Muss man diesen Film eigentlich mit all den anderen DDR-Filmen vergleichen, mit denen wir in den vergangenen Jahren behelligt wurde? Einerseits: Nö. Ganz andere Liga. Ganz anderes Thema. Andererseits: Unbedingt. Deswegen. Weil er nämlich endlich mal die ganze Ostalgie weglässt und die DDR so darstellt, wie sie eben war. Weil der Film darstellt, warum so viele Menschen das Land verlassen wollten, verlassen haben bzw. ihr Leben sogar dafür aufs Spiel setzten, um die DDR zu verlassen.
Nun gehöre ich ja genau zu diesen Menschen, die in sehr jungen Jahren dieses Land verlassen haben, noch bevor die Mauer fiel. Ich war jung, sehr jung, unsere Eltern haben versucht, das meiste, was in dieser Zeit geschehen ist, von uns fernzuhalten. Doch ganz ohne Erinnerungen ist auch ein elfjähriges Mädchen nicht. Zumal ich in den vergangenen Jahren sehr oft das Gespräch zu meinen Eltern suchte und mehr wissen wollte. Mehr wissen wollte, wie es denn so war, wenn man einmal im Monat im Ministerium erscheinen musste. Mehr wissen wollte, warum mein Vater plötzlich nicht mehr tagsüber in Schöneweide arbeitete, sondern die Nachtschicht in der nächstgelegenen Kaufhalle übernahm und Waren annahm oder Flaschen sortierte. Warum meine Mutter nicht mehr als Lehrerin arbeitete, sondern in einem Reparaturservice Schuhe entgegen nahm. Oder warum ich plötzlich nicht mehr das blaue Halstuch trug und meine beste Freundin plötzlich keinen Kontakt mehr zu mir haben durfte.
Denn all diese Vorkommnisse haben eines gemein: Sie waren Resultat einer Äußerung, die sich gegen den Staat richtete. Meine Eltern hatten beschlossen, auf legalem Wege das Land zu verlassen. Im Film „Das Leben der Anderen“ waren es Künstler, die mit ihren Werken politisch aneckten, die mit einem Berufsverbot mundtot gemacht wurden und daran zugrunde gingen.
Albert Jerska, der mit einem Berufsverbot belegte und mit Georg Dreyman befreundete Theaterregisseur, bringt sich um. Dreyman ist mit der schönen Schauspielerin Christa-Maria Sieland zusammen. Sie hat das Pech, dass Kulturminister Bruno Hempf ein Narren an ihr gefressen hat und um es sich nicht mit den Parteioberen zu verscherzen, gibt sie sich ihm in regelmäßigen Abständen hin. Das bringt den sonst so linientreuen Autoren Dreyman ins Zweifeln. In der Wut beschließt er gemeinsam mit zwei Freunden einen Artikel für den SPIEGEL zu schreiben. Über Selbstmorde, die in der DDR seit 1977 nicht mehr stattgefunden haben.
Das alles beobachtet Georg Wiesler, Sozialist und obrigkeitstreu durch und durch, der auf Dreyman angesetzt wurde, um etwas Anstößiges über ihn zu entdecken. Wir sehen, mit welcher Akribie zunächst die Wohnung verwanzt und später die Protokolle getippt wurden. Doch noch etwas Anderes, Unvorhergesehenes passiert mit Wiesler. Plötzlich zweifelt er an seinem Handeln, lässt Dreyman Dinge durchgehen, die er noch vor kurzem zutiefst verabscheut hat. Unklar bleibt, ob dabei die tiefe Bewunderung Christa-Maria Sieglands im Vordergrund steht oder ob es die Person Dreymans ist, die ihn so fasziniert und derart in den Bann zieht, dass er die bisher geltenden Maxime seines Handelns vergisst. Er verschweigt, ignoriert und rettet Dreyman schließlich vor den Repressalien des Staates.
„Das Leben der Anderen“ hat mich sehr berührt. Weil es dem Regisseur gelungen ist, auf sehr kühle und doch eindrucksvolle Art und Weise einen Teil der Geschichte zu erzählen. Ohne zu verklären, zu beschönigen oder zu verurteilen. Dass das so gelungen ist, dass ich mit einem Riesenklos im Hals noch während des Abspanns aufs Klo rennen musste, weil ich ansonsten stundenlang geweint hätte, lag aber auch an den brillanten Schauspielern. Ulrich Mühe, der den Stasi-Agenten Wiesler so genial in seiner Verklemmtheit und Detailversessenheit gespielt hat. Sebastian Koch, Ulrich Tukur, Martina Gedeck sind die großen Namen des Films. Es lohnt sich. Wirklich.