlädt. Eins, das meine Sprache verändert hat – ein „Ich habe keine Zeit“ kommt nun noch bewusster aus meinem Mund. Zudem mag ich den Begriff des Zeitkonfettis sehr. Eine der letzten Kapitelüberschriften lautet „Mehr Arbeit löst unsere Probleme nicht“. Ich füge hinzu: Mehr Zeit allerdings auch nicht. Hab mir vorgenommen, nochmal mehr drüber zu schreiben. Schauen wir mal.
Eberhard Seidel – Döner. Eine deutsch-türkische Kulturgeschichte Durch Zufall entdeckte ich in der Stadtbücherei Düsseldorf dieses Buch: „Döner. Eine türkisch-deutsche Kulturgeschichte“ trug. Kurz: Ich hab es mitgenommen und noch am selben Tag mit dem Lesen begonnen. Ich tauchte ab und erfuhr vieles über den Döner, was ich vorher nicht wusste: Wie der Döner nach Deutschland gekommen ist – und wohin genau. Welche Rezepte zu Beginn konkurrierten. Dass mittlerweile im Dönerspieß jede Menge Hackfleisch drin ist. Dass die Beigabe von Soßen und Rotkohl eine sehr deutsche ist. Dass es in den 1980er Jahren einen Qualitätsverfall gab, sodass im Juli 1989 die Berliner Verkehrsauffassung für das Fleischerzeugnis Dönerkebap in Kraft trat und seitdem als Reinheitsgebot für Döner Kebab zu verstehen ist. Wie und wo Dönerfleisch heutzutage produziert wird.??Alles sehr interessant.??Doch dem Buch gelang noch etwas, das ich zunächst gar nicht erwartet hatte: Ich habe mich mit der bundespolitischen Einwanderungspolitik beschäftigt, wozu es geburtsbedingt bisher keine Gelegenheit gegeben hatte. Wie türkische Arbeitskräfte zunächst nach Deutschland gelockt worden sind. Wie diese sich irgendwann entscheiden mussten – zurück in die Türkei oder die Familie nach Deutschland holen. Die Goldgräberstimmung nach der Wende, der Clash der Kulturen, Neid, Hass, Hetze. Nicht nur im Osten Deutschland. Welche Rolle Medien und öffentliche Instanzen dabei gespielt haben – z.B. durch die Prägung des Begriffs „Döner-Morde“. Und welche Rolle sie immer noch spielen. Ohne dieses Buch, das in der Kochbuchabteilung der Stadtbücherei Düsseldorf stand, hätte es vielleicht noch lange gedauert, bis ich mich damit auseinandergesetzt hätte.
Alexa von Heyden – Mohn und Regen Ein schönes Buch für verregnete Tage mit Tee und Heizdecke auf dem Sofa. Es geht ums Erwachsenwerden, um die Frage, wann eigentlich der richtige Zeitpunkt für den Kinderwunsch ist und was es auslösen kann, wenn das eigene Gefühl für den richtigen Zeitpunkt nicht dem entspricht, was sich der Körper so gedacht hat. Erwachsenwerden, weil Töchter irgendwann bemerken, was die Mutter für einen geopfert hat. (Und was man dann selbst ebenfalls bereits ist zu opfern für die eigenen Kinder.) Sehr gern gelesen.
Ewald Arenz – Die Liebe an miesen Tagen Wie all die anderen Bücher ziehen schon die ersten Seiten in die Geschichte hinein, die dann aus den unterschiedlichen Perspektiven erzählt wird. Die Geschichte: Mann und Frau erkennen schnell, dass sie wie Arsch auf Eimer zusammen passen, also Liebe des Lebens und so, dann ist alles nicht so einfach und natürlich passiert dann etwas, dass beiden zeigt, wie sehr sie einander lieben/ brauchen usw. Klingt ein bisschen platt und natürlich gelingt es Arenz das nicht ganz sooo platt zu erzählen, auch bei mir liefen Tränen und ich konnte nicht anders, als die Nacht kurz werden zu lassen und zu Ende zu lesen. Ein bisschen mehr außergewöhnliche Geschichte hätte ich nach „Alte Sorten“, „Der große Sommer“ und „Das Diamantenmädchen“ dann doch erwartet.
Und wie schön ist eigentlich wieder diese Optik? Gibt wenige deutsche Buchcover, die mich so ansprechen. Und große Liebe für das farblich passende Lesebändchen.
David Walliams – Gangsta-Oma schlägt wieder zu Britischer Autor, britischer Humor, was braucht man mehr und eine sehr kreative Buchgestaltung und ein Händchen für den perfekten Cliffhanger zum Ende JEDES Kapitels – perfekte Mischung, um Kinder zum Lesen zu bringen.
Gehört: Ganz viele Podcasts, die ich noch nicht kannte, ein paar haben es auch in meine Hörroutine geschafft.
Und zum Schluss: Auf meiner Website gibt’s ein Tool, um eigene Vorsätze zu verfolgen – den Startblock.
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