Pearl Jam – Alive

Er ist und bleibt etwas ganz Besonderes. Er ist es, von dem man immer wieder redet. In Frauengesprächen. Erinnerungen an Kämpfe mit den Eltern. Besonders mit dem Vater. Der auch in seinem Leben einen solchen Stellenwert einnimmt, dass er nach all den Jahren immer noch fragt: Und was macht er jetzt so?
Es ist derjenige, den man nie vergisst. Wirklich nie. Nie war man aufgeregter. Nie fiel die Trennung schwerer, weil er der Erste war. Das Spüren, dass es so nicht mehr gehen kann. Sich weiterentwickelt haben. Neues erleben zu wollen. Schmerz, auch wenn man selbst dafür gesorgt hat. Erinnern, wie es damals war. Vergleichen, ob es wieder so sein kann. Bekennen, dass es schön war. Damals. Aber schöner wurde. In all den Jahren.
Insipiriert durch Erinnerungen von Jens.

Blind Melon – No rain

Während man am Samstag meist in die im nächsten Dorf gelegende Disko fuhr, wagte man am Freitag oftmals den Weg in die etwas weiter entlegende Location. Der Vorteil: Die Musik war um einiges besser. Auch wenn so immer einer von uns fahren musste und sich aus diesem Grund nicht wirklich so benehmen konnte, wie er vielleicht wollte. Das war auch der erste Ort, bei dem ich lernte, dass man nicht vor halb eins in einer solchen Einrichtung auftauchen sollte. Denn wirklich erst mit dem Gong irgendwann nach eins wurde die Musik schlagartig besser, was man auch daran erkannte, dass der junge Mann im Queens-T-Shirt (er trug es wirklich jeden Freitag) nicht mehr alleine auf der Tanzfläche herumhüpfte. Ich schreibe absichtlich von einem Herumhüpfen, weil rocken war das nicht und tanzen schon gar nicht. Er tanze nicht wie ein Mann, eher wie ein Männchen und seine Bewegungen ähnelten einem Wiegeschritt. Und seine Haare wippten im Takt.

Im vorletzten Jahr war ich mal wieder dort, so dass ich sehen konnte, dass sich manche Dinge wirklich nie ändern. An seiner Art sich zu bewegen, erkannte ich ihn wieder. Nur sein T-Shirt war ein anderes. Zeiten ändern sich doch, er trug schwarz auf weiß die Marke ‚Afri-Cola‘.
Insipiriert durch Erinnerungen von Jens.

Laufen

Wie oft habe ich mir in meinem Leben schon vorgenommen, es regelmäßig zu tun? Jedes Jahr aufs Neue denke ich bei den ersten ernstzunehmenden Sonnenstrahlen: Ach, was die anderen können, kannst du auch! Also auf und los. Kostet nichts, ist in der freien Wildbahn und Bewegung tut DIR schon lange mal wieder gut!

Also quäle ich mich irgendwann im Mai oder einem ähnlichen Monat in die Sportschuhe und laufe los. Das Ergebnis ist natürlich ein Desaster. Nicht nur, dass ich gerade einmal sieben Minuten durchhalte, bis die ersten Ermattungserscheinungen auftreten. Schwere Beine, Atemnot.

Nach einer kurzen Dehnungspause, um den schlimmsten Muskelkater zu vermeiden, schaffe ich es weitere 3 Minuten durchzuhalten und entscheide mich dann spontan, den Rest des Weges doch einfach mit gemütlichem Walken zu meistern. Nach rund 15 Minuten gemütlichen Gehens nimmt mein Gesicht auch endlich wieder eine einigermaßen gesunde Gesichtsfarbe an.
In den vergangenen Jahren lief das dann meist so: Weitere zwei- bis dreimal konnte ich mich dann immer noch motivieren, ein paar Runden zu drehen, doch dann verlor das In-der-freien-Natur-Rumgelaufe schnell seinen Reiz und ich ging dazu über, einfach wieder meinen normalen sportlichen Aktivitäten nachzugehen, was ich dann vornehmlich auf meinen Drahtesel und das Schwimmen beschränkte.

Aber noch ist es nicht soweit: Noch bin ich motiviert und auch die Verletzung, die ich mir heute bei der morgendlichen Rasur unter der Dusche zugezogen habe (ihr wollt es gar nicht wissen, es tut nur immer noch sauweh!), hindert mich (noch) nicht daran, demnächst eine Anmeldung für den Berlin-Marathon abzugeben. Wäre doch gelacht, wenn ich das nicht auch hinbekommen könnte!

Schwärmereien

Ach, was war die Teenie-Welt doch schön. Diese vorsichtige Annäherung an das andere Geschlecht. Das Gekichere, wenn wir die Großen auf dem Schulhof knutschen sahen oder neidvoll den älteren Mädchen hinterherschauten, die mit dem tollsten Typen der Schule quatschten. Wie gern wären wir doch sein Gesprächspartner gewesen. Uns blieb es nur, zu träumen. Und uns mit den Jungs in unserem Alter auseinanderzusetzen. Da hatten wir ja wenigstens eine Chance. In den Schulstunden steckten wir uns kleine Briefchen zu, berichteten von unserem Alltag und machten kleine Andeutungen. Die richtig Coolen unter uns berichteten dann von ersten Knutschereien – toll für diejenigen, die dazugehörten.

Wir spielten diese kleinen Spielchen. Schrieben unseren und den Vornamen des Angebeten auf und berechneten, wie gut wir doch zusammenpassten. Nur den engsten Freundinnen verriet man, wem man sein Herz schenken wollte. Und peinlich wurde es erst, als wir feststellten, dass wir von dem selben Typen schwärmten. Wenn man das damals so nennen konnte. Ein Ausdruck, den man jetzt nicht mehr verwendet. Schwärmereien, die selten erwidert wurden. So dass wir uns dann gegenseitig trösteten, weil keine von uns sein Herz erobern konnte.

Eine seltsame Zeit, die aufhörte, als es Ernst wurde. Als wir uns so richtig verliebten, zum ersten Mal. Und es nicht mehr darauf ankam, cool zu sein.

Der Junggeselle

Nachdem ich nun schon von den meist nackten Nachbarn gegenüber geschrieben habe und auch vom Hausdrachen über mir, muss ich nun mal ein paar Worte über den Herren verlieren, der direkt neben mir wohnt. Ebenfalls neu eingezogen und ebenso rebellisch, weil noch kein Türschild: Weder an der Haustür, noch im Aufzug, was ihn schon einmal sehr sympathisch macht. Und auch sonst: Es spricht alles sehr dafür, dass wir uns eigentlich sympathisch sein könnten. Bei unserem ersten Aufeinandertreffen fragte er mich, ob ich auch abends immer so ein seltsames Fiepen hören würde, was ich belächeln musste, denn nach zwei Tagen hatte ich dieses Geräusch noch nicht gehört. Und ich muss gestehen: Bisher hat sich daran auch noch nichts geändert.

Doch scheint mein lieber Nachbar am Wochenende recht häufig unterwegs zu sein, was ihn grundsätzlich auch sympathisch macht, und heute dann, nachdem ich das ganze Wochenende über eigentlich nur prollige Kerle vor der Haustür hörte, die sich bei ihm die Klinke in die Hand gaben, dann eine zarte Frauenstimme. Mit der er nach Hause kam. Worte austauschte, so dass die liebe Frau Nachbarin mithören konnte. Keine Details, aber immerhin. Und das gute: Zwar können wir beide das Treiben der Nachbarn gegenüber bewundern, doch liegen die Wohnungen nicht so direkt nebeneinander, dass wir die sexuellen Äußerungen des anderen live mitverfolgen können. Tja. Und deshalb freue ich mich für meinen Nachbarn.

F*** the Infrastruktur

Ich find Düsseldorf ja wirklich gar nicht so schlecht. Wirklich. Aber was soll denn das jetzt? Auf dem Rückweg von hier, wo ich Karten für Donnerstag besorgte, wollte ich doch schier verzweifeln. Zwar ist diese Gegend mit einer 1A-Bushaltestelle ausgerüstet, doch leider verkehren dort lediglich Busse des Nachts, aber keiner nach 18 Uhr und nicht zwölf. Also auf zur rund 15 Minuten zu Fuß entfernten U-Bahn. Auf dem Bahnsteig die Anzeige: Nächste Bahn in 26 Minuten! Und das um gerade mal halb neun! Also wieder hoch und weiter in Richtung Hauptbahnhof. So weit kann das ja nicht sein. Und dann: Nächste U-Bahn-Station, wieder runter und hier verkehren die Züge ein wenig häufiger: Nächste in 13 Minuten! Na gut. Weiter zum Hauptbahnhof. Warten auf die Straßenbahn, die mich nach Hause bringt. Abfahrt in 9 Minuten. Na, wenigstens eine einigermaßen zivile Zeit.

Rückblick

Heute kamen sie wieder hoch. Die Erinnerungen an damals. An eine schwierige Zeit, die mich – je länger ich darüber nachdenke – mehr geprägt haben, als ich mir eigentlich immer eingestehen wolte. Die Vergangenheit, zu der ich mich anfangs nicht bekennen wollte, sie aber so offensichtlich war, dass ich mich schnell bemühte, alles, was daran erinnerte, so schnell wie möglich abzulegen. Schnell war der Akzent abgelegt, nur einzelne Worte verrieten mich noch. Freunde zu finden, weil man dazugehören wollte, aber doch merkte, dass es nicht so war. Dass man immer auf seine Herkunft reduziert wurde. Die Distanziertheit der Mitschüler, weil man vieles schon wusste, das Belächeln, weil man in anderen Fächern so gar keine Vorbildung hatte. Nicht einfach das.

Wenn ich nach meiner Herkunft gefragt werde, ist dieses Kapitel eines, was ich nicht sofort erzähle. Weil mir es nicht so wichtig erscheint und weil ich keine Lust auf die üblichen Fragen habe. Wie war das damals? Aber auch weil ich diese Blicke nicht möchte, diese Blicke, die mich in den ersten Jahren immer wieder trafen, verbunden mit dem Gefühl des Ausgegrenztseins.
Heute auf den Tag ist es 15 Jahre her. Der Umzug, das Entdecken der neuen Welt. Einer anderen Welt. Und immer wieder die Gedanken: Was wäre gewesen, wenn man dort geblieben wäre? Wenn es diese Zäsur in der eigenen Kindheit nicht gegeben hätte? Wenn alles beim Alten geblieben wäre oder auch nicht. Weil externe Einflüsse die Welt veränderten.

Komisch, dass ich gerade jetzt auf jemanden treffe, der genau das erlebt hat. Und komisch, dass ich nun gerade hier das Bedürfnis hatte, darüber zu schreiben. Weil es doch nirgendwo anders, einfacher wäre, diese Vergangenheit zu verschweigen.

Über die Schulter

„Sie können Ihre Jacke hier nicht über den Arm gehängt tragen“, wies er mich zurecht. Geht so also nicht. Erlaubt wäre aber, wenn ich meine Jacke über die Schulter hänge. So kam es, dass ich zum einen so was von lässig durch diese Ausstellung schlenderte. Und weil heute auch Tag der offenen Tür war und man in alle für lau gehen konnten, wollte ich auch durch die Kreml-Ausstellung laufen. Ebenso lässig. Der andere Ordner: „So können Sie Ihre Jacke hier nicht tragen. Hängen Sie sie doch über die Schultern…!“ Es gibt sie noch, die Momente, in denen es auf genau einen Buchstaben ankommt.

Premium Content: Kultur in Düsseldorf

Eigentlich war ich ja bei Andy Warhol, aber weil inmitten der Kultur-Meile in Düsseldorf dieser rote Klotz stand, war ich neugierig. Zu Neugierig. Und beschloss, nach dem Ausflug in die Pop Art auf jeden Fall nochmal vorbei zu schauen.

Da stand er nun. Der rote Klotz. Aufschrift: Faszination Handelswelten. Mehr nicht. Die Metro präsentiert sich, schön bunt, hip. Laute Musik, viele Bilder, viele, viele Computer, auf denen Videofilmchen zeigen, wie toll der Konzern ist, wie vielseitig man in einem Konsumtempel doch denkt. Und was die Zukunft bringt. Tja. Und wir auch sehen sollten, mit welchen Sinnen wir die vielen bunten Marken alle aufnehmen. Wie wichtig doch das Korkenknallen, der Geruch von Gewürzen und das Aussehen von wohlgeformten Früchten für unseren Genuss ist, gab’s – Kindheitserinnerungen werden wach – Ahoj-Brausepulver zum selber testen. It’s prickeling in England, wie Hape derzeit sagt. Nein: It’s prickeling in Düsseldorf. Auf meiner Zunge. Und wie ich vorhin erfahren habe, kann man damit auch ganz andere Körperteile zum Prickeln bringen.

Hausdrachen

Dieses Haus hat einen Drachen, einen Hausdrachen in Gestalt einer älteren Frau, die in großer Lautstärke den Fernseher laufen hat, egal, wann man bei ihr klingelt. Hört sie die Klingel, hüpft sie wie aufgescheucht an die Tür – auch gern ohne Schuhe. Kann man ja machen, jetzt. Ist ja warm. Dazu eine kreischende Stimme. Unterschwellig vorwurfsvoll, dass immer noch keine Klingelschilder an der Tür hängen – sei ja nicht so wichtig. Und Hausdrachen nehmen sich es auch heraus, morgens um halb neun hier zu klingeln. Nicht, dass ich nicht schon wach war und durchaus auch in der Lage gewesen wäre, an die Tür zu gehen. Aber seit morgens in Berlin eigentlich immer nur die Müllmänner wahllos klingelten, weil sie sonst nicht an die Tonnen kamen, gehe ich nicht mehr an die Tür.

Ganz flüchten konnte ich dann vor ihr nicht. Schließlich hat sie ja Zeit und wartete anscheinend im Hausflur, bis ich die Wohnungstür ins Schloss fiel ließ und die Treppen hinunterrennen wollte. Ich habe vorhin schon mal bei ihnen geklingelt? – stimmt, gute Frau. Da war ich wohl unter der Dusche.